#Aggressivität

Einmal Eistonne für die Bildzeitung, bitte!

von , 13.7.14

Dass Fußball möglicherweise doch “das Hirn kaputt macht”, kann man heute am Beispiel vieler Zeitungs-Titelseiten studieren. Am tollsten treibt es mal wieder die “Bild am Sonntag”:
 
bild wm 14
 
Was sehen wir? Zunächst: viel Schwarz-Rot-Gold. Im Blickpunkt: zwei schreiende Männer mit nicht ganz gesunder Gesichtsfarbe. Bei näherer Betrachtung erkennen wir, dass offenbar alle deutschen Herzen (auch die mit Migrationshintergrund) für zwei mit Deutschlandfahnen und Fans bedruckte Nationalspieler schlagen. Welche zwei? Thomas Müller, das versteht jeder. Aber warum Özil? Warum nicht Neuer, Kroos oder Hummels? Weil den Bild-Leuten sehr bewusst ist, mit welchen Assoziationen sie da spielen. Also versuchen sie, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie – politisch korrekt – Mesut Özil nehmen. Damit das Arno Breker-hafte ihrer martialischen photogeshoppten Spieler-Skulptur nicht gar so deutsch wirkt.

Özil und Müller tragen keine normalen Trikots, sie tragen Kampf- oder Tarnanzüge aus jubelnden Fans und Deutschland-Fahnen. Es könnte sich ebenso gut um ein Vorauskommando der Bundeswehr-Spezialkräfte in Afghanistan handeln. Die erhobene Faust, die verzerrten Gesichtszüge, die offenen Mäuler signalisieren: Wir zerschmettern Euch. Wir machen euch Angst. Manche würden die unverhohlene Aggressivität wohl “Willenskraft pur” nennen. Zusammen mit den jubelnden Fans und den 80,8 Millionen schlagenden Herzen bilden Özil und Müller einen Volkskörper.

Links auf der Titelseite, in Schwarz-Rot-Gold, drei Überschriften: “So knacken wir Argentinien”, “Unsere Helden” und “Jogis Erfolg”. Auch dieser Dreiklang ist ähnlich sorgsam ausgewählt wie das Spieler-Paar. Um dem Vorwurf des Nationalismus zu entgehen, folgt auf die beiden Kampfzeilen “So knacken wir Argentinien” und “Unsere Helden” ein überraschend entlastendes, eher verspieltes “Jogis Erfolg”. Die Hauptaussage relativiert das nicht: Wir sind ein einziger Wille. Wir verschmelzen mit unseren Kämpfern. Ein Volk …

Einen derartigen Missbrauch hat die sympathische deutsche Mannschaft nicht verdient. Zur Abkühlung sollten sich die Bildzeitungs-Leute drei Tage lang in die Eistonne stellen.
 

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