von Jan Krone, 28.10.10
Im Jahr 2000, das Jahr des aufkochenden Hypes um das kommerzielle Internet als auch Beginn der institutionalisierten Arbeit des Autors im Hochschulwesen, erscheint zum ersten Mal am 6. November auf den Medienseiten der jüngst in ein automatisiertes Nachrichtenportal umformatierten Netzeitung.de die Medienkolumne „Altpapier“.
Angetreten als ein Subressort auf der rein online-basierten, tagesaktuellen „Zeitung“ im Netz, ist das Konzept nicht auf analoge Oberflächen übertragbar – mittels Deeplinking kann sich das Publikum die originalen Quellen einfangen und vertiefen.
Das „Altpapier“ gilt als die erste deutsche Online-Medienkolumne und kommentiert heute über die Seiten von evangelisch.de – von Anfang an als Autorenkollektiv – aktuelle Medienthemen und hat es zu einem eigenständigen Label für anspruchsvollen Metajournalismus im Themenfeld Medien geschafft, das unter Dachmarken zu glänzen weiß.
Autorenkollektiv statt Alphatierchen
Das Autorenkollektiv tritt angenehm hinter seine Marke „Altpapier“ zurück und bedeutet so eine charmante Distanz zum täglichen Marktplatz der (pathologischen) Eitelkeiten einer Branche inklusive deren Lieblingspersonen und -institutionen, die ihr Publikum – im Verhältnis zu Theaterschauspielern oder Marktschreiern – nur selten zu Gesicht bekommt oder gar bekommen möchte.
Auch aus diesem Grund scheint es an der Zeit, die Protagonisten des „Altpapier“ namentlich vor die Marke zu heben. Aus der Taufe (sic!) gehoben wurde es von Christoph Schultheis und Peer Schader. Bis zum heute tätigen Autorenkollektiv Christian Bartels, Matthias Dell, Klaus Raab und Henrik Schmitz schrieben zwischenzeitlich Heiko Dilk, Michael Angele und Karin Schuster für diesen Leuchtturm der selbstbezüglichen Süffisanz, ohne jedoch in den Verdacht zu geraten es handele sich um Satire, wie beispielsweise die der „taz-kriegsreporterin“ Silke Burmester, mittwochs ein fester Bestandteil der redaktionellen Auswahl.
Gedächtnis und Relevanz
Die Medienkolumne liefert den interessierten Lesern über eine hintersinnige Auswahl von Medienthemen mitsamt narrativer Orchestrierung ein im schnell verderblichen Geschäft der Medienbranche veredeltes Surrogat aus Medieninhalten, Medienpersonen, strukturellen Umwälzungen innerhalb der Branche und medienökonomischen HardFacts zuzüglich Programmhinweisen.
Das „Altpapier“ erscheint mit kurzen – wie in der Wissenschaft zur Qualitätssteigerung geschuldeten Umzügen – Unterbrechungen jeweils werktags vormittags sprachlich gewandt, mit spitzen Fingern getippt.
Die Autoren sind distanziert, abkühlend, bohrend und, im Gegensatz zum Massenmedien-Medienjournalismus-Mainstream, mit einem vorzüglichen Gedächtnis über die Historie des eigenen Themenfeldes ausgestattet. Die Kommentierungen der Autoren sind durch hohen Sachverstand gekennzeichnet und weisen eine sichere Konnotation auf. Dabei entsteht in der Reflektion der Grundannahmen originaler Arbeitsimpulse nicht selten eine erstaunliche Analyse über Motivation und Relevanz.
Lesegenuss kontra Informationsarbeiten
Im Vergleich zu Link-Newslettern erlaubt das „Altpapier“ entschleunigte Minuten Lesegenuss ohne das zehrende Informationsarbeiten mit vielen branchenspezifischen Fachinformationsdiensten.
Auf diese Weise ist die Kolumne eine behagliche Ergänzung und Filter der lauten Bilder und Worte des Medienalltags und letztlich dazu geeignet, die wirklich wichtigen Medienthemen zu identifizieren. Das „Altpapier“ ist ein Fach(dienst)vergnügen und gleichermaßen Beleg dafür, aus spezifischer Qualität publikumsbindende Marken entstehen zu lassen. Das „Altpapier“ ist als Nischenangebot heute ein Luxus für den das Dach gewährenden Wirt. Ein spezialisierter thematischer Fokus ohne ausreichend renditenträchtiges Reichweitenkapital oder Attraktivität für Bannerklicks und glücklicherweise nicht unter dem Dach eines großen oder kleinen Medienkonzerns.
Heikles Ressort Medienjournalismus
Denn der Medienjournalismus ist kompliziert und nicht selten heikel, da die eigenen Auftraggeber und Sozialversicherungsbeiträger beständig und kritisch beobachtet werden (müssen). Medienseiten und -journale sind häufig die ersten Einheiten nicht nur privat-kommerzieller Anbieter, die über Bord gestoßen oder gegängelt werden.
Sein 10-jähriges Jubiläum feiert das Altpapier mit 10 Gastbeiträgen bekannter Medienbeobachter, so zum Beispiel von Sascha Lobo und Stefan Niggemeier.