#Asylantrag

Zwischen den Staaten: Droht Edward Snowden das Schicksal von Mehran Nasseri?

von , 3.7.13

Die USA nutzen die Staatsbürgerschaft „als Waffe“ gegen ihren schärfsten Kritiker. Snowden ist nun (wie vor ihm der CIA-Dissident Philip Agee) “staatenlos” und “vogelfrei”. Diese Art des Pass-Entzugs ist eigentlich ein Kennzeichen von Diktaturen.

Wir Deutschen kennen den Entzug der Staatsbürgerschaft und die Ausbürgerung als Maßnahmen einer Diktatur: entweder des Dritten Reichs oder der DDR (oder als Begleiterscheinung von Vertreibung und Umsiedlung nach dem Zweiten Weltkrieg).

Ausgebürgert wurden auch die griechischen Oppositionellen, die sich dem Militär-Putsch von 1967 widersetzten. Zu den bekanntesten Staatenlosen zählten damals Mikis Theodorakis und Melina Mercouri.

 

Was sagt das Nobelkomitee dazu?

Die Philosophin Hannah Arendt, selbst 14 Jahre lang staatenlos, schrieb in ihrem Buch „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, dass der Einzelne seit der Durchsetzung des Nationalstaatsprinzips mit dem Verlust seiner Staatsbürgerschaft praktisch keine Instanz mehr habe, die ihm die Menschenrechte garantiere.

Die Verweigerung der Menschenrechte ist es, die der Friedensnobelpreisträger Barack Obama mit der Ungültigerklärung von Snowdens Pass betreibt. Eigentlich müsste das Norske Nobelkomite darauf reagieren.

(Update: Die US-Regierung meint, Snowden sei keineswegs staatenlos durch den Passentzug, sondern immer noch US-Bürger. Er könne jederzeit nach Hause kommen und das Schicksal von Bradley Manning teilen.)

 

Die Angst vor der Supermacht

Nach dem 1954 verabschiedeten „Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen“ sind Menschen ohne Pass dem Schutz jenes Staates anbefohlen, in dem sie sich aufhalten. Russland könnte Snowden also sofort einen „Reiseausweis“ ausstellen, mit dem er in eines jener Länder ausfliegen könnte, in denen er um Asyl nachgesucht hat. Würden ihn die dortigen Behörden nicht einlassen (bzw. eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ablehnen), wäre er erneut auf einem Flughafen gestrandet.

Dass zahlreiche Regierungen schon im Vorfeld einen möglichen Asylantrag ablehnten – mit der treuherzigen Begründung, Snowden müsse sich erst auf ihrem Territorium befinden, bevor er berechtigt sei, Asyl zu beantragen – zeigt, wie groß die Angst der Regierungen vor der Supermacht und ihren Sanktionsdrohungen ist.

 

Tom Hanks in Terminal 1

Gut möglich also, dass es Edward Snowden so ergeht wie dem Iraner Mehran Karimi Nasseri, der 18 Jahre lang auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle zubrachte. Nasseri war 1977 wegen oppositioneller Tätigkeit gegen das Regime von Schah Reza Pahlavi verhaftet und später ausgebürgert und ausgewiesen worden. Jahrelang irrte er zwischen Brüssel, London und Paris umher, bis er schließlich in Terminal 1 des Pariser Flughafens seinen staatenlosen Wohnsitz nahm, wo er von 1988 bis 2006 lebte. Als er erkrankte, verlegte man ihn in ein Pariser Obdachlosenheim.

Natürlich rührte uns der Film The Terminal von Steven Spielberg mit Tom Hanks in der Hauptrolle viel mehr als die Geschichte des echten Nasseri. Spielberg hatte den Iraner zum Osteuropäer gemacht und den Flughafen nach New York verlegt. Tom Hanks’ Aufenthalt dauerte auch nur zwei Kinostunden und nicht 18 Jahre.

Was also wird passieren mit Snowden? Wir werden ihn und sein Leben wohl eines Tages vergessen. Im besten Falle kann er, wie Philip Agee im Jahr 2000, ein Reisebüro in Kuba aufmachen.

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