von Christoph Bieber, 14.9.09
Das Kanzlerduell des Jahres 2009 war zwar erst die dritte Auflage dieses Premium-Formates im Medienwahlkampf, doch nach dem Aufeinandertreffen von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier sind Fragen, wie es weitergehen soll, unausweichlich.
Zunächst hatte das hohe Tempo, mit dem die Moderatorenriege in die Sendung eingestiegen war, dem Fortgang der Debatte nicht gut getan. Die Hektik, mit der die Journalisten von Frage zu Frage hasteten, übertrug sich anfangs auch auf die Kanzlerin und ihren Stellvertreter. Die Bissigkeit, mit der einige Fragen vorgetragen wurden, ließ Merkel wie Steinmeier auf Distanz gehen – manchmal schienen sie sich lieber direkt unterhalten zu wollen, ungestört von Einwürfen und Unterbrechungen. Vizekanzler Steinmeier machte mit seinen Abgrenzungen und Entgegnungen die etwas bessere Figur als Kanzlerin Merkel, die sich allzuoft darin verwickelte, ihre Rederechte von den Moderatoren einzufordern. Im Gezerre um die Sprechhoheit entwickelte sich bisweilen ein Stimmengewirr wie in den schlimmsten Zeiten der Christiansen-Ära.
Auch die Wahl der Themen und deren Positionierung im Debattenverlauf waren diskussionswürdig. Nach dem Eröffnungsgeplänkel, das die nervös bis gereizte Stimmung setzte, folgte ein erwartbar umfangreicher Block zur Wirtschaftskrise, deren Protagonisten (Banker, Manager) und möglichen Auswegen (Opel). Danach reihten sich Energiepolitik – reduziert auf die Frage nach einem Atomausstieg – und außenpolitische Fragen – Afghanistan – aneinander, immer wieder garniert mit „Horserace“-orientierten Zwischenspielen: mit wem ist das eine oder andere politische Ziel durchsetzbar, in welchen Konstellationen („Tigerente“) sind hierfür Mehrheiten zu erreichen?
Zukunftsorientierte Bereiche wie Umwelt oder Bildung wurden völlig ausgespart – ein Versäumnis der journalistischen Planung, aber auch eine verpasste Chance der Kandidaten, die hier ihr Profil hätten differenzieren können.
Das alles kann man durchaus als debattenkompatible Ansätze und Inhalte verstehen, doch das TV-Duell bezieht einen Großteil seiner Legitimation in einer parlamentarischen Demokratie aus der „Größe“ des Formats und der damit verbundenen außerordentlichen Reichweite. Die Atemlosigkeit des vom Moderations-Quartett ausgelösten Wettlaufs durch die Wahlkampf-Agenda und die bisweilen respektlose Zankerei um Fragen und Antworten haben dem Format in diesem Jahr noch mehr geschadet als in den Auflagen von 2002 und 2005. Im Rückblick auf den Debattenjahrgang 2009 wird hoffentlich die Frage haften bleiben, ob nicht eine massive Veränderung der Gesprächsstruktur – Einzelmoderator statt Rudelbildung – notwendig ist, um das Format in die Zukunft zu retten.
Ein letzter Punkt: das „Leitmedium“ Fernsehen hatte sich in Adlershof weitgehend von der restlichen Medienwelt abgekapselt – hätte man während der Debatte auf die Online-Reaktionen geachtet, so wären die Ansatzpunkte zur Kritik ganz schnell deutlich geworden. Ein erheblicher Teil der während der Debatte publizierten Online-Nachrichten – in Blogs, Chats und bei Twitter – befasste sich nämlich nicht mit den Aussagen oder der Performance von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier. Sondern mit der kläglichen Moderationsleistung.