#Bankenkrise

Irgendwas klemmt

von , 8.7.09

Die Banken sind einfach arm dran. Erst hieß es monatelang, die Geldhäuser seien zu hohe Risiken eingegangen und hätten die Welt durch ihr gierig-spekulatives Vorgehen in die Krise geritten. Jetzt hören und lesen wir, die bösen Banken weigerten sich, das quasi zinsfreie Geld der EZB an die kleinen und mittleren Unternehmen weiterzugeben. Dadurch verschärften sie die Rezession, die sie selber verursacht haben. Die „Kreditklemme” ist das neueste Lieblingsthema unserer wahlkämpfenden Politiker. Um die vermeintliche Blockade aufzubrechen, droht Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit „Maßnahmen, die es so noch nicht gegeben hat“.

Klagen statt Klemme
Blicken wir, zur Beruhigung der Gemüter, kurz auf die Fakten: Laut FAZ vom 7.7.2009 betrug die vergebene Kreditsumme deutscher Banken an Unternehmen und Selbständige im März dieses Jahres 1 363 Mrd. Euro, das waren 70 Mrd. Euro mehr als im Jahr zuvor. Die Volks- und Raiffeisenbanken hatten per Ende Mai einen Kreditbestand in Höhe von 375,9 Mrd Euro zu verzeichnen, das sind zehn Mrd. oder 2,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Und die Sparkassen haben nach eigenen Angaben ihr Kreditneugeschäft mit Unternehmen in den ersten vier Monaten des Jahres um rund sechs Prozent ausgeweitet. Das schließt zwar, worauf Alexander Hagelüken in der Süddeutschen Zeitung vom 7.7. hinweist, nicht aus, dass „ein großer Engpass (erst noch) bevorsteht“, sich also die Realität „in der Statistik noch nicht niederschlägt“. Trotzdem scheint das Geklage über eine Kreditklemme doch arg überzogen.

Zusätzlich irritierend: Die neuerliche Jagd auf die Banken setzt genau in dem Moment ein, wo die neuesten Horrorzahlen über die IKB an die Öffentlichkeit gelangen. Dieses vollständig marode, am Tropf des Staates hängende Institut benötigt, zusätzlich zu den fünf Soffin-Milliarden, die es schon erhalten hat, nochmals derer sieben. Wer vor diesem Hintergrund von den Banken fordert, dass sie ohne Rücksicht auf Verluste, sprich Kreditausfälle, frisches Geld ausleihen, der muss sich fragen lassen, was er nun eigentlich will: Banken, die ihr Haus in Ordnung bringen; oder Banken, die – kaum scheint die Krise abzuklingen – gleich wieder aufs Eis gehen. Beides zusammen geht leider nicht.

Auf ins nächste Abenteuer?
Fest zu stehen scheint: Die Banken sind noch immer nicht aus dem Gröbsten heraus. So hat die Bundesbank in einer Anhörung des Bundestags-Haushaltsausschusses am 15.6.2009 die Summe der potenziell „toxischen“ Papiere, die noch in den Bilanzen deutscher Banken schlummern, auf 200 bis 230 Mrd Euro beziffert. Zwar haben die Banken durch das nunmehr beschlossene Bad-Bank-Gesetz die Möglichkeit, ihre vergifteten Papiere auszulagern. Restrisiken aber bleiben. Deshalb ist es immens wichtig, dass die Banken zunächst wieder ausreichend Eigenkapital aufbauen. Erst dies versetzt sie in die Lage, in begrenztem Umfang (Kredit-)Risiken einzugehen. Wer stattdessen (wie am 7.7. die Bundesregierung) seine EU-Partner mit dem Vorschlag konfrontiert, die Eigenkapitalanforderungen zu deckeln, um so die Kreditvergabe anzukurbeln, der schubst die Institute geradewegs ins nächste Abenteuer. Noch verwegener erscheint uns der Vorschlag, dass der Staat selber als Kreditgeber einspringt. Gut, dass Bundesbank-Präsident Axel Weber dieser fixen Idee eine klare Absage erteilt hat.

Schluss mit dem Roulette
Hans-Werner Sinn schreibt es in seinem Buch „Kasino-Kapitalismus“ in aller Deutlichkeit: Banken und andere Finanzdienstleister haben „mit einem Minimum an Eigenkapital“ immer größere Kredite vergeben, ohne die Bonität ihrer Schuldner ernsthaft geprüft zu haben. Die den Ausleihungen gegenüberstehenden Forderungen wurden syndiziert und weiterverkauft – das „Roulette“ (Sinn) auf den Weltkapitalmärkten konnte beginnen. Jetzt, nach dem bösen Erwachen, achten zumindest einige Banken darauf, dass ihre Ausleihungen mit mehr Eigenkapital hinterlegt sind. Und sie prüfen ernsthaft, ob der potentielle Kreditnehmer auch in der Lage ist, den Kredit später zurückzuzahlen. Wenn dies – was abzuwarten bleibt – bedeutet, dass die Banken aus der Krise gelernt haben, dann sollte die Politik darüber eigentlich froh sein.

Ebenfalls zum Thema: Wolfgang Münchaus Financial-Times-Kolumne: Scheinlösungen gegen die Klemme

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