von Florian Paulus Meyer, 23.11.09
Ernstmachen – im Netz steht hinter diesem eher unscheinbaren und erst recht unansehnlichen Wort zurzeit die Suche nach einem Online-Erlösmodell: Verleger und Medienhäuser wollen endlich Geld verdienen im Internet.
Mittels Bezahlinhalten, so der Trend, sollen die Netzleser dafür löhnen, dass sie redaktionelle Inhalte abrufen. Und wenn sich wieder mal ein Konzern dafür entscheidet Texte, Podcasts und Videos in Zukunft gegen Bezahlung herzuzeigen, dann macht er eben Ernst – so zumindest die gängige Bezeichnung in den Branchendiensten und Medienportalen.
Der DuMont-Verlag will Ernst machen (mit Web-Zusatzangeboten), die Süddeutsche macht Ernst (mit einer iPhone-App) und auch Springer macht Ernst. Seit 22. November gibt es ein eMag der Welt am Sonntag. Geplant ist zudem eine kostenpflichtige Bild-App und iPhone-Bezahl-Applikationen für Welt und Computerbild.
Ernstmachen ist das Gegenteil dessen, was Verlage anscheinend bisher gemacht haben: Geld in den virtuellen Sand setzen.
„Wir müssen mit dem bodenlosen Verschleudern unserer Inhalte aufhören”, sagt der Chef von sueddeutsche.de Hans-Jürgen Jakobs zu Kress. Geschäftsführer der Medienhäuser sprechen vom baldigen Ende der Kostenlos-Kultur und davon, dass die Leser, den Weg hin zu Bezahlseiten auch unterstützen würden. Mathias Döpfner meint, dass Nutzer künftig für Inhalte zahlen, wenn denn die Inhalt stimmen.
Ernstmachen ist also das Gegenteil von Verschleudern.
Ins Bild passt, dass Springer seinen täglichen Newsletter Welt Lage ab Dezember nur noch kostenpflichtig anbieten will. 2,90 Euro sollen Nutzer pro Monat bezahlen damit jeden Morgen eine Linkliste in ihrem Postfach liegt.
Welt Lage wirbt mit folgenden Reizen:
- Zusammenfassung wichtiger Leitartikel und Kommentare aus führenden deutschen Zeitungen (u.a. Welt, FAZ, Süddeutsche, taz, Handelsblatt, Zeit)
- Auswertung internationaler Zeitungen und News-Sites (u.a. New York Times, Washington Post, Financial Times, The Times, Guardian)
- Analyse wichtiger politischer Weblogs (u.a. starke-meinungen.de, Sprengsatz, Carta)
- Links zu gelungenen Analysen, Porträts und Reportagen
- Auflistung der Top-Nachrichten aus dem In- und Ausland
- Außerdem: Sammlung der besten Zitate, Miniporträts, kuriose Schlagzeilen, Karikatur des Tages, Terminvorschau.
Ein Zitat aus dem heutigen Newsletter der bisher kostenlosen Presseschau zeigt, wie Ernst es Springer ist, mit der täglichen Linksammlung Geld zu verdienen. Zusätzliche Anstrengungen sollen die Redakteure auf sich nehmen, um noch mehr und noch bessere Inhalte anderer Medienkonzerne in die neuerdings kostenpflichtige Presseschau zu heben.
„Künftig werden unsere Redakteure noch mehr deutsche und internationale Zeitungen sichten und zusätzlich die besten politischen Blogs auswerten. Wir analysieren, was renommierte Publizisten aus dem In- und Ausland über die Berliner Politik und die Deutschen denken.“
Welt Lage lieferte bisher an manchen guten Tagen eine gelungene Übersicht über die nationalen und internationalen Nachrichten und deren Bewertung auf Meinungsseiten und Blogs, einfach aber gut strukturiert aufbereitet. Auffällig oft wurde auf Springer-eigene Medien verwiesen – zu Recht. Immerhin hatte man ja ein kostenloses Springer-Produkt abonniert. Dafür durfte der Newsletter ruhig auch öfter auf Welt.de verweisen als zur SZ oder FTD. Und hin und wieder klickte man auch auf einen Kommentar der Welt.
Dieser Traffic wird Welt.de in Zukunft entgehen. Wer will schon Geld dafür bezahlen, dass er einen Link geschickt bekommt? Wer will schon, dass Springer mit Inhalten Geld verdient, die sie noch nicht einmal selbst produziert haben?
Nochmal zu Nachlesen: Mehr zu Welt Lage – und zwar als kostenloser Link: http://www.welt.de/services/newsletter-welt-lage/