#Babyboom

“Babyboom” & “Neue Väter”: Die statistischen Tricks der Ursula von der Leyen

von , 15.2.09


Familienministerin Ursula von der Leyen lädt zur Pressekonferenz. Vorab schon sind „hochbrisante“ Zahlen durchgesickert: Zwischen Januar und September 2008 ist die Zahl der Geburten in Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sagenhafte 3397 gestiegen (also quasi explodiert)! Diese granatenmäßige Steigerung ist der Grund für den kuriosen Dreivierteljahres-Vergleich. Die 9-Monats-Zahlen sollen den durchschlagenden Erfolg der CDU-Familienpolitik bekräftigen. Schließlich hat man lange nichts mehr von ihr gehört.

Von der Leyen pressetextet und die Medien frohlocken

Von der Leyen pressetextet und die Medien frohlocken

Betrachten wir die Zahlen des „neuen Babybooms“ im Detail: Von Januar bis September 2008 wurden in Deutschland 517.549 Kinder geboren. 2007 waren es – im Vergleichszeitraum – 514.152. Der Zuwachs beträgt also grandiose 0,66 Prozent!

Würde man den September nicht mitrechnen und nur die Zeiträume von Januar bis August vergleichen, so würde der Kinder-Zuwachs auf magere 700 zusammenschmelzen. Aber auch das ist noch ein Plus, wenn auch ein sehr, sehr bescheidenes von 0,15 Prozent (und eigentlich nicht erwähnenswert).

Würde man den Vergleichszeitraum dagegen um einen Monat verlängern, also den Oktober in die Rechnung mit einbeziehen, dann stünde vermutlich ein Minus unter dem Strich, denn der Oktober 2007 war mit 64.572 Geburten der geburtenstärkste Monat des ganzen Jahres 2007.

Was lernen wir daraus? Wer seine Politik mit guten Zahlen untermauern will, sollte unbedingt darauf achten, die richtigen Vergleichszeiträume auszuwählen.

In der gleichen Presse-Vorausmitteilung will uns Frau von der Leyen weismachen, die Steigerung der Geburten von 2006 auf 2007 um sage und schreibe 12.000 Kinder sei ihrer guten Familienpolitik zuzuschreiben. Dass die Geburtenzahlen 2005 aber höher lagen als 2007, erwähnt sie lieber nicht.

Dieses Schönrechnen hat im Familienministerium Methode. Das zeigt eine weitere „Positivbilanz“: Im Oktober 2008 berichtete Ursula von der Leyen über die tollen Auswirkungen des neuen Elterngelds. Sie schwärmte von den „neuen Vätern“, die das Angebot freudig annehmen würden. In fast allen Zeitungsüberschriften dominierten daraufhin „die neuen Väter“. So sehr schwärmte die Ministerin von ihnen, dass es dem Herrn Reents von der FAZ kalt über den Rücken lief. Herr Reents bekam richtig Angst, dass die neuen „Wickelväter so kuschelweich werden, dass ihre Söhne keine richtige Vatermord-Literatur mehr zustande bringen. Ja, dass sie überhaupt nichts mehr zustande bringen, weil die „neuen Väter“ ihre neuen Söhne einfach zu sehr lieben.

Keine Panik, Edo Reents! Die „neuen Väter“ zählen wie der „neue Babyboom“ zur kreativen Statistik-Auslegung des Familienministeriums.

Sehen wir uns auch hier die Zahlen etwas genauer an: Von Januar 2007 bis Juli 2008 wurden für die im Jahr 2007 geborenen Kinder 752.000 Anträge auf Elterngeld gestellt. 649.000 Anträge – das sind 86% – wurden von den Müttern gestellt, 103.000 Anträge – oder 14% – von den Vätern.

14 Prozent! Das klingt nach einer Vervierfachung des bisherigen Väter-Engagements und wurde entsprechend lautstark gefeiert.

Dass 103.000 von 752.000 nicht 14, sondern 13,7 Prozent sind, wollen wir großzügig vernachlässigen. Dass aber 67.000, also zwei Drittel der 103.000 männlichen Antragsteller, nur das gesetzliche Minimum von zwei Väter-Monaten buchten, zeigt die Verhältnisse schon realistischer. Und dass von den verbleibenden 36.000 Vätern gerade mal 13.000 ein volles Jahr zuhause blieben, verdeutlicht, wie putzig die neue Familienpolitik in Wahrheit ist. Nur diese 13.000 sind echte „neue Väter“.

Als das Erziehungsgeld der Vorgängerregierung Ende 2006 auslief, lag die Väterquote unter den Antragstellern bei bescheidenen 3,5 Prozent. Jetzt liegt sie – beim einjährigen „Ausstieg“ aus dem Berufsleben – bei 1,75 Prozent, und bei mehr als zweimonatigem Ausstieg bei 4,8 Prozent.

Das heißt, das neue Elterngeld hat die Rolle der Väter und die Zahl der Geburten in Deutschland nur unwesentlich verändert. Aber die PR der Familienministerin war allererste Sahne.

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