#Medienkritik

Keine Rente für Wallraff!

von , 16.3.09


Günter Wallraff, 66, könnte sich zufrieden zur Ruhe setzen. Auf seine alten Tage müsste er keine kleinen Brötchen mehr backen und nicht in kalten Nächten unter Brücken schlafen. Aber Wallraff findet keine Nachfahren, die ihn ersetzen könnten. Obwohl die Kluft zwischen denen da oben und denen da unten wächst. Also muss Wallraff bis zum Sankt Nimmerleinstag weiter machen. Muss Rennrad fahren und Marathon laufen und sich 20 Jahre jünger schminken, um all die Jobs zu kriegen, die eigentlich für Jüngere gedacht sind. Wo, bitte, sind unsere 30-jährigen Reporter?*

Ist ihnen die Welt da unten egal?

Sie kleistern ihre Lifestyle-Blättchen mit Mode, Geschenktipps und Fotogalerien zu. Sie interviewen Stars und porträtieren „Erfolgstypen“. Sie erfinden Zeitschriften für verwöhnte Hunde (dogs) oder männliche Gourmets (beef). Sie richten sich ein in ihren immer gleichen Mittelstandsmedien und schreiben ihre Mittelstandsgeschichten über ihre Mittelstandsprobleme, während die Sozialreportage („Oh Gott, bloß das nicht!“) aus den Medien fast verschwunden ist.

Arme & Arbeiter kommen in den Medien nur vor, wenn man sie denunzieren kann (Hartz-IV-Schlampen, Kinderverwahrloser, Bildungsdeppen). Für etwas stehen, etwas riskieren, ein Thema durchsetzen, das ist nicht das Ding der jungen Reporter. ** Sie wollen bloß unterhalten.

Opa Wallraff wird’s schon richten.

*Das Durchschnittsalter der für den Egon Erwin Kisch-Preis nominierten Journalisten lag im vergangenen Jahr bei 53,5 Jahren.

**Zur Verteidigung der jungen Journalisten muss natürlich erwähnt werden, dass nicht sie darüber entscheiden, ob Sozialreportagen gedruckt werden. (Bleibt andererseits die Frage, ob die Jungen jemals welche vorschlagen).

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