Sein Tod lässt mich fassungslos zurück

von , 3.10.11

 

Liebe Trauergemeinde,

viel ist in den vergangenen acht Tagen geschrieben worden über Robin – und hat mir erst wirklich deutlich gemacht, wie wichtig und auch zu Hause er war in einer Szene – richtiger wohl: in einer Community –, von der ich erst vor kurzem verstanden habe, welchen Einfluss sie mittlerweile auf die Debatte in Deutschland hat…

Eine unsere ersten Begegnungen – das muss 1993 gewesen sein – deutete übrigens gar nicht darauf hin, dass ich einen künftigen Experten für digitale Medien vor mir hatte. Die Begegnung trug sich zu in der Berliner Redaktion der Lifestyle-Illustrierten Prinz, wo ich Volontär war, und die im Gefolge des Zeitgeist-Journalismus im Umfeld von Walter Mayr, Helge Timmerberg, Markus Carrer, Christian Kracht und anderen eine kurze Blüte erlebte.

Robin war damals mein Hamburger Kollege – Volontär in der Prinz-Zentralredaktion – und wurde von dort aus in jenes Berlin geschickt, wo die Mauer noch nicht allzu lange gefallen war und die Jugend des Landes mit immer neuen Lebensformen experimentierte. Ob er im Berliner Nachtleben etwas Bedeutendes herausfand, erinnere ich nicht mehr. Was aber alle im Berliner Büro bis zur Raserei brachte war, dass Robin unser altertümliches Fax-Gerät, das einen separaten Hörer mit Schnur hatte, konsequent als Telefon benutzte. Dieses Bild, Robin mit dem grünen Hörer des Faxes, und die aufgeregte Empörung der Berliner Mitarbeiter, ist eine der ersten Erinnerungen, die ich von ihm im Kopf habe und niemals vergessen werde. Er selbst war nur über die Erregung verwundert. Mit Spießern konnte er halt nichts anfangen und vorhandene Technik war dazu da, sie pragmatisch zu nutzen.

Schon damals, in meinen ersten Gesprächen mit ihm, begriff ich, jemanden vor mir zu haben, der meine Interessen teilte. Beide waren wir von unseren Anlagen her eher Intellektuelle, beide hatte es uns in den Lifestyle-Journalismus verschlagen – und beide genossen wir das auch auf eine bestimmte Art und Weise. Die Schwesterblätter Prinz und Tempo waren in den frühen 1990er Jahren durchaus einflussreiche Medien. Unsere (nur geringfügig älteren) Kollegen hießen damals Christian Kracht, Sybille Berg, Adriano Sack und Marc Fischer. Letzterer, eindeutig der Begabteste von uns allen, ist übrigens noch vor Robin gestorben: vor einigen Monaten und mit gerade einmal vierzig Jahren.

Sowohl für Robin wie für mich war aber auch klar, dass wir dieses Milieu nach ersten Erkundungen relativ schnell verlassen würden, was dann ab etwa 1995 auch geschah. Obwohl wir uns in den folgenden Jahren nur sporadisch sahen und sprachen, folgten unsere Wege einer erstaunlichen Parallelität.

  • Während ich in den 1990er Jahren Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UdK studierte, machte er an der benachbarten TU einen Abschluss in Medienberatung.
  • Ungefähr zeitgleich verbrachten wir ein Jahr des Auslandsstudiums in London.
  • Und ungefähr zeitgleich begannen wir unser Interesse an konkreter Medienanalyse und praktischer Medienberatung zu entdecken – ich bei der Bertelsmann Stiftung, er bei Ringier.
  • In diesen Jahren hatten wir viel gemeinsam. Auch intellektuell. Wie ich hatte Robin eine obskure Vorliebe für das sogenannte Rieplsche Gesetz der Kommunikationswissenschaft – es zieht sich durch alle seine Veröffentlichungen –, das aus dem Jahr 1913 stammt und besagt, dass nie ein altes Medium durch ein neues vollständig verdrängt wird, sondern bestenfalls neue Funktionen zugewiesen bekommt.
  • Ein wirklich merkwürdiger Zufall – denn mehr war es nicht – führte schließlich dazu, dass wir beide unsere Doktorarbeiten bei dem selben Doktorvater schrieben – ich in Erfurt und er in St. Gallen. Allerdings waren die Geschäftsgrundlagen hierfür vollkommen unterschiedlich: Ich hatte mich für den sozialdemokratischen Intellektuellen Peter Glotz entschieden, er sich für den Telekom-Aufsichtsrat und frühen Erforscher der Digitalisierung.

