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Medienlinks zum Wochenstart: Digitale Erinnerungskultur

von , 9.1.11

Top-Tipp:

Digitale Daten und das Vergessen

Björn Sievers, stellvertretender Wirtschaftsressortleiter bei Focus Online, plädiert auf seinem privaten Blog für eine Kultur der digitalen Einordnung. Wenn wir lernen würden, alte Aussagen und Dokumente im Netz im Kontext ihrer Zeit und ihrer Entstehungsumstände zu beurteilen, sei uns als Netizens wesentlich mehr gedient als mit gesetzlich vorschriebenen digitalen Verfallsdaten: “Vermutlich müssen wir einfach alle Historiker werden. Die Geschichtswissenschaft lebt von überlieferten Daten, sie sind ihr Rohstoff, nicht mehr. Ohne die richtige Einordnung sind überlieferte Dokumente wertlos. Erst mithilfe der Quellenkritik – wer hat etwas wann und vor allem warum dokumentiert und warum ist es überliefert – können wir uns den Wert einer Überlieferung erschließen. Das gilt auch für digitale Fundstücke. […] Eher als die Technik des Internets sollten wir also unsere Fähigkeit in der Bewertung überlieferter Informationen ausbauen.”

weitere Tipps:

Facebook hype will fade

US-Wirtschafts-Bestsellerautor Douglas Rushkoff stellt in einem Gastbeitrag für CNN.com die gängige Facebook-Erfolgsstory auf den Kopf. Im Einstieg der Investmentfirma Goldman Sachs sieht er keinen Erfolgsbeweis, sondern den Anfang vom Ende von Facebook: “So it’s not that MySpace lost and Facebook won. It’s that MySpace won first, and Facebook won next. They’ll go down in the same order. The longer the company can maintain the illusion of great profits without alienating its user base, the longer they can delay the inevitable decline. But given that Facebook has already begun cashing in its chips, that moment has quite likely arrived.”

Eure Doppelmoral kotzt mich an! (1): DER SPIEGEL

Richard Gutjahr legt den Finger in einen wunden Punkt der Themenfindung beim Hamburger Nachrichtenmagazin: Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres widmet Der Spiegel dem Thema Datenkrake im Netz eine Titelstory. Nach Google ist nun Facebook dran. Was in diesen Angst oder Unbehagen heischenden Geschichten allerdings nie zur Sprache kommt, ist der Umstand, dass deutsche Printverlage hierzulande zu den eifrigsten Datensammlern und -auswertern gehören, auch dank rechtlicher Sonderregelungen.

The Newsonomics of tablets replacing newspapers

Medienanalyst Ken Doctor stellt in einer Analyse der Tablet-Strategien von Verlagen die drei wichtigsten wirtschaftlichen Faktoren zueinander in Beziehung – Anzeigenpreise, Abo- und Einzelverkaufspreise sowie Kosten: “Add up the three numbers, and we have the glimmer of sustainable, new digital-mainly news models — ones as applicable in many ways to the Bay Citizens and Texas Tribunes as to The New York Times or The Miami Herald. The revenues may not ever match 2005 levels for many publishers — but if costs can be cut substantially, new profitability and sustainability can be found. 2011 will be the early clay in which those models take shape.”

Das Drama der Demokratisierung

Dirk von Gehlen, Redaktionsleiter von jetzt.de, versucht zu ergründen, warum sich manche Berufsgruppen so schwer damit tun, die Demokratisierung ihres Berufsstandes zu akzeptieren. Professionelle Köche, Bäcker oder Musiker müssen von jeher damit klarkommen, dass es auf ihrem Metier auch gute Amateure gibt. Viele Journalisten und Publizisten (von Gehlens Beispiel ist der Gastronomiekritiker Wolfram Siebeck) jammern dagegen neuerdings der verlorenen Alleinstellung wehleidig hinterher. Von Gehlen: “Folgt man der Logik des unlängst zitierten Nick Bilton über die Auswirkungen der Digitalisierung, kann man zusammenfassen: Gastronomiekritiker, Fotografen, Journalisten, ja alle Storyteller, stehen durch die Demokratisierung ihres Berufsbildes vor einer grundlegenden Herausforderung. Das kann man ablehnen, verurteilen oder uninteressant finden, man wird es aber nicht ändern können.” Ähnlich formulierte das auch schon mal Zeit Online Chefredakteur Wolfgang Blau.

Gastbeitrag: Datenjournalismus und die Zukunft der Berichterstattung

Datenjournalist und Medientrainer Lorenz Matzat beschreibt in einem Gastbeitrag für Netzpolitik wie das Thema Datenjournalismus im letzten halben Jahr in Deutschland Fahrt aufgenommen hat und beginnt, den Journalismus zu verändern. Ein Indiz: die ersten Sportberichte werden von Software geschrieben. Allerdings erschwert die mangelnde Stiftungskultur in Deutschland die Förderung experimenteller Journalismusformen. Und den deutschen Verlagen stünde es gut an, so Matzat, aktiv für Netzneutralität, Informationsfreiheit und Open Data einzutreten.

Stapelweise Gerichtsbeschlüsse

Lawblogger Udo Vetter warnt davor, im Beschluss eines US-Bundesgerichts, Twitter müssen die Nutzerdaten und Privatnachrichten (DMs) aller Follower des @Wikileaks Accounts herausgeben, eine rein amerikanische Rechtsübertreibung zu sehen. Auch sei Twitter kaum dafür zu kritisieren, wenn es einem Gerichtsbeschluss folgt. In Deutschland, so Vetter, gäben Provider oft bereitwillig Nutzerdaten aufgrund formloser Anfragen heraus, obwohl sie dazu rechtlich nicht verpflichtet sind. Vetter: “Die meisten Internetanbieter haben für die Polizei sogar eigene Faxanschlüsse geschaltet. Um die Auskunft zu erhalten, genügt dann ein einfaches Musterschreiben des Polizeibeamten. Die Begründung tendiert regelmäßig gegen Null (“Ermittlungsverfahren wegen Warenbetrug”, “üble Nachrede/Beleidigung”). Aber die Auskunft wird, so jedenfalls meine Erfahrung, anstandslos erteilt.” Ebenfalls zum Thema: Daten auf dem Silbertablett von RA Thomas Stadler.

Vox populi: What Lab readers think journalism can expect in 2011

Eine schon fast drei Wochen alte seismographische Fundgrube für wahrscheinliche Entwicklungen auf dem US-Medienmarkt. Zu gut, um sie zu ignorieren. Die Prognosen der Nieman Journalism Lab Leser sind u.a.

  • Facebook will have more than 1 billion active users by the end of 2011. (They passed 500 million this year. 56 percent of survey takers say they’ll hit a billion in 2011.)
  • Of the top 10 free iPhone apps in the News category, how many will be published by news organizations (as opposed to aggregators or other entities) at the end of 2011? (The aggregators will continue to take slots away from news orgs, survey says: 74 percent of respondents said they expected news orgs to publish less than half of the top 10 apps.)

u.v.m.

Die Fachjournalistin Ulrike Langer bloggt auf medialdigital. Carta übernimmt die Linktipps mit freundlicher Genehmigung der Autorin als Crossposting. Backlinks bitte freundlicherweise zu den Original-Linktipps setzen.

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