“nicht akzeptabel” – Antwort der Bundesfinanzministeriums auf Carta-Anfrage

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Frage 1: Die geltende Mehrwertsteuerregelung mit dieser Luxemburg-Regelung ist offenbar eine Übergangsregelung, die auslaufen soll. Ist schon bekannt, wann diese auslaufen wird?

Das Mehrwertsteuerrecht ist innerhalb der EU weitgehend harmonisiert. Die Mitgliedstaaten der EU sind an die verbindlichen Vorgaben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) gebunden. Bei der Bereitstellung von Musik oder Software zum Herunterladen aus dem Internet handelt es sich um elektronisch erbrachte Dienstleistungen im Sinne von Anhang II Nr. 2 und 4 MwStSystRL.

Werden derartige Dienstleistungen von einem in Luxemburg ansässigen Unternehmer bzw. von einer dort gelegenen festen Niederlassung eines Unternehmers an in Deutschland ansässige Kunden erbracht, hat Deutschland derzeit gemäß Artikel 44 MwStSystRL (§ 3a Abs. 2 Umsatzsteuergesetz – UStG) nur dann das Besteuerungsrecht, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der die Dienstleistung für Zwecke seines Unternehmens bezieht. Soweit in diesen Fällen also kein unternehmerischer Leistungsbezug vorliegt, hat nach geltendem Mehrwertsteuerrecht nicht Deutschland, sondern Luxemburg das Besteuerungsrecht hinsichtlich dieser Dienstleistungen.

Die von Ihnen angesprochene Änderung des Unionsrechts wird zum 1. Januar 2015 in Kraft treten (Artikel 5 der Richtlinie 2008/8/EG, ABl. EU Nr. L 44 S. 11). Ab diesem Zeitpunkt werden elektronisch erbrachte Dienstleistungen, die an Nichtunternehmer erbracht werden, dort besteuert, wo sich der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Leistungsempfängers befindet.

Frage 2: Liegen dem Finanzministerium Schätzungen vor, wie hoch der Wert vom EU-Ausland (z.B. Luxemburg) nach Deutschland verkaufter Immaterialgüter ist? Wie hoch also der Mehrwertsteuerausfall ist?

Im Bundesministerium der Finanzen liegen keine entsprechenden Daten zum Umsatz mit elektronisch erbrachten Dienstleistungen an deutsche Nichtunternehmer durch Unternehmer aus dem EU-Ausland vor. Da die Besteuerung wie oben dargestellt nach geltendem Recht erfolgt, kann hier nicht von einem “Mehrwertsteuerausfall” gesprochen werden.

Frage 3: Ist aus Sicht des Finanzministeriums die Praxis akzeptabel, dass einige Online-Shops alle Kunden wie Privatkunden (steuerrechtlich) behandeln, obwohl sich ein Teil des Angebots erkennbar vornehmlich an Geschäftskunden richtet?

Soweit in Luxemburg ansässige Online-Shops hinsichtlich ihrer elektronisch erbrachten Dienstleistungen an in Deutschland ansässige Kunden diese für Mehrwertsteuerzwecke als Nichtunternehmer behandeln, obwohl es sich bei diesen Kunden tatsächlich um Unternehmer handelt, die die Dienstleistung für Zwecke ihres Unternehmens beziehen, ist dies aus Sicht des Bundesministeriums der Finanzen nicht akzeptabel. In diesen Fällen können Steuerordnungswidrigkeiten oder Steuerstraftaten vorliegen, die von den zuständigen deutschen Behörden entsprechend verfolgt und geahndet werden.

Frage 4: Ein physisches Buch, das ein luxemburger Buchhändler an einen deutschen Privatkunden mit Wohnsitz in Deutschland verschickt, ist mit deutscher Mehrwertsteuer belegt – ein E-Book für einen Nutzer mit Wohnsitz Deutschland ist als Lizenz/Dienstleistung aber mit luxemburger Mehrwertsteuer versehen. Ist dies aus Sicht des Finanzministeriums hier mittelfristig eine Veränderung anzustreben?

Die Bereitstellung des digitalisierten Inhalts von E-Books ist eine elektronisch erbrachte Dienstleistung im Sinne von Anhang II Nr. 3 MwStSystRL. Die mehrwertsteuerliche Behandlung ergibt sich aus der Antwort auf Frage 1.

Die Lieferung eines physischen (gedruckten) Buches ist hingegen eine Lieferung nach Artikel 14 Abs. 1 MwStSystRL. Werden gedruckte Bücher von einem in Luxemburg ansässigen Buchhändler an Privatkunden in Deutschland geliefert und versendet, befindet sich der Ort der Lieferung grundsätzlich in Luxemburg (Artikel 32 MwStSystRL, § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Diese Lieferungen unterliegen damit grundsätzlich in Luxemburg der Mehrwertsteuer. Abweichend von diesem Grundsatz befindet sich in diesen Fällen der Ort der Lieferung jedoch in Deutschland, wenn z.B. der luxemburgische Buchhändler mit seinen Lieferungen nach Deutschland die maßgebliche Lieferschwelle (100.000 Euro) überschreitet (vgl. Artikel 33 und 34 MwStSystRL, § 3c UStG).

Wie bereits zu Frage 1 erläutert, werden ab 1. Januar 2015 E-Books, deren digitaler Inhalt Nichtunternehmern bereitgestellt wird, als elektronisch erbrachte Dienstleistungen dort besteuert, wo sich der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Leistungsempfängers befindet. Aus Sicht der Bundesregierung besteht in diesem Bereich daher derzeit kein Anlass, eine Änderung des Mehrwertsteuerrechts anzustreben.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Romeis

Pressesprecher
Bundesministerium der Finanzen

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