Peter Glotz‘ Interessen waren zu diesem Zeitpunkt, um 2000 herum, eindeutig eher mit Robins Themen. Ich reiste zu dieser Zeit regelmäßig nach St. Gallen, um Anschluss an den Lehrstuhl zu haben…

Dort erlebte ich ihn, wie er sich – noch keine 30 – Streitgespräche mit Matthias Döpfner lieferte oder Bodo Hombach argumentativ in die Enge trieb. Das war der positive Effekt seiner alles überwölbenden Sachlichkeit: er wurde von allen von der ersten Minute an ernst genommen – selbst wenn seine Urteile hart waren, trafen sie ins Schwarze. Ich zitiere ein Beispiel aus jüngster Zeit, sein Urteil über die neue Wired aus seinem Twitter-Account vom 9. September: „Nee, die Wired ist nicht nur harmlos, sie ist langweilig“, befand Robin da. So etwas konnte er Leuten auch ins Gesicht sagen…

Dann war Robin plötzlich in Berlin. An unser erstes Treffen nach seinem Umzug kann ich mich gut erinnern. Auf der einen Seite wirkte er unverändert – wie ich überhaupt nicht erinnern kann, bei Robin jemals die Spur eines Alterungsprozesses bemerkt zu haben – auf der anderen Seiten war er ab diesem Moment exakt der Robin, den wir alle in Erinnerung behalten werden: der Haarschnitt, die Uhren, die Anzüge, die Sprechweise und der ganze Habitus hatten ihre endgültige Bestimmung gefunden.

Robin wurde Aktivist in Sachen Netzpolitik. Das brachte ihn und mich, der ich schon immer Politik machte, trotz Differenzen im Detail zusammen. Noch am 13. September, drei Tage vor seinem Tod, meldete er auf seinem Twitter-Account: „Habe gerade noch #petition gegen #vorratsdatenspeicherung mitgezeichnet. Bitte ebenfalls tun – es fehlen noch 12.500 Mitzeichner.“ Solches grass-root-Engagement für Bürgerrechte habe ich von jeher gemocht und es wird mir warm ums Herz, wenn ich Robins Aufruf lese…

Liebe Trauergemeinde,

zum letzten Mal gesehen habe ich Robin vor zwei Wochen bei der Präsentation meines Buches „Die erregte Republik“. Nie wäre es mir in den Sinn gekommen, dass er vier Tage später tot sein könnte.

So richtig vorstellen kann ich es mir bis heute nicht.

Was bedeutet es, einen Mann, einen Freund, einen Kollegen zu verlieren? Ich kann hier nur von mir reden. In mir hat Robins Sterben neben Schock und Schmerz vor allem eine andere Perspektivierung von Tod ausgelöst. Es sind nun, in unseren späteren Dreißigern, nicht mehr unbedingt die alten Leute um uns herum, die sterben. Es trifft jetzt auch Weggefährten aus der eigenen Generation.

Es ist nicht so, dass sich in mir nun meine eigene Sterblichkeit als permanentes memento mori einbrennen würde. Ich habe das eigene Älterwerden immer nur unter einem einzigen Gesichtspunkt begrüßt: dem längeren Erfahrungszeitraum, auf den man zurückblickt und damit verbunden den längeren gemeinsamen Weg, den man mit anderen zurücklegt.

Ich habe mit Erstaunen festgestellt, dass ich Robin erst als Erwachsenen kennengelernt habe – und trotzdem 20 Jahre meines Lebens mit ihm teile.

Sein Tod lässt mich fassungslos zurück – so wie uns wohl alle hier -, doch mein Mitgefühl gilt seinen Angehörigen, die einen geliebten und liebenden Menschen verloren haben…

 

Thymian Bussemer ist ein langjähriger Weggefährte und Freund Robin Meyer-Luchts.

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