Rechtsfragen der Informationsgesellschaft – Privatkopie, Affiliate-Hafung, GEZ-Reform

von , 2.11.09

Verfassungsgericht zur digitalen Privatkopie
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 7. Oktober 2009 eine Verfassungsbeschwerde gegen die Zulässigkeit privater Digitalkopien nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 1 BvR 3479/08). Die Verfassungsbeschwerde von Vertretern der Musikindustrie richtete sich gegen die Privatkopie aus § 53 Abs. 1 UrhG. Nach Ansicht der Beschwerdeführer ist diese Norm nicht mit dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar, soweit sie die digitale Privatkopie ohne hinreichende Einschränkungen für zulässig erkläre. Die Beschwerde sei jedoch nicht fristgerecht erhoben worden, so das Bundesverfassungsgericht.

Werbung mit Boris Becker zulässig
Der Bundesgerichtshof hat vergangene Woche entschieden, dass die Werbung mit der Abbildung einer prominenten Person auf dem Titelblatt einer Zeitung ausnahmsweise auch ohne eine rechtfertigende Berichterstattung zulässig sein kann. Voraussetzung sei, dass sie dem Zweck dient, die Öffentlichkeit über die Gestaltung und Ausrichtung einer neuen Zeitung zu informieren. Kläger war Boris Becker, der auf einem Testexemplar der Zeitung abgebildet wurde. Dieses Testexemplar wurde wiederum in einer Werbung zur Einführung der Zeitung abgebildet. Als Person der Zeitgeschichte müsse Boris Becker eine solche Werbung jedenfalls in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen der Zeitung hinnehmen, wenn der Zeitungsartikel selbst und seine Ankündigung auf der Titelseite unbedenklich sei, so der BGH.

Entscheidungsgründe bei Affiliate-Haftung
Der BGH hat vergangene Woche die Entscheidungsgründe zu seiner Affiliate-Entscheidung von Anfang Oktober veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass er die sog. „Beauftragtenhaftung” bei Werbenetzwerken im Grundsatz bestätigt. Nur in der konkreten Konstellation hatte das Oberlandesgericht Köln in der Vorinstanz einige rechtliche Fragen nicht ausreichend gewürdigt, weshalb das Urteil zunächst aufgehoben wurde und zur erneuten Entscheidung vorgelegt werden muss.

Zeitungs-Verkaufsautomaten zulässig
Der Bundgerichtshof hat am Freitag entschieden, dass der Zeitungsvertrieb durch „stumme Verkäufer” grundsätzlich zulässig ist. Dies hatte der BGH im Jahr 1996 noch anders beurteilt (BGH GRUR 1996, 778 – Stumme Verkäufer). Einige Berliner Zeitungsverlage hatten gegen die Axel Springer AG geklagt. Grund: Die Zeitung „WELT KOMPAKT” sollte über ungesicherte Verkaufsautomaten, sog. „stumme Verkäufer”, abgesetzt werden. Die Kläger betrachteten das als wettbewerbswidrig: Die Zeitung sei quasi gratis erhältlich; Verbraucher würden durch die Möglichkeit, die Zeitung umsonst zu bekommen, übermäßig angelockt. Der BGH sah das anders: Verbraucher, die sich durch freie Entscheidung zu einem Diebstahl aus ungesicherten Automaten verleiten ließen, müssten nicht rechtlich geschützt werden.

