Was haben wir eigentlich gemacht, ehe es das Internet gab?

von , 5.11.09

War da was?

Zettelchen schreiben und an die Tür hängen. Mitbewohner bitten, etwas auszurichten. Die gängigen Lokale abgrasen. Vor der Schule warten. Nach der Schule warten. An den wichtigen Haltestellen in der Innenstadt nachsehen. Die üblichen Punkte ansteuern, an denen bei schönem Wetter die Gitarristen und Querflötisten rumhängen. Die obligaten WGs abklappern. Irgendwo sitzen, wo es Billardtische oder Flipper gibt, und warten, bis jemand kommt. Sich einen Platz in einem Cafe suchen, von dem aus man einen städtischen Platz oder einen vielbegangenen Straßenzug gut überblicken kann. Bei Leuten vorbeigehen und sehen, ob sie zu Hause sind. In einer WG sitzen und das Telefon anstaunen und niemanden haben, den man anrufen könnte. Nachrichten bei Gästen, dem Lieblingskellner oder dem Chef des Stammcafes hinterlassen.

Lee Crutchley

Lee Crutchley: I don't know what I did before the Internet

Zu den üblichen Zeiten an den üblichen Orten nachsehen. Auf den Zufall hoffen. Steinchen in den zweiten Stock an die Scheibe werfen, weil die Haustür schon abgeschlossen ist und es keine Klingel und keinen Türsummer gibt. An einem Fluß sitzen und ans Meer denken (Randy Newman). In Gegenden gehen, in die man sonst nie geht und es nicht darauf anlegen, jemandem zu begegnen, den man kennt. Zusehen, wie sich ein Pulk aus zwei, drei, vier Leuten bildet, der dann den Tag oder den Abend über zusammenbleibt und einen temporären Clan bildet. Den Tipps von Bekannten folgen, die einen im Vorbeigehen auf etwas aufmerksam machen, das später noch woanders stattfindet; in Zweifel geraten, aber weitergehen, wenn einem dann auf dem Weg dorthin schon die ersten entgegenkommen, die von dort wieder abgehauen sind. Um fünf Uhr früh frierend, todmüde und hungrig auf einer Party auf dem Land darauf warten, dass der Fahrer Lust kriegt, aufzubrechen und wieder zurück in die Stadt zu fahren. War da noch was?

Peter Glaser bloggt auf Glaserei. Crossposting mit freundlicher Genehmigung.

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