ZDF/Zeit Online: Das Ende der Werbefreiheit öffentlich-rechtlicher Inhalte im Internet?

von , 27.4.11

Vor einiger Zeit hat ZDF-Intendant Markus Schächter in einem Brief an Carta zu klären versucht, wieso ZDF-Videos zusätzlich mit Bild.de-Logo und Pre-Roll-Werbung versehen auf Bild.de liefen (hier, Screenshot dort). Der ZDF-Intendant schrieb damals unter anderem:

„Die Einfassung des Clips in Preroll-Werbung sowie die Versehung mit einem Logo war uns im Vorfeld nicht bekannt und wird in dieser Form nicht mehr stattfinden.“

Damit schien eigentlich geklärt zu sein, dass ZDF-Videos auf privatwirtschaftlichen Websites nicht mit Pre-Roll-Werbung versehen sein sollen. Wäre da nicht des Intendanten ominöse Formulierung von „nicht in dieser Form“.

Denn dass das ZDF inzwischen sehr wohl Vorschalt-Werbung vor seinen Inhalten im Internet sehen möchte, kann man seit einigen Wochen auf Zeit Online besichtigen:

Einsatz von Pre-Roll-Werbung bei ZDF-Videos auf Zeit Online (Screenshot 26. April 21:20h)

Dort laufen die „heute 100 sec“ mit Vorschalt-Werbung, derzeit beispielsweise von IBM: 15 Sekunden Werbung – gefolgt von 100 Sekunden öffentlich-rechtlichen Kurznachrichten (hier auch als Video auf Youtube). Erst ZDF-Logo, dann Werbung, dann wieder ZDF-Logo.

Staatsvertraglich ist den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Werbung auf den eigenen Websites streng verboten. Auf kommerziellen Sites sind Werbeclips direkt vor ZDF-Nachrichten jedoch aus Sicht des ZDFs weitgehend unproblematisch: Die Inhalte würden über die kommerzielle Tochter ZDF Enterprises lizenziert, so ZDF-Sprecher Alexander Stock auf Carta-Nachfrage. Kommerzielle Lizenznehmer dürften selbstverständlich auch Werbung vor derartige ZDF-Inhalte schalten.

Die Lizenzierung der ZDF-Inhalte erfolge zu marktüblichen Preisen, versichert Stock. Er will jedoch weder die Höhe der Preise angeben noch die Methode, mit deren Hilfe sie ermittelt wurden.

Ein solches Vorgehen erscheint aus mehreren Gründen fragwürdig:

  1. Für den Internetnutzer wirken die Videos dank ZDF-Logo wie lupenreiner ZDF-Inhalt – von ZDF Enterprises ist nichts zu sehen. Hier werden dem Eindruck nach ZDF-Inhalte im Netz direkt mit Werbung gekoppelt.
  2. Den Gebührenzahler wird es wenig freuen: Öffentlich-rechtliche Videos, die er ‚schon bezahlt hat‘, wie es in der Depub-Debatte gerne heißt, darf er nun noch einmal mit Werbung versehen im Netz schauen.
  3. Die öffentlich-rechtlichen Videos werden hier zum Online-Werbeträger – eine Entwicklung, die sich der Gesetzgeber so höchstwahrscheinlich nicht gewünscht hat.
  4. Die öffentlich-rechtlichen Inhalte sorgen hier nicht für mehr publizistische Vielfalt, sondern für weniger Werbegelder für andere Online-Nachrichtenprodukte.
  5. Das ZDF kann nicht transparent darlegen, wie es zu seinen Lizenzpreisen kommt. Dass es mit Hilfe von Gebührenmitteln marktverzerrend attraktive Angebote gemacht, kann der Sender nicht widerlegen.

Mit der Pre-Roll-Werbung vor ZDF-Kurznachrichten auf Zeit Online werden zweifelsohne die medienpolitischen Pfosten im Netz ein wenig weiter verrückt – zumindest wird der Versuch unternommen. Vor drei Jahren, als WDR und WAZ ihre Kooperation begannen, wären derartige Praktiken noch schwer vorstellbar gewesen.

Der Zeit Verlag sieht sich dennoch nicht in der Rolle, die Werbefinanzierung von öffentlich-rechtlichen Inhalten im Internet zu befördern. Er erklärt gegenüber Carta: „Zeit Online zahlt eine Lizenzgebühr an ZDF Enterprises für die ZDF-Inhalte – damit tragen wir nicht zu einer Werbefinanzierung öffentlich-rechtlicher Online-Angebote bei.“

Die Politik reagiert weniger gelassen. Medienpolitiker von CDU, SPD, Grünen und FDP halten den ZDF-Vorstoß für falsch. Für Johannes Beermann, Chef der Sächsischen Staatskanzlei und Koordinator der CDU-Medienpolitik auf Länderebene, spricht das staatsvertraglich verankerte Online-Werbeverbot „eine klare Sprache“. Er erwarte, dass sich das ZDF weiterhin von Pre-Roll-Werbung distanziere – „auch wenn die ZDF-Clips in fremde Websites eingebunden sind“.

Für Marc Jan Eumann, den medienpolitischer Sprecher der SPD, Staatssekretär in NRW und selbst ZDF-Fernsehrat, „erodiert genau jene Trennschärfe im Systemwettbewerb, den Medienpolitik eigentlich anstreben sollte“, wenn nun ZDF-Inhalte mit Vorschalt-Werbeclips im Netz stehen.

Tabea Rößner, die medienpolische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, fordert, dass deutlicher gekennzeichnet werde, dass hier Einnahmen für Verlage generiert werden – „denn sonst fragen sich die Gebührenzahler natürlich, warum sie Werbung für ein Produkt ansehen müssen, dass sie bereits mit den Rundfunkgebühren bezahlt haben.“ Zudem sollte vor den 100-Sekunden-Videos aufgrund ihres „’Nachrichtenzeit‘-Charakters“ gar keine Werbung laufen.

Burkhardt Müller-Sönksen, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, nennt das ZDF-Vorgehen eine „geschickte Umgehung des Werbeverbots im Internet“. Das ZDF stelle den Sinn der Gebührenfinanzierung in Frage, wenn es nun kurzerhand seine Online-Videos auch werbefinanziert anböte. Der Gebührenzahler erwarte zurecht ein von wirtschaftlichen Interessen unabhängiges Programm.

In der Vergangenheit sind die Rundfunkanstalten mit ihren häufig eigensinnigen Interpretationen der Rundfunkstaatsverträge zumeist durchgekommen – mochte die Medienpolitik zetern, wie sie wollte. Vieles spricht dafür, dass es auch diesmal so sein wird.

Nach ZDF-Interpretation wäre es dabei staatsvertraglich womöglich auch zulässig, das gesamte ZDF-Programm werbefinanziert ins Netz zu stellen – es muss einfach nur von ZDF Enterprises lizenziert werden.

Siehe auch zu diesem Thema:

/th

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