#Äußeres

Über Anflüge von Klugheit im außenpolitischen Gerede

Das beantwortet die Frage nach dem Grund hinter dem klugen Verhalten nicht. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Sun Tzu oder Parsifal.

von , 25.4.19

Dass Reden und Tun nicht zusammenpassen, ist in der Politik keine Seltenheit. Um Lüge geht es hier gar nicht. Das hieße ja, etwas Unwahres zu sagen. Was passiert ist eher, dass eine Sache gesagt und gleichzeitig etwas ganz anderes getan wird.

Wir haben es auch nicht einfach mit einem Einfall des diplomatischen Sprechens in die öffentliche Politik zu tun. Denn das würde viel vorsichtiger vorgehen und möglichst wenig Verpflichtendes auf den Tisch zu legen, um immer alle Optionen offen zu halten. Um Wahlversprechen handelt es sich ebenfalls nicht. Denn es gab im fraglichen Moment selten etwas zu wählen.

Dass Reden und Tun nach Außerhalb derart auseinander fallen, fiel mir zum ersten Mal im Moment der Flüchtlingskrise auf. Die Botschaft “Flüchtlinge willkommen” tauchte unser ganzes Land in ein glänzendes Licht der Menschenfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Genau gleichzeitig wurden die Asyl-Gesetze verschärft, um eben diese mit der einen Hand willkommen geheißenen Flüchtlinge mit der anderen leichter wieder rausschmeißen zu können.

In jüngerer Zeit hat sich das Verhältnis von schön Reden und schlechtem Tun zum Glück umgekehrt. Immer häufiger wird das Richtige getan, während die Verlautbarungen dazu peinlich bis verheerend sind. Wie sich dieser Wandel zum Positiven erklären lässt, weiß ich nicht.

Neuere Beispiele finden sich etwa in der Zusage, das deutsche Rüstungsbudget auf zwei Prozent anzuheben. Wirklich bewegt hat sich da nichts. Gut. Oder die Russland-Sanktionen, die Jahr für Jahr verlängert werden, von entsprechenden Gebrumme begleitet. Gleichzeitig steigt das Handelsvolumen. Oder die Nordstream-Pipeline. Stirnrunzeln und bedenkliche Gesichter wohin man blickt. Gleichzeitig wird einfach weiter gebaut. Oder die eindringlichen Warnungen, je an dem chinesischen One-Belt-one-Road-Projekt mitzumachen. Dabei steht längst fest, dass Duisburg eine der wichtigsten Endstationen wird. Oder als jüngste, eher ein wenig lächerliche Episode die lauthals verkündete Anerkennung eines selbst deklarierten venezolanischen Präsidenten, unter Bruch aller diplomatischer Gepflogenheiten. Auf die Zusammenarbeit mit dem von Maduro ernannten Botschafter in Berlin hat das offenbar keinerlei Auswirkungen gehabt.

Nun lässt sich natürlich fragen: wozu das Gewäsch, wenn es nicht einmal dazu dient, Wähler an der Nase herumzuführen? An wen wendet sich dieses Gerede? Wer spricht hier? Und sagt was? Und warum?

Es könnte sich doch genau so gut jemand hinstellen und ein paar Wahrheiten aussprechen: Natürlich soll Geld verdient werden, und also wächst der Handel und China, denn das ist der Wachstumsmarkt. Oder: da die Chaos-Politik unserer Verbündeten und unsere eigene EU-Afrika-Politik das Leben in weiten Teilen des Globus zur Hölle machen, müssen wir die Flüchtlinge aufnehmen. Gleichzeitig müssen wir allen besorgten Deutschen versprechen, sie hier schlecht zu behandeln (oder zuzulassen, dass das andere für uns tun), um die Wahlen nicht gegen eine mit Milliardärsgeld aufgepimpte Hass-Partei zu verlieren.

Freunde aus dem Ausland fragen mich öfter, wie es kommt, dass die deutsche Außenpolitik ein derart verworrenes Bild abgibt. Ich antworte dann meistens, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie es sich anhört. Dass also die Politik meistens nicht macht, was sie sagt. Und hier kommt ein Anflug von Klugheit ins Spiel. Solange man das Richtige tun kann, warum nicht sagen, was am wenigsten Ärger macht? Wenn ich unseren Außenminister gelegentlich im Fernsehen sehe, rechne ich schon gar nicht mehr damit, dass dem, was er sagt, irgendetwas im Tun entspricht. Es handelt sich um freie Rede in einem neuen Sinn. Um Rede, die von jeglicher Konsequenz im Handeln befreit ist. Ich erinnere mich noch an Außenminister, deren Worte Gewicht hatten. Oder haben sollten. Oder wenigstens mit einem Ton der festen Überzeugung und Wichtigkeit vorgebracht wurden. So etwas habe ich im deutschen außenpolitischen Gerede schon lange nicht mehr vernommen.

Hier kommt der Anflug von Klugheit ins Spiel. Um welche Art von Klugheit es sich handelt, weiß ich allerdings nicht genau. Es heißt ja bei Demonstrationen und Sitzblockaden, dass man es den Polizisten leichter macht, weggetragen zu werden, wenn man sich widersetzt und wehrt. Viel schwieriger ist es, Leute zu greifen, die sich hängen lassen, möglichst labberig machen, so dass sie aus den Händen rutschen und durch die Finger gleiten.

Das beantwortet die Frage nach dem Grund hinter dem klugen Verhalten nicht. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Sun Tzu oder Parsifal. Sun Tzu sagt: Gib vor, schwach zu sein, damit er (der Feind) überheblich wird. Aber der große Stratege aus China sagt auch: Vorgetäuschte Schwäche erfordert Stärke. Ob sich das Gerede in der deutschen Außenpolitik als Ausdruck dieser Art von Stärke verstehen lässt? Es gibt noch die andere Möglichkeit, die hierzulande eigentlich vertrauter sein sollte. Es ist die Klugheit eines Parsifal, mit dem Helden als Trottel.

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