#Bundestagswahl

Wahlbeobachtungs-Beobachtung: Die Medienschau zum Wahlkampf I

von , 21.8.09

Dass dieser Wahlkampf mal wieder einer der langweiligsten sei, sagen nicht nur 84 Prozent der Bundesbürger, es ist auch der überwiegende Tenor in den Medien. Dass diese freilich nicht nur fleißiger Stenograph seien und daran nicht ganz unschuldig, deutet Bernd Gäbler im Tagesspiegel an. Bisher jedenfalls wirke der Medienwahlkampf “wie ein hermetisch eingekapseltes Selbstgespräch der politisch-journalistischen Kaste.

Eine Szene beim SPD-Wahlkampf am Potsdamer Platz schildert Tom Strohschneider im Freitag: “Im Hintergrund läuft ‘Beautiful Day’ von U2, aber wer in das Gesicht von Wahlkampfchef Kajo Wasserhövel schaut, ahnt, dass das hier nicht jeder so sieht.Musikalisch deutet einiges auf Große Koalition hin: Frank-Walter Steinmeier ist bekanntlich Anhänger der Rolling Stones – ein “krampfhafter Versuch, sich ein rebellisches Images zu verschaffen“, wie Felix Lee meint. Dieselben Stones liefen auch beim Einmarsch der Kanzlerin zum Wahlkampf in Münster, wie Rainer Kühn berichtet. Die Piraten dagegen singen rebellisch: “Wir haben Werte!

Die Medienkanzlerin versucht sich unterdessen in die Tradition der bundesrepublikanischen Ikonen Kohl und Adenauer einzuschreiben, so Ralph Bollmanns Beobachtung in der taz. Nach der “beinahe monarchischen” Zusammenkunft mit Helmut Kohl habe ihr der Besuch in Adenauers Haus ein weitere Gelegenheit geboten, einen Abglanz historischer Größe zu erheischen. Eine Analyse des CDU-Claims “Wir haben die Kraft” bringt Wolfgang Lieb bei den Nachdenkseiten. Nur wer sich mit der Macht identifiziere, könne die Ambivalenz des Begriffs aufheben: “Kraft” verspreche vitale Durchsetzungsfähigkeit, drohe dabei aber den Widerständigen und Schwächeren.

Mariam Lau entgegnet in der Welt Wolfgangs Thierses Medienschelte. Die schlechten Umfragewerte für die SPD seien nicht die Schuld der Medien, sondern Ausdruck des eigentlichen Dramas der Partei: “Je mehr sie für die Menschen erreicht, für die sie kämpft, desto schneller laufen sie ihr weg.” Auch Jürgen Busche sieht in der Zeit einen antisozialdemokratischen Affekt bei den Medien. Das spöttische Mitleid für Frank-Walter Steinmeier demonstriere eine nachgeholte Unabhängigkeit der Presse, nachdem diese das rot-grüne Projekt verteidigt habe, bis die Frustationstoleranz aufgebracht war. Den Auftritt Frank-Walter Steinmeiers bei RTL kommentiert Peer Schaader in der FAZ – mit spöttischem Mitleid. Dort, so Schaader, “ließ sich in erschreckender Genauigkeit beobachten, wie ein Politiker … alle Kompetenzen umzusetzen versuchte, die sich ein Wähler von einem souverän wirkenden Kanzlerkandidaten wünschen würde.

Den meisten Rummel gab es um einen Kandidaten, der gar nicht zur Wahl steht: Indeed, the candidate generating the most excitement at the moment is Horst Schlämmer“, wie auch die New York Times beobachtet. Nicht lustig findet das Giovanni di Lorenzo in der Zeit: Der Spaß höre auf, wenn 18 Prozent der Bundesbürger für einen fiktiven Kandidaten stimmen würden – woran Stefan Niggemeier Zweifel anmeldet Hajo Schumacher verkündet in einem offenen Brief in der Welt: “Horst Schlämmer, Sie gehen mir auf den Sack!“. Mit mehr Verständnis widmet sich – ebenfalls in der WeltUlf Poschardt dem Phänomen Schlämmer: Letzlich sei die anzügliche, unkorrekte und halsbrecherisch unsolide Figur Schlämmer “eine Personifikation jenes Deutschlands, das vom Parteimarketing und den Spindoktoren verdrängt wird: der bundesrepublikanischen Grauzone.

Nicht zuletzt gibt es dann auch noch Themen im Wahlkampf. Till Westermayer hat die in einer lesenswerten Übersicht zusammengestellt. Wem das zu inhaltistisch ist, findet bei homo politicus eine detaillierte gestalterische Analyse der Wahlplakate, welche sich Gastautor Achim Schaffrinna vom Design Tagebuch angesehen hat. Die Sorgen eines Wechselwählers schließlich schildert Jörg Lau in der Zeit: “Also, ich will einen Wechsel, aber keinen Bruch. Und ich habe keine Ahnung, wie ich das wählen soll.”

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.