von Andreas Grieß, 27.4.10
Hauptanlaufpunkt landespolitisch interessierter Blogger war gestern sicherlich das Pottblog. Dort gab es ein Liveblog, in dem Pottblog-Macher und SPD-Mitglied Jens Matheuszik gemeinsam mit David J. Ludwigs von der NRW-CDU als Co-Moderator das Geschehen kommentierten. Auch einige Gäste mischten sich ein. Die beiden Moderatoren kommentierten natürlich im wahrsten Sinne des Wortes „parteiisch“, die größere Zahl der Gäste bevorzugte Hannelore Krafts Positionen. Eine wenige Minuten lang laufende Umfrage am Ende bestätigte diesen Eindruck. Auf Pottblog wird das Ergebnis wie folgt kommentiert:
80 % der (bis zu 140 Teilnehmer am Live-Blog) glaubten, dass Hannelore Kraft das TV-Duell gewonnen hat, 13 % sprachen sich für Jürgen Rüttgers aus und der Rest war unentschieden. Natürlich völlig unrepräsentativ – aber es lesen hier nicht nur SPD-Sympathisanten mit…
Zu einem komplett anderen Ergebnis kommt der unter dem Pseudonym „Thomas Brackheim“ schreibende Autor im Wir-in-NRW-Blog. Stach das Blog bisher meist durch sehr CDU-kritische Kommentierung und Berichterstattung hervor, heißt es diesmal unter anderem:
Die Routine des Amtsinhabers, die gute Schulung vor diesem Termin, sein Reichtum an Fakten und Argumenten, bugsieren den 58-Jährigen CDU-Chef schon zur Halbzeit der Fragerunde auf die Siegerstraße.
Der Autor kritisiert, dass Kraft Fehler in der SPD-Regierungszeit eingesteht und bewertet die Herausforderin als deutlich schlechter vorbereitet als den Amtsinhaber. Der größte Kritikpunkt jedoch ist für den Kommentator die unklare Haltung Krafts zum Umgang mit der Linken. Hier habe Rüttgers Kraft so empfindlich getroffen, dass sie aufgegeben habe.
Um das Thema Linke geht es auch im Kommentar auf thing-strange.de. Der der Linken nahestehende Roger Zenner sieht den Fehler Krafts nicht in einer mangelnden Abgrenzung zur Linken, sondern in der „klaren Absage“ gegenüber der Linken. Zudem beklagt Zenner, dass Rüttgers die Linke als „undemokratische Extremisten“ bezeichnet habe und stellt seinerseits die Frage, ob die etablierten Parteien angesichts mehrerer vom Verfassungsgericht zurückgewiesener Gesetze denn „demokratisch“ genug seien, solche Vorwürfe zu erheben.
Welche Worte die beiden Kontrahenten verwendet haben, zeigen die Grünen NRW in ihrem Blog per “Wortwolke”. Zuvor haben sie bereits ein Transkript des Duells, angereichert mit eigenen Statements, veröffentlicht.
Der Liveblog von hingesehen.net bilanziert das TV-Duell als „ereignisarm“. Ähnlich sieht es auch Stefan Laurin von den Ruhrbaronen. Mit „Langweilig war es, das ‘Duell’ zwischen Jürgen Rüttgers (CDU) und Hannelore Kraft (SPD) im WDR.“, beginnt er seinen Kommentar „Kraft vs. Rüttgers: Duell der Drückeberger“. Darin kritisiert auch er die Unklarheit, die Kraft im Bezug auf die Linke hinterließ. In den Punkten Kohlesubventionen und Bildungspolitik sieht Laurin Vorteile beim Amtsinhaber. Insgesamt hätten aber beide in entscheidenden Fragen keine Antworten gegeben, allen voran bei der Frage „Wo wird gespart?“. Laurin beschreibt auch Rüttgers Versuch, als soziales Gewissen der CDU zu erscheinen:
Beide gaben den engagierten Sozialpolitiker. Kraft ist mit den Mindestlöhnen eher auf der Höhe der Zeit – Rüttgers beim Zuverdienst. Man konnte zwei sozialdemokratische Politiker verschiedener Flügel beobachten.
Dies ist ein Punkt, den auch ich in meinem Kommentar aufgegriffen habe. Kraft versäumt mehrere Gelegenheiten, ihren Kontrahenten zu attackieren. Denn der lieferte ihr einige Chancen dazu, etwa bei der Rente mit 67 oder der Art der Wahlkampfführung. So endete das Duell jedoch in meinen Augen unentschieden.
Wenig überraschend sind sich die Kommentatoren einmal mehr nicht einig, wer ein TV-Duell gewonnen hat. Die Parteien und deren Anhänger kämpfen um die Deutungshoheit. Ein Kampf, der aktuell in den Kommentaren zu einigen der genannten Artikel munter weiter geht. Vermutlich noch bis Mittwoch, denn dann Treffen Rüttgers und Kraft erneut aufeinander, diesmal im Beisein der Spitzenkandidaten von FDP, Grünen und Linke.