Ministerpräsidenten beraten Rundfunkgebühr
Auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Mainz haben die Länderchefs neue Modelle zur Rundfunkgebühr diskutiert. Bis Sommer 2010 wollen sie nun darüber entscheiden, ob es zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zukünftig eine geräteunabhängige Haushaltsabgabe oder eine novellierte geräteabhängige Abgabe geben wird. Darüber hinaus wurde von der Mehrzahl der Ministerpräsidenten der 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnet. Das Regelwerk soll vorbehaltlich noch ausstehender Unterschriften und Ratifikationsakte am 01. April 2010 in Kraft treten. Es dient vornehmlich der Umsetzung der europäischen AVMD-Richtlinie. Darin wird entgeltliches Product Placement teilweise legalisiert. Ferner haben sich die Länder über die die Zuordnung der digitalen Übertragungskapazität im Hörfunk geeinigt. Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Hörfunksender wurde dazu insbesondere festgelegt, dass die Landesrundfunkanstalten der ARD zusätzliche digitale Hörfunkangebote über DAB plus verbreiten dürfen.


Telecoms Package: Keine Lösung bei Three Strikes
Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV I/ COREPER) konnte am vergangenen Mittwoch erneut keine Lösung bei der umstrittenen Regelung eines europäischen Three-Strikes-Verfahrens im Rahmen des Telecoms Package finden. Ein Kompromissvorschlag der Verhandlungsführerin des Europäischen Parlaments wurde von dem Vorbereitungsgremium des EU-Ministerrates abgelehnt. Nun droht die Tagung des offiziellen Vermittlungsausschusses zwischen Europäischem Parlament und Ministerrat am 4. November 2009 zu platzen.

Verschlusssache und Informationsfreiheit
Allein die formale Einstufung einer Information als Verschlusssache schließt einen Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes noch nicht aus. Das hat das Bundesverwaltungsgericht vergangene Woche entschieden. Ein Rechtsanwalt und Redakteur einer ausländerrechtlichen Fachzeitschrift hatte vom Auswärtigen Amt einige Unterlagen zur Recherche angefordert. Das Amt verweigerte jedoch die Herausgabe, weil die Papiere als „VS-Nur für den Dienstgebrauch” eingestuft seien. Das Bundesverwaltungsgericht entschied jedoch: Nach dem Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes sei ein Anspruch auf Zugang zu einer bestimmten Information nur dann ausgeschlossen, wenn die Einstufung als Verschlusssache durch die dafür maßgeblichen Gründe gerechtfertigt sei. Dies hatte das Verwaltungsgericht in der Vorinstanz jedoch nicht geprüft, weshalb das BVerfG seine Entscheidung aufhob.

Gewinnspielsatzung teilweise gekippt
Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat vergangene Woche wesentliche Bestimmungen der Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten für rechtswidrig erklärt. Schon seit Monaten hatte der Gewinnspielsender 9Live versucht, das Regelwerk der Landesmedienanstalten zu Call-in-Shows zu kippen. Nun konnte der Sender einen ersten Teilerfolg vermelden. Das Gericht beanstandete nach ersten Berichten vor allem die Sendezeitbegrenzungen für Call-in-Sendungen. Auch die Protokollierungs- und Nachweispflichten der Gewinnspielanbieter, sowie der Geltungsbereich der Satzung für Telemedien sollen vom Gericht kassiert worden sein. Die vollständigen Entscheidungsgründe sind jedoch noch nicht bekannt.

HanseNet boykottiert Vorratsdatenspeicherung
Der Internetprovider HanseNet wird keine Technik zur Vorratsdatenspeicherung bei seinen Produkten einsetzen. Das berichtete am Samstag die Wirtschaftswoche. Noch im September war HanseNet vor dem Verwaltungsgericht Köln mit einem Antrag auf Befreiung von der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung gescheitert. Dennoch will HanseNet die 400.000 Euro teure Investition in die neue Technik vermeiden. Wie die Wirtschaftswoche berichtet, soll der Grund dafür neben verfassungsrechtlichen Bedenken auch ein Liquiditätsengpass sein.

In Zusammenarbeit mit Telemedicus präsentiert Carta jeden Montag zentrale Entwicklungen des Medien- und Informationsrechts. Carta übernimmt den Wochenrückblick mit freundlicher Genehmigung. Dieser Wochenrückblick wurde zusammengestellt von Adrian Schneider.

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