von Christian Humborg, 27.1.10
Die Fakten sind schnell erzählt: Das Unternehmen Vattenfall lädt ausgewählte „führende Medienmacher“ (so die Einladung) zu einer Veranstaltung in ein Hotel im Land Brandenburg am Dienstag, den 2. Februar 2010, um 19.30 Uhr ein. Gesprächspartner in einem Hintergrundgespräch ist der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck. Der Stern-Journalist Hans-Martin Tillack hatte bereits in seinem Buch „Die korrupte Republik“ im letzten Jahr beschrieben, dass Vattenfall solche Veranstaltungen etwa alle sechs Monate in einem Brandenburger Hotel durchführe. Gesprächspartner waren in der Vergangenheit demnach Wirtschaftsminister Michael Glos und der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck gewesen. Gewöhnliche Hintergrundgespräche oder nicht? Schauen wir uns das Veranstaltungsformat Schritt für Schritt an:
Die „Medienmacher“: Tillack berichtete in seinem Buch genüsslich von Shuttle-Service, opulentem Essen und dem angebotenen Wein, inklusive Jahrgang. Ohne Missgunst stellt sich die nüchterne Frage, ob die „führenden Medienmacher“ Essen und Übernachtung selbst zahlen. Sollten Journalisten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten teilnehmen, wäre dies ihnen anzuraten, gelten sie doch als Amtsträger. Für den Rest der Runde gilt Ziffer 15 des Pressekodex. Danach sind Vorteile jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, abzulehnen. Als Leser wüsste ich gern, wie teilnehmende Chefredakteure der von mir konsumierten Medien diese Veranstaltung im Hinblick auf Ziffer 15 beurteilen. Der Hinweis aus Tillacks Buch, dass Vattenfalls Angebot kostenlos sei, gibt erste Hinweise.
Die Gesprächspartner: Ich frage mich, warum sich Politiker für dieses Unternehmen hergeben. Meine Einschätzung ist, dass die Einladung eines Politikers in seine Diensträume bei Tee und Gebäck vermutlich nicht die Aufmerksamkeit zahlreicher „führender Meinungsmacher“ erregen könnte. Daher schließt man sich zusammen. Der Politiker bietet die Inhalte; das Unternehmen bietet den Rahmen. Vermutlich lässt sich nur gemeinsam der gewünschte Erfolg erzielen.
Was die Angelegenheit ein wenig pikant macht, sind formale Zuständigkeiten. In Glos’ Zuständigkeitsbereich als Bundeswirtschaftsminister fiel das Bundeskartellamt; zudem ist das Bundeswirtschaftsministerium für die „gesicherte Energieversorgung zu angemessenen Preisen“ zuständig. Im Energiesektor gibt es auch auf Landesebene Zuständigkeiten. Nach §54, Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes sind die Landesregulierungsbehörden, wie z.B. in Brandenburg, für Energieversorgungsunternehmen mit weniger als 100.000 Kunden zuständig.
Das einladende Unternehmen: Für mich hat Vattenfall dieses Veranstaltungsformat zur Image- und Klimapflege ins Leben gerufen. Ich gehe davon aus, dass es das Unternehmen ist, das die jeweiligen „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ aussucht und anspricht. Die Fortsetzung einer solchen Praxis wäre forsch, nachdem diese schon im letzten Jahr öffentlich gemacht worden war. Auch hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace erst im Oktober 2009 beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Beschwerde gegen den schwedischen Energiekonzern wegen des Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen erhoben (PDF). Einer der Vorwürfe lautet auf „ungebührliche Einmischung in die Politik des Gastlandes“ (Kapitel II. 11 der OECD-Leitsätze).
Für eine eindeutige Bewertung ist die Einladung hinreichend unklar formuliert: „Der Empfang beginnt um 19.30 Uhr mit anschließendem Abendessen“. Zuvor heißt es, dass Herr Platzeck „um 20:00 Uhr einem kleinen Kreis von Chefredakteuren und leitenden Redakteuren Rede und Antwort“ stehe. Zum Thema des Hintergrundgespräches findet sich in der Einladung kein Hinweis.
Die Gemengenlage: Der Anstifter dieser komplizierten Dreierbeziehung ist meinem Eindruck nach der Energiekonzern, der auf der einen Seite gemeinsam mit einem dafür empfänglichen Politiker ein Angebot formt, dessen Nachfrager auf der anderen Seite die Journalisten sind. Mir geht es weniger um das konkrete Zusammenkommen nächste Woche und vielleicht ist dieser Abend auch nur Kleinkram im Spiel der mächtigen Interessen. Ich finde aber Veranstaltungen zweifelhaft, bei denen Rollen und Verpflichtungen zu verwischen drohen. Komplizierte Arrangements sind zu vermeiden oder Rollen und Verpflichtungen genau zu definieren. Ich habe nichts grundsätzlich gegen Hintergrundgespräche oder leckere Abendessen, aber man muss sich schon die Mühe machen zu prüfen, ob die Spielregeln klar sind und eingehalten werden.