Medienlinks zum Wochenstart: Das iPad (und was sonst noch passierte)

von , 4.4.10

Top-Tipp für Apple-Fanboys (und -girls):

Das iPad, die “line” und eine gelungene Selbstvermarktung

Wie soll man die multimediale Selbstinszenierung nennen, die der freie Journalist Richard Gutjahr in New York veranstaltet hat? Keineswegs objektiven Journalismus, aber das hat der bekennende Mac-Fan auch nie behauptet. Für Michael Praetorius hat sich Gutjahr “perfekt als embedded Journalist in das Geschehen integriert”, Martin Giesler urteilte dagegen kritischer: “Zu Gutjahrs ‘2 Days of Fame’: Zwischen Journalismus und PR passt kaum ein iPad.”

Gutjahr flog zwei Tage vor dem Erstverkaufstag des iPad nach New York, berichtete immer wieder live aus der Warteschlange, zog dank seiner Online-Reservierung an Profi-Warteschlangensteher Greg Packer vorbei und kam als erster Käufer mit zwei  iPads aus dem Apple Flagship Store an der 5th Avenue. Er verschaffte sich internationale Medienaufmerksamkeit (Mainstream), schaffte es auf Techportale wie CNET, und Spiegel Online betitelte seinen Bericht vom Launchday (“First iPad sold goes to Bavaria”) mit Gutjahrs Tweet.

Von allen Inhalten, die Richard Gutjahr in den zwei Tagen selbst produzierte, gefallen mir am besten diese zwei Videos: “The Day Before Tomorrow” (die Stimmung in der Vorverkaufsschlange) und “Vom iPad zum tra-digital Journalist” (Interview mit Sree Sreenivasan von der Graduate School of Journalism an der Columbia University in New York über Journalismus, traditionelle und digitale Medien.)  Gutjahrs Aktion mag ungewöhnlich erscheinen (und für einige angesichts des distanzfreien Kults um ein Goldenes iKalb auch befremdlich), doch ich bin überzeugt: Freie Journalisten, die es schaffen, sich als Eigenmarke zu inszenieren, haben bessere Zukunftschancen als jene, die auf Gedeih und Verderb auf (wenige) Auftraggeber angewiesen sind, um wahrgenommen zu werden.

Alternativer Top-Tipp, garantiert iPad-frei:

Der Niedergang der traditionellen US-Medien als animierte Zeitleiste (Poynter)

Weitere Tipps:

Apple iPad review

Für mich ist dieser iPad-Produkttest von engadget bisher der beste, weil ebenso umfassend wie sachlich. Fazit: “The buyer of an iPad is one of two people, the first is someone who sees not just the present, but the potential of a product like the iPad… and believes in and is excited about that potential. This is also a person who can afford what amounts to a luxury item. The second is an individual who simply doesn’t need to get that much work done, and would prefer their computing experience to be easier, faster, and simpler. Does that sound like anyone you know?”

iPad danger: app v. web, consumer v. creator

Jeff Jarvis bereut bereits seinen gestrigen iPad-Kauf: “She’s sweet and pretty but shallow and vapid”. Am meisten ärgert ihn, dass das iPad den Prosumenten wieder zurück in die traditionelle Rolle des Konsumenten drängt: “That is why media companies and advertisers are embracing it so fervently, because they think it returns us all to their good old days when we just consumed, we didn’t create, when they controlled our media experience and business models and we came to them.”

Der große Magazin-Reboot

Gerrit van Aaken (praegnanz.de) analysiert, “wie es Zeitungen und Magazin im Internet doch noch schaffen könnten, Geld zu verdienen, ohne ihre Seele zu verkaufen” und fordert nach einer Bestandserhebung (Nichtunterscheidbarkeit, niedrige Qualität, Penetranz der Werbung) einen “Magazin-Reboot”: “Tablet-Computer sind keine Laptops und auch keine DIN-A4-Magazine, sondern haben ganz eigene Regeln in der Bedienung. […] Auf jeden Fall jedoch müssen Tablet-Magazine anders aussehen als die derzeitigen Websites.

