#Bundespräsidentenwahl

Köhler oder Schwan? 10 gute Gründe, am 23. Mai eine Frau zu wählen

von , 3.5.09

Vor acht Wochen war in gut unterrichteten Kreisen noch diese Milchmädchenrechnung zu hören: Würden Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Freie Wähler am 23. Mai geschlossen für Frau Schwan votieren, wäre sie die erste Bundespräsidentin in der Geschichte der Republik.

Denn die Sitzverteilung in der Bundesversammlung sieht so aus: SPD, Grüne und Linke* kommen zusammen auf 604 Stimmen; CDU/CSU und FDP ebenfalls. Also bilden die zehn Stimmen der Freien Wähler – grob vereinfacht – das Zünglein an der Waage.

Doch drei Wochen vor der Wahl wird nicht mehr gerechnet.** Gesine Schwan’s Kandidatur scheint aussichtslos zu sein. Es fehlt ihr an (wahrnehmbaren) Unterstützern in Parteien, Medien, Blogs und Internet-Foren.

Dabei gibt es gute Gründe, ihr am 23. Mai die Daumen zu drücken. Genauer gesagt: es gibt zehn gute Gründe!

1. Gesine Schwan ist in Berlin geboren, also hauptstadt-affin.

2. Als Katholikin ist sie in protestantisch-preußischer Umgebung groß geworden. Das heißt, sie hat Sinn für Widersprüche (und entsprechenden Humor).

3. Ihr Elternhaus war anti-nazistisch.

4. Sie zählt zur (weiblichen) Mehrheit der Bevölkerung.

5. Sie ist eine Intellektuelle. Sie kann flüssiger vom Teleprompter lesen als Horst (aber vermutlich braucht sie keinen).

6. Sie hat sich (nicht ganz freiwillig) mit der Studentenbewegung auseinandergesetzt und glaubt trotzdem nicht, dass die 68er an allem schuld sind.

7. Ihr Ehemann Peter Eigen ist Gründer der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International.

8. Sie hat exzellente Verbindungen zu Deutschlands wichtigsten Nachbarländern: Frankreich und Polen. Ihr ganzer Lebenslauf steht für die europäische Integration.

9. Sie hat ihre Kandidatur für das höchste Staatsamt aktiv betrieben. Das zeigt: Sie ist unabhängig (auch von der Großen Koalition), und sie lässt sich nicht steuern.

10. Sie bloggt.

Natürlich muss erwähnt werden, dass es auch ein paar Wermutstropfen gibt. Gesine Schwan war Mitbegründerin des rechten Seeheimer Kreises in der SPD (an dessen Linkenphobie ihre Wahl jetzt scheitern dürfte) – und sie war entschieden für den NATO-Doppelbeschluss.

Aber sie hat Position bezogen, auch und gerade gegen den Zeitgeist. Sie wäre eine Bundespräsidentin für schwierige Zeiten. Weil sie vor den Realitäten nicht die Augen verschließt, sondern ausspricht, was kommen kann. (Als der konservative Ex-Premier Dominique Villepin vor wenigen Tagen eine „vorrevolutionäre Atmosphäre“ in Frankreich registrierte, wurde ihm nicht, wie Schwan, Verantwortungslosigkeit vorgeworfen.)

Zwar hat Bundespräsident Horst Köhler die höheren Popularitätswerte – er kommt aus kleinen Verhältnissen, seine Eltern waren Bauern, er weiß, was es heißt, ein Flüchtling (und nicht willkommen) zu sein. Aber Berlin bräuchte im Moment ein paar Impulse jenseits der hausväterlichen Rezepte.

*Es gibt noch einen dritten Kandidaten. Aber wenn die Linke schon einen Kabarettisten ins Rennen schickt, dann hätte es wenigstens Georg Schramm sein müssen.

**Und das liegt nicht nur an Heiner Brand.


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