#Bankenkrise

Endstation Medien: Wo die HRE-Aufklärung stecken blieb

von , 17.9.09

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Falls Hypo Real Estate (HRE) wird am 18. September 2009 seinen abschließenden Sachstandsbericht vorlegen. Nach rund fünf Monaten intensiver Aktenanalysen und mehr als 125 Stunden Zeugenbefragung werden der interessierten Öffentlichkeit erste belastbare Aufklärungsergebnisse präsentiert. Doch wird es über die bloße Vorstellung dieser Erkenntnisse hinausgehen?

Michael Hanfeld hat in seinem investigativen Artikel „Sag mir, wo die Gebühren sind” aufgedeckt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk unbesichert rund 216 Millionen Euro an GEZ-Gebühren und Altersvorsorgegelder bei der HRE investiert hatte. Wenn WDR und BR gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf die deutsche Einlagensicherung hinweisen, ignorieren sie bestenfalls die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses. Eine Insolvenz der HRE hätte nämlich zu einem Zusammenbrechen dieser Sicherungsinstitution der privaten Kreditwirtschaft geführt. Als Folge wären die spekulativ angelegten GEZ-Gebühren fast vollständig verloren. Mit der staatlichen Stützung der HRE wurden dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk somit erhebliche Spekulationsverluste erspart. Wie kritisch geht schon der Gerettete mit seinem Retter ins Gericht?

Joachim Peter war mit seinem Artikel „Der unangenehme Weg der Banker in den Zeugenstand” einer der wenigen kritischen Journalisten, die das – nennen wir es ‚selbstbewusste’ – Verhalten von führenden Vertretern der Finanzindustrie gegenüber dem deutschen Parlament öffentlich gemacht haben. Die privaten Urlaubsplanungen waren Dank des sozialdemokratischen Ausschussvorsitzenden Hans-Ulrich Krügers maßgeblich für die Terminierung der Zeugenvernehmung so einiger Manager. Ein eigenartiges Selbstverständnis der jeweiligen Personen und des Parlamentes gleichermaßen. Doch dieser Bericht in der Zeitung Welt war einer der wenigen kritischen Begleitberichte über Vertreter der Finanzwirtschaft im Untersuchungsausschuss. Vor allem für Printmedien mit klarem Fokus auf den Finanzmarkt – und entsprechenden Anzeigenkunden – galt scheinbar immer wieder die Devise „Anzeige vor Nachricht”. Die Wirtschaftskrise lässt grüßen. Unvergessen ist vor diesem Hintergrund vor allem der Kommentar von Robert Landgraf „Der unterschätzte Krisenmanager” über den Vorstandsvorsitzenden der HRE Dr. Axel Wieandt. Ein einlullendes Empfehlungsschreiben der Finanzzeitung Handelsblatt. Kaum eine Woche später findet Michael Bröcker in der unabhängigen Rheinischen Post zur Realität zurück. In „Bankenaufsicht attackiert HRE-Chef” wird darauf hingewiesen, dass „[d]ie oberste Aufsichtsbehörde der deutschen Banken [..] den aktuellen Vorstand der maroden Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) offenbar für unfähig [hält]”. Eine größere Diskrepanz zwischen Meinung und Fakten kann es nicht geben. Wie kritisch hinterfragt schon der Anzeigennehmer die jeweiligen Interessen seines Anzeigengebers?

Man braucht keine guten Journalisten, um eine gewisse Skepsis gegenüber der Neutralität der Berichterstattung von Medien zu entwickeln, die wesentlich der SPD-eigenen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) zuzurechnen sind. Mindestens zu erwarten, wenn nicht gar zu planen, war daher ein Artikel wie Markus Sievers’ „Nach dem Bankenbeben“. Stellt der Autor der Frankfurter Rundschau doch treu auf SPD-Linie fest: „Für [..] Mutmaßungen haben die Anhörungen im Parlament keine Beweise gebracht.” Wie kritisch begehrt das Objekt schon gegen seinen Eigentümer auf?

Manchmal liegen die vier Gewalten in der Bundesrepublik sprichwörtlich in einem Bett. Persönliche Verbindungen zwischen Journalisten und Politikern kennt man spätestens seit der Kanzlergattin a.D. Doris Schröder-Köpf. Der Berliner Gerüchteküche – und nicht mehr – folgend kann daher niemand dem Leiter der Parlamentsredaktion der Süddeutschen Zeitung verübeln, investigativen Journalismus gegenüber der Obfrau der SPD im Untersuchungsausschuss auch einmal etwas weiter auszulegen. Wenn Claus Hulverscheidt von eben dieser Zeitung aber parlamentarische Aufklärungsarbeit als „Das Wahlkampf-Instrument” abkanzelt, verbleibt bei dem einen oder anderen Beobachter der Szene ein fader Beigeschmack. Wer trägt ‚familieninterne Kritik’ schon öffentlich aus?

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: mir ist durchaus bewusst, dass Journalisten bei ihrer Arbeit nicht die Zeit von Denkmalpflegern oder Archäologen haben. Das rechtfertigt aber nicht, wenn man auf falschen Eindrücken radikale Urteile fällt. So ist es exemplarisch dem Zeit-Autor Mark Schieritz in seinem Kommentar „Der HRE-Ausschuss hat versagt” ergangen. Es ist eine Sache, wenn der Autor vom Untersuchungsausschuss Aufklärung in Dingen erwartet, die laut dem einschlägigen Gesetz über parlamentarische Untersuchungsausschlüsse überhaupt nicht möglich sind. Dies lässt sich noch als anekdotische Evidenz für das journalistische Unverständnis über Sinn und Zweck derartiger Kontrollgremien verstehen. Fachlich unerträglich ist aber, wenn Mark Schieritz der Opposition Skandal-Mache mit der Unterstellung vorwirft, „[d]ie Deutsche Bank kassiere Zinsen für die Garantien, die sie an die HRE vergibt”. Es gibt keine derartigen Garantien. Das hat auch nie ein Vertreter der Opposition behauptet. Es gibt Darlehen. Schon ein schneller Blick in Wikipedia kann hier Aufklärung über den fundamentalen Unterschied liefern. Völlig verzweifelt frage ich daher: Wie kann jemand urteilen, für den Sorgfalt und Fakten längst vergessene Tugenden zu sein scheinen?

Diese Beispiele der journalistischen Begleitung des Untersuchungsausschusses zur HRE rufen Otto von Bismarck in Erinnerung: „Die Presse ist für mich Druckerschwärze auf Papier.” Wir brauchen daher eine neue Mediendebatte über Unabhängigkeit, Qualität und Objektivität der 4. Gewalt.

Disclaimer: Steffen Rutter ist Referent für Wirtschaft und SoFFin bei der FDP-Bundestagsfraktion und für den Untersuchungsausschuss zur Hypo Real Estate.

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