Interview Daniel Schultz vs. Christoph Keese auf ‘mysteriöse’ Weise aufgetaucht

von , 14.4.11

Die sonderbare Geschichte vom Axel-Springer-Außenminister, der es aufgrund seiner Arbeitsbelastung monatelang nicht schafft, “ein Interview zu überprüfen, das er selbst geführt hat”, hat Thomas Knüwer vor einigen Wochen noch einmal aufgeschrieben. Es ging darum, dass Christoph Keese ein Gespräch mit dem gerne hartnäckig nachfragenden Daniel Schultz vom Blog “Presseschauer” geführt hatte, das er selbst transkribieren wollte – was aber lange Zeit nicht geschah.

Nun ist das Interview auf ‘mysteriöse’ Weise aufgetaucht – auf dem Blog “Presseschauder” – betrieben von Christoph Keese als Privatperson. Auch ein dazugehöriges Twitter-Account gibt es (via). Die Domain ist laut Denic.de auf Keese registriert. Das Impressum ist nach deutschem Medienrecht wohl nicht ganz vollständig.

Hier ein Auszug aus dem Interview mit dem Titel “Geistiges Eigentum muss geschützt und entgolten werden”:

Daniel Schultz: Wie hoch waren die Spenden der Axel Springer AG für die Wikipedia im letzten Jahr?

Christoph Keese: Wir haben nichts für Wikipedia gespendet. Wie viel haben Sie gespendet?

Schultz: Ich habe zehn Euro gespendet.

Keese: Warum?

Schultz: Weil ich das Projekt gut finde und unterstützen möchte.

Keese: Ohne Frage, das ist ein gutes Projekt, aber unser Schwerpunkt liegt auf Journalismus.

Schultz: Können Sie sich an die Geschichte in der Bildzeitung „Müssen wir uns diesen Namen merken?“ erinnern? Sie, beziehungsweise jemand aus Ihrem Unternehmen, haben an der Stelle Inhalte der Wikipedia verwendet und nicht darauf verlinkt beziehungsweise diese beseitigt.

Keese: Sie meinen den vollständigen Namen Karl-Theodor zu Guttenbergs? Der ist auch ohne Wikipedia bekannt.

Schultz: Wie geht man damit um, wenn man eigentlich lizenzfreie Inhalte verwendet, ob das Projekt oder die Autoren einen Benefit davon haben?

Keese: Wir zahlen für alles Honorare, was rechtlich geschützt ist. Falls wir dabei etwas übersehen, honorieren wir nach. Geistiges Eigentum muss geschützt und entgolten werden.

Schultz: Sie erwähnten Lizenzverträge im Bereich der Informationstechnologie als Vorbild für Lizenzmodelle bei Verlagen. Dort sind unter anderem Gewährleistungspflichten und Servicelevel-Agreements zur Qualitätssicherung üblich. Angenommen, der von Ihnen ins Feld geführte Banker vertraut auf eine Information des lizenzierten Qualitätsjournalismus, die sich als falsch herausstellt. Ist dann eine Entschädigung des Kunden durch die Verlage bei mangelhafter Produktqualität vorgesehen?

Keese: Journalismus ist keine Software. Ihr Vergleich hinkt.

Schultz: Aber Sie haben selber auf Lizenzverträge der Software-Industrie hingewiesen.

Keese: Als Hinweis darauf, dass es in anderen Bereichen üblich ist, geistiges Eigentum gegen Zahlung von Lizenzgebühren zu nutzen. Da endet der Vergleich aber auch schon.

Schultz: Der DFB veröffentlichte 2007 ein Rechtsgutachten zu einem Leistungsschutzrecht von Sportveranstaltungen. Begründet wird das Recht, eine Rechtslücke zu schließen mit anderen Ländern, in denen die Rechte der Veranstalter besser geschützt würden. Ist für Sie ein Marktversagen bei Sportveranstaltungen erkennbar?

Keese: Über den Markt von Sportveranstaltungen kann ich mich nicht kompetent äußern. Tatsache aber ist: Werkmittler bei Musik, Film, Konzertaufführungen und in vielen anderen kreativen Branchen besitzen ein eigenes Leistungsschutzrecht. Nur die Presseverleger stehen außen vor. Es besteht eine Regelungslücke, die geschlossen werden sollte.

Schultz: Sie fordern unter dem Begriff fair search eine Offenlegung der Induzierungsverfahren von Suchmaschinenbetreibern.

Keese: Nein, wir fordern eine faire Suche. Das ist ein Unterschied. Uns ist schon klar, dass ein Algorithmus, der sich ständig ändert, nicht einfach offen gelegt werden kann. Faire Suchergebnisse aber sind möglich, ohne den Algorithmus offen zu legen. Sind Sie denn dagegen, dass fair gesucht wird?

Schultz: Ich weiß, dass Google eine Marktmacht hat und auch andere Suchmaschinenbetreiber an der Stelle über diese Algorithmen geschützt sehen wollen. Ich sehe aber prinzipiell eine Schwierigkeit, ich kritisiere das auch bei Google, dass dort eine fehlende Transparenz herrscht.

Keese: Finden Sie die Suchergebnisse fair?

Schultz: Das, was ich suche, finde ich.

Keese: Fällt Ihnen auf, dass Google seine eigenen Produkte bei der Suche bevorzugt?

Schultz: Ich konnte mich bisher nicht über die Platzierungen beschweren. Dafür dass mein Blog relativ klein ist, habe ich das Gefühl, dass ich bei manchen Suchanfragen doch relativ weit vorn platziert bin.

Keese: Es geht nur darum, dass Suchergebnislisten nach Relevanz sortiert werden, nicht nach Zugehörigkeit zum Anbieter des Suchdienstes.

Schultz: Ich persönlich bin durchaus der Meinung, dass Google da unter Umständen den einen oder anderen bevorzugt und die Suchmaschinenoptimierung zu Ergebnissen führt, die nicht im Interesse des Nutzers liegen.

Keese: Nur darum geht es, nicht um Offenlegung von Algorithmen.

Schultz: Dennoch ist auch diese Diskussion in Richtung Offenlegung in den USA vorhanden. Würden Sie einen gläsernen Redaktionsprozess befürworten, bei dem zwischen einer bewussten Berichterstattung und mangelnder journalistischer Sorgfaltspflicht unterschieden werden kann?

Keese: Nein. In der Redaktion gilt das Redaktionsgeheimnis. Das muss so sein. Natürlich haben auch Suchmaschinen einen Anspruch auf Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. Nicht auf die Lüftung des Geheimnisses, sondern auf das Suchergebnis kommt es an. In welchem internen Prozess eine Redaktion zu ihren Ergebnissen kommt, ist nicht Sache der Öffentlichkeit. Das, was am Ende in der Zeitung, auf der Website steht, muss fair, ausgewogen, gut recherchiert und stimmig sein; die Fakten müssen einer Überprüfung standhalten. Genauso kommt es bei Suchmaschinen darauf an, dass die Suchergebnisse fair präsentiert werden.

weiter drüben bei Christoph Keese….

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