von Dirk Elsner, 15.1.13
Immer lauter wird über das Ende der Schuldenkrise geredet und geschrieben. Reuters zitiert Schäuble mit “das Schlimmste in der Euro-Krise ist überstanden. Okay, Politiker sehen ja aus Berufsgründen stets das Positive. Aber nach meinem Eindruck wollen auch immer mehr “Experten” einen Wendepunkt in der Krise ausgemacht haben. Ich habe nicht gecheckt, ob das die gleichen Experten sind, die noch vor ein paar Monaten die Eurozone am Rand des Abgrunds gesehen haben. Damals wurde gar Unternehmen dringend empfohlen, sich auf alternative Szenarien vorzubereiten. Plötzlich wird das Ende der Krise zum Mainstream. Selbst die vor kurzem noch als böse Buben verschrieenen Ratingagenturen sehen neuerdings einen Wendepunkt in der Euro-Krise.
Wie immer werden uns nun plausible Geschichten erzählt, mit denen die Trendwende begründet wird. Besonders beliebt ist offenbar die Legende von Mario Draghi, der mit seinen Worten die Krise weggeblasen hat.
Mich machen solche “Trendwenden” genauso stutzig wie die übertriebenen Untergangsszenarien vor einigen Monaten. (Siehe “Es ist so weit: Wir sind mal wieder am Ende – Nicht nur die Weltwirtschaft steht am Abgrund.) Ich kann leider nicht erkennen, dass das, was den Kern der Eurokrise ausgemacht hat, sich verändert hat. Die Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizite der Krisenländer sind nicht zurückgegangen, sie wachsen nur nicht mehr so stark.
Zwar signalisieren die Indikatoren wie Risikoprämien oder die Targetforderungen, die vor einigen Monaten Kommentatoren und Twitter zum Hyperventilieren brachten, Entwarnung. An der Verschuldungsproblematik hat sich aber nichts geändert. Allerdings hat sich die Haftungslage für Banken, institutionelle Investoren und andere private Gläubiger durch den Draghi-Put deutlich verändert: nämlich verbessert. Die Erwartung, dass private Gläubiger im Fall von Zahlungsschwierigkeiten haften müssen, hat sich deutlich verringert. Und genau diese Erwartungen kann man in gesunkenen Risikoprämien und Targetforderungen ablesen. Damit könnte man bestenfalls sagen, die Gläubigerkrise sei vorläufig beendet.
Die eingeleiteten bzw. versprochenen Maßnahmen helfen freilich nur, die Ungleichgewichte vorerst weiter zu finanzieren. Dafür steigen das Haftungsrisiko für die europäischen Steuerzahler und die Lasten für die Bürger in den Krisenländern täglich weiter an. Und die eigentlichen Ursachen der Schuldenkrise geraten in Vergessenheit. Zu ihrem Kern gehören die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen. Diese Ungleichgewichte haben sich nicht plötzlich umgekehrt, sie verschlechtern sich nur nicht mehr so schnell wie vor einem Jahr. Eine Verlangsamung der Ungleichgewichte aber bereits als Trendwende zu bezeichnen, ist eine echte Täuschung, vor allem gegenüber den haftenden und leidenden Bürgern.
Aber es ist typisch für die Sicht auf die Krise. Die öffentliche und politische Debatte konzentrierte sich in den letzten Jahren ausschließlich auf die Lösung des Finanzierungsproblems und die Gefährdung der Banken. Man liest weiter wenig darüber, wie die Ungleichgewichte beseitigt werden. Wenn aber diese Ungleichgewichte nicht gelöst werden, sondern stets nur neue und noch kompliziertere Konstruktionen zur Entlastung privater Gläubiger bzw. der Defizitfinanzierung entwickelt werden, gewinnt Europa zwar Zeit, wird sich aber leider früher oder später erneut festfahren.
Die NZZ sprach kürzlich von einem Paradigmenwechsel, weil die Aktivitäten der Notenbanken zu einer Verzerrung der Marktentwicklungen führen. Die Notenbanken hätten weltweit den Umgang mit dem Risiko verzerrt. Das ist wahr. Aber an Finanzmärkten verschwinden Risiken nicht wie durch Zauberhand. Sie werden einfach nur anders verteilt.
Crosspost von Blick Log