„Das Internet ist ein spektakuläres Werkzeug“

Journalismus-Forscher Tom Rosenstiel beschreibt im Focus Online-Interview Probleme und Lösungen für den Journalismus: “Wir werden […] eine Kombination aus angestellten Journalisten erleben, die nicht so gut bezahlt sein werden wie in der Vergangenheit, und sehr prominenten Journalisten, die für verschiedene Medien arbeiten und praktisch als eigene Marke auftreten: die ‘Super Freelancers’.”

London wird zum Zeitungslabor

“Im Londoner Zeitungslabor geht es vor allem darum, eine Frage zu klären: Wie viel Geld ist der Journalismus den Lesern noch wert? Gar nichts, glaubt [der russische Milliardär Alexander] Lebedew und verteilt den „Evening Standard“ seit Herbst 2009 kostenlos. Er will das Blatt nur noch über Anzeigen und Almosen reicher Gönner finanzieren.” (FAZnet)

Nonprofit news outlets will be a bigger part of our news than Alan Mutter thinks

John Thornton widerspricht Alan Mutter (und Jeff Jarvis): Obwohl nur ein kleiner Teil der nonprofit-Journalismus-Websites institutionell gefördert würde oder eine realistische Chance auf Refinanzierung habe, seien solche Portale, Netzwerke und Blogs (die oft aus reinem Idealismus betrieben werden) schon heute eine wichtige Ergänzung in einer schrumpfenden traditionellen Medienlandschaft: “You’ll never confuse what you read on Voice of San Diego or ProPublica or The Trib with content you can get on TMZ, TV Guide, Epicurious, or ESPN. We in Fantasy Land are trying instead to help shore up what Alex Jones calls “the iron core” of journalism.

Es gab nie eine bessere Zeit für Journalismus

Medienberater Andy Kaltenbrunner, Medienprofessor Matthias Karmasin und Historikerin Daniela Kraus machen in einem Gastkommentar für Die Presse sechs Vorschläge, wie Medien das Jahr 2043 überleben können.

Data Visualization – Mach die Daten schön

Eine nützliche annotierte Beispiel- und Linksammlung von Marcus Bösch (lab) zum Thema Datenvisualisierung.

JMStV: Aus für SchülerVZ?

VZlog (das nicht von der VZ-Gruppe betrieben wird oder autorisiert wurde) befürchtet, dass die Vorgaben des neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) kommerzielle Webangebote, die sich an Kinder und Jugendliche richten, in den Ruin führen werden. Der JMStV regt eine “freiwillige” Kennzeichung nach Alterstufen an, wobei nicht gekennzeichnete Angebote automatisch eine Freigabe ab 18 Jahre erhalten sollen. VZlog kritisiert:  “schülerVZ müsste jedes Foto, jeden Textbeitrag und jeden Link daraufhin überprüfen, ob alles den Kriterien für “ab 12 Jahre” entspricht, was bei den unglaublich großen Mengen an Inhalten nicht zu leisten ist. […] Wenn im Januar 2011 die Informationen über die Filteroption an alle Internetkunden in Deutschland verschickt werden und gleichzeitig jugendschutz.net eine grosse Kampagne für die neuen Möglichkeiten startet, werden hunderttausende Eltern sich dafür entscheiden, ihren Internetanschluss zu filtern. Damit würden schülerVZ und anderen Angebote für Jugendliche und Kinder ein nicht unerheblicher Anteil an Nutzern wegbrechen, einfach weil diese anstatt der gewünschten Internetseite nur das Maskottchen der Zensursuchmaschiene (sic!) FragFINN oder vergleichbares sehen.

Die Fachjournalistin Ulrike Langer bloggt auf medialdigital, wo sie auch diese Linktipps regelmäßig veröffentlicht. Carta übernimmt die Linktipps mit freundlicher Genehmigung der Autorin als Crossposting.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.