Zeit der Abrechnung: G20 Staaten einigen sich auf Vermögensabgabe und globale Mindeststeuern

von , 18.3.09


Angesichts der dramatisch angewachsenen Zahl von Arbeitslosen in beinahe allen Wirtschaftsregionen der Welt und den damit einhergehenden hohen Sozialausgaben sei es unabwendbar geworden, dass „die Gewinner des Booms“ aus der Zeit vor dem globalen Banken-Crash „zur Finanzierung der sozialen Lasten herangezogen werden“, begründete der brasilianische Finanzminister und derzeitige Vorsitzende des G20-Finanzausschusses, Guido Mantega, die gefassten Beschlüsse. Diese sehen unter anderem vor, dass alle beteiligten Regierungen auf Privatvermögen von mehr als einer Million Dollar eine einmalige Abgabe in Höhe von fünf Prozent erheben. Darüber hinaus einigten sich die Minister auf die Einführung eines Mindeststeuersatzes auf Unternehmensgewinne und Kapitalerträge in Höhe von 25 Prozent.

Um zu vermeiden, dass Vermögensbesitzer und Unternehmen auf Niedrigsteuergebiete in der Karibik und Ostasien ausweichen, beschlossen die Minister zudem, all jene Staaten, die weiterhin am Geschäft mit Steuerflucht und Bankgeheimnis festhalten, den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten zu sperren. Im Konfliktfall, so erläuterte EU-Finanzkommissar Peer Steinbrück, solle Banken, die weiterhin Geschäftsbeziehungen mit den so genannten Offshore-Zentren unterhalten, ihre Lizenz für die Tätigkeit im Euro- und Dollarraum entzogen werden. Ohne ein Konto bei der Europäischen Zentralbank oder der US-Notenbank Federal Reserve könne keine internationale Bank bestehen. Darum sei er zuversichtlich, dass die Maßnahmen greifen werden, sagte Steinbrück. Mit den Beschlüssen werde umgesetzt, „was Kritiker der rein marktgesteuerten Globalisierung schon seit Jahren fordern“, erklärte dazu ein Sprecher des jüngst gegründeten Europa-Sekretariats von Attac in Brüssel. Letztlich seien die Steueroasen „schon immer nichts anderes gewesen, als exterritoriale Gebiete auf den Festplattenspeichern der Banken in New York, London oder Hongkong.“ Dies gelte erst recht, seitdem die Schweiz als wichtigster Steuerfluchtstaat ausgefallen sei. Die Berner Regierung hatte schon zum Jahreswechsel offiziell das Ende des Bankgeheimnisses für ausländische Kontoinhaber und die volle Kooperation mit deren Steuerbehörden beschlossen. Darauf hatten die EU-Regierungen bestanden, nachdem die Schweiz die Großbank UBS nur noch mit Hilfe von Krediten der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds vor dem Zusammenbruch bewahren konnte.

Parallel dazu hatte die neue konservative Regierung in London unter dem Druck anhaltender sozialer Proteste bei den lokalen Regierungen der Inseln Guernsey, Jersey und Isle of Man die Einführung der britischen Steuergesetze durchgesetzt. Auch die Steuerfreiheit für die in London ansässigen ausländischen Superreichen wurde aufgehoben. Der daraufhin massiv betriebenen Kapitalverlagerung nach Singapur, Hongkong und die Bermudas sollen die nun gefassten Beschlüsse einen Riegel vorschieben. Vom Ende der organisierten Steuerflucht erwarten die G20-Staaten Mehreinnahmen in Höhe von mindestens 300 Milliarden Dollar jährlich.

Mehr als drei Mal soviel erhoffen sich die Regierungen durch die einmalig zu erhebende Vermögensabgabe. Dagegen hatte sich bis zuletzt vor allem die Bundesregierung gesträubt. Erst nachdem sowohl der chinesische Premier Wen Jiabao als auch US-Präsident Barack Obama intervenierten, hatte die deutsche Seite nachgegeben. Hintergrund der ungewöhnlichen Allianz ist die dramatische Lage der amerikanischen Staatsfinanzen. Mit einem Haushaltsdefizit in Höhe von mehr als drei Billionen Dollar im vergangenen und laufenden Haushaltsjahr, wird es für die US-Regierung zusehends schwieriger, das dafür benötigte Geld auf den Kapitalmärkten aufzunehmen. Damit einher geht die Furcht vor einer Inflationierung des Dollar. Würde es aber zu einer Flucht aus Dollaranlagen kommen, käme über kurz oder lang das globale Zahlungssystem und damit der gesamte Welthandel zum Stillstand. Gleichzeitig würden China und viele weitere Schwellenstaaten einen großen Teil ihrer Devisenreserven verlieren. So lehre der drohende Staatsbankrott die Regierungen, „was eigentlich schon lange klar war“, kommentierte der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz die Beschlüsse von Brasilia. Die extrem ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen – ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt fast die Hälfte des globalen Anlagevermögens – sei selbst eine der wesentlichen Ursachen für die Aufblähung der Finanzindustrie gewesen. Nun sei auch für diese Gewinner der falschen Globalisierung „der Tag der Abrechnung gekommen.“

Dieser Text stammt aus einer fiktiven Ausgabe der Wochenzeitung “Die Zeit” mit Datum vom 1. Mai 2010, die Attac am Samstag nach Eigenangaben in einer Auflage von 150.000 Exemplaren verteilt hat. Die gesamte Ausgabe kann (noch?) hier nachgelesen werden. Wir danken Harald Schumann für die Erlaubnis zum Zweitabdruck.

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