von Tilo Jung, 1.11.13
Dazu gehören Vorsatz und niedere Beweggründe. Mit einem Schlachtfeld ist das nicht zu vergleichen. Man kann natürlich als Pazifist sagen, jeder Krieg sei ein Verbrechen gegen die Menschheit, aber das liefert keine strafrechtlichen Argumente.
Man kennt aus den Kriegen dieser Jahre natürlich zahllose Fälle, in denen Kriegsverbrechen begangen wurden, etwa wenn im Irak unschuldige Zivilisten in Vergeltung für Angriffe auf amerikanische Soldaten getötet wurden.
Heute sieht das anders aus. Es reicht aus, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein – und paff. Das war’s. Jeremy hasst den Begriff des Kollateralschadens. Das klingt ihm zu zynisch, zu glatt. Ihn erbost es, wie leichtfertig dadurch Leute, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren, posthum zu Terroristen erklärt werden.
Wenn in Washington dienstags die Pizzaboten Hochbetrieb haben, wissen die Pizzabäcker wieder: Heute ist Terrordienstag. Dann sitzen sie im Situation Room des Weißen Hauses (ihr kennt das Bild von dem Tag, als Osama Bin Laden getötet wurde. Reality TV im Weißen Haus.)
Jedenfalls sitzen sie dann dienstags, essen Pizza, und sie reden über die Kill Lists. Wer drauf gehört, wer nicht. Ihr müsst Euch das vorstellen wie bei den Oscar-Nominierungen. Es gibt Listen mit Plus- und Negativpunkten. Hast du eine bestimmte Punktzahl erreicht, hast du die Arschkarte. Paff. Dann machen sie neben deinem Namen auf ihren Punktelisten ein Kreuz.
Sie nennen ihre Zielpersonen „High Value Targets“. Alles ist vorbildlich organisiert. Den Prozess nennen sie “Disposition Matrix”. Und weil das Rechnen zum Geschäft gehört, haben sie eigene Algorithmen ersonnen, um den Prozess der Auswahl zu systematisieren. Die Banalität des Bösen funktioniert heute klinisch sauber. In Afghanistan stehen zur Zeit über 1.000 Leute auf Kill-Listen.
Die bisherigen Versuche, die Memos unter Berufung auf den Freedom of Information Act herauszubekommen, sind alle fehlgeschlagen. Es gibt massenhaft Memos über jede Person, die auf die Kill Lists kommt. Im Fall des amerikanischen Staatsbürgers Anwar al-Awlaki hat das Weiße Haus sich geweigert, die Memos freizugeben. Ihre Algorithmen und das ganze Bohai können aber kein ordentliches Gerichtsverfahren ersetzen. Sie tun nur so und lügen sich in die Tasche, an ihren Terrordienstagen.
Jeremy bemerkt nebenbei, dass deutsche, französische und englische Spezialkräfte bei zahlreichen nächtlichen Kommandoaktionen der JSOC in Afghanistan beteiligt sind. Zur Erinnerung: Das sind die Soldaten des Kommandos Spezialkräfte KSK der Bundeswehr.
Die Kommandoaktionen auf afrikanischem Territorium werden in Stuttgart bei der Africom geplant. Ausgeführt werden sie von den Spezialkräften, die im Camp Lemonnier in Djibouti stationiert sind.
Jeremy fragt mich, ob ich Militärdienst geleistet habe. Als Schattenkämpfer habe ich in Mecklenburg die Bibliothek gehütet. Jeremy lacht sich schlapp. Da haben sie mit dir den Richtigen gefunden, ein Bibliothekar, der keine Bücher liest.
Er kommt jetzt auf eine der absurdesten CIA-Nummern der letzten Jahre. Die CIA versuchte, an Anwar al-Awlaki heranzukommen, indem sie dabei behilflich war, eine europäische Frau für ihn zu finden. Behilflich war ihnen dabei der Däne Morten Storm. Über den dänischen Geheimdienst PET (Jeremy lacht) kam er in Verbindung zur CIA und suchte via Facebook nach muslimischen europäischen Frauen für einen radikalen Imam.
Viele bewarben sich mit Videos, eine davon war Aminah aus Kroatien. Sie haben ihr tolles neues Gepäck gekauft und da einen Peilsender reingesteckt. Aber als al-Awlakis Leute sie in Sanaa am Flughafen abholten, befahlen sie ihr, allen Kram wegzuschmeißen. Sie arbeitet noch heute bei dem Al Quaida-Magazin „Inspire“.
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