von Andreas Grieß, 12.2.10
„Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet!“, wird Guido Westerwelle zitiert. Grundsätzlich liegt er damit nicht ganz falsch. Die Schlüsse, die der FDP-Chef daraus zieht, gehen jedoch meilenweit an der Realität vorbei. Denn dass er mit diesem Argument die Hartz IV-Sätze runter- oder zumindest weiter tiefreden will, verdreht einiges.
Hartz IV soll eine Grundversorgung darstellen, keinen „anstrengungslosen Wohlstand“ wie Westerwelle sagt. Es soll jedem, auch wenn sie oder er arbeitslos wird, ermöglichen, menschenwürdig zu leben. Nicht mehr, aber vor allem auch nicht weniger. Denn das sagt das Grundgesetz (Artikel 20, Absatz 1). Und das hat nichts mit Sozialismus zu tun, welchen Westerwelle in die Debatte bringt, sondern mit Sozialstaat. Wer einen Sozialstaat jedoch schon als sozialistisch betrachtet, der hätte im Geschichts- und Sozialwissenschafts-Unterricht besser aufpassen sollen.
In der „Welt“ schreibt Westerwelle: „Wer kellnert, verheiratet ist und zwei Kinder hat, bekommt im Schnitt 109 Euro weniger im Monat, als wenn er oder sie Hartz IV bezöge.“ Er bringt dies mit einer Missachtung der Mitte in Verbindung. Es stellt sich die Frage, wo der Vizekanzler die Mitte der Gesellschaft verortet: Bei Bürgern mit einem Einkommen von etwa Hartz IV?
Wie bereits erwähnt, soll Hartz IV nur die nötigste Grundversorgung, inbegriffen sozialer Teilhabe, darstellen. Dass eine zunehmend größer werdende Zahl von Beschäftigten in Deutschland trotz Job weniger verdient, als dieses Minimum, ist tatsächlich schädlich für die soziale Gerechtigkeit. Damit hat Westerwelle recht. Da niemand unter Minimum leben sollte, noch dazu, wenn Kindern dadurch der Zugang zu Bildung und Sport erschwert wird, muss im Bezug auf diese Dumping-Löhne etwas getan werden, auch unabhängig vom Hartz IV-Satz.
Westerwelle sagt: „Wer die Leistungsgerechtigkeit vergisst, wird die soziale Gerechtigkeit als erstes verlieren.“ Und gegenüber der Passauer neuen Presse: „Wer vergisst, dass sich Leistung lohnen muss, legt die Axt an die Wurzel des Wohlstandsbaumes. Darunter leiden die Schwächsten unserer Gesellschaft.“
Damit und mit seiner Kritik an ungerechten Löhnen argumentiert Westerwelle für gesetzliche Mindestlöhne. Einzig: Er merkt es nicht!