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Wirtschaftsjournalismus: Unsere Antwort auf die Kritik der DPA an unserer Kritik

von , 11.3.10

Am Montag haben Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz eine Studie über die aus ihrer Sicht mangelhafte Berichterstattung zur Finanzkrise veröffentlicht. Sie stellten insbesondere ARD Aktuell und DPA ein schlechtes Zeungnis aus. Die DPA wehrte sich mit einer detaillierten Presseerklärung. Hier die Antwort der Kritiker auf die Kritik an ihrer Studie:

Von Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz.

Eine Studie, sei sie noch so sorgfältig entworfen und engagiert umgesetzt, bewährt sich erst in den Anmerkungen, der Kritik und Einwänden einer (fach-)öffentlichen Diskussion. Wir nehmen die Kritik – nicht nur der DPA – ernst und stellen uns gerne der Auseinandersetzung, weil diese kritische Debatte vor allem einem dienen kann: die Analyse weiter zu schärfen, um auf ihrer Basis sinnvolle Konsequenzen und notwendige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Wir formulieren pointiert, verstehen unsere Befunde aber nicht als Vorwürfe, sondern als eine Kritik, die die Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten im Journalismus aktualisieren möchte. Unsere Befunde bringen uns zu dem entscheidenden Schluss: Soll der Journalismus das leisten, was unsere Gesellschaft von gutem Journalismus erwarten muss, dann braucht er andere und bessere Produktions- und Arbeitsbedingungen. Das ist ein Thema für die gesellschaftliche Öffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund ist unsere Antwort auf die Einwände von DPA zu sehen.

Wir haben Meldungen des DPA-Basisdienstes zum Themenfeld Finanzmarktpolitik und Finanzmarktkrise als journalistisch sehr unzureichend kritisiert.

DPA reagiert darauf mit der Einschätzung, wir seien zu „dem augenscheinlich gewünschten Ergebnis“ gekommen. Soll heißen: Die Kritiker hatten von Anfang böse Absichten und haben dann die Belege für ihre Vorurteile gesucht. Das ist nicht der Fall. Wir sind viel zu neugierig auf die Wirklichkeit, als dass wir nur einen Funken Energie in die Produktion von vorher festgelegten Ergebnissen stecken würden.

"Es klingt zumindest unterschwellig an, Tages-Zusammenfassungen müssen eben so sein, wie sie sind." Foto: flickr/laverrue

"Es klingt zumindest unterschwellig an, Tages-Zusammenfassungen müssen eben so sein, wie sie sind." - Foto: laverrue (cc by)

Die Deutsche Presseagentur ist eine gute und wichtige Einrichtung. Sie wird von einem intelligenten und solidarischen Finanzierungsmodell getragen; wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie erfinden.

Die Anforderungen an den Agentur-Journalismus an Verdichtung, Schnelligkeit, Korrektheit und Verständlichkeit sind sehr hoch, insbesondere bei einem analytisch schwer fassbaren und alles andere als einfach vermittelbaren Thema wie dem, um das es hier geht. Aber diese hohen Anforderungen sind berechtigt, ist DPA doch direkt und indirekt mitentscheidend für die Versorgung eines vielfachen Millionen-Publikums mit qualitätsvoller Information und Orientierung. Es ist auch klar: Das sind Anforderungen, die nur erfüllt werden können, wenn die entsprechenden Produktionsbedingungen der Journalisten gewährleistet sind.

Gerne hätten wir der Agentur gute Arbeit bescheinigt – wenn wir sie zu unserem Thema und in dem von uns ausgewählten Untersuchungsgegenstand entdeckt hätten.

DPA sagt, wir hätten an den falschen Stellen und zu den falschen Zeiten gesucht. Die Auswahl eines Untersuchungsfeldes und die Kriterien dieser Auswahl sind immer diskussionswürdig. Auch unsere Auswahl ist nicht der Weisheit letzter Schluss, aber alles andere als „beliebig“, wie DPA in seiner Stellungnahme schreibt.

Erstens: Finanzmarktpolitisch bedeutendere Ereignisse als G8- und G20-Gipfeltreffen, einschlägige Gesetze und Gesetzinitiativen, die “Heuschreckendebatte”, die ‚historische’ Intervention der Europäischen Zentralbank im August 2007 oder der Bankrott von Lehman Brothers im September 2008 dürften schwer zu finden sein.

Zweitens: Wir haben unsere Analyse konzentriert auf das Kerngeschäft von DPA, auf die Tages-Zusammenfassungen, weil diese Zusammenfassungen das Erste und Wichtigste sind, das die Redaktionen, die DPA beziehen, in ihrer täglichen Arbeit zur Kenntnis nehmen, verarbeiten und in vielen Fällen zur entscheidenden oder gar alleinigen Grundlage für ihre Berichterstattung nutzen.

Es ist selbstverständlich richtig und unbestreitbar, dass DPA darüber hinaus viele weitere Angebote macht, die wir nicht untersucht haben. In ihrer Stellungnahme beruft sich DPA auf diese Zusatzleistungen – ohne sich mit unserer Kritik an ihrem Kerngeschäft auseinanderzusetzen, im Gegenteil: es klingt zumindest unterschwellig an, Tages-Zusammenfassungen müssen eben so sein, wie sie sind.

Es war ein Fehler, dass wir nicht klarer benannt haben, welche DPA-Leistungen wir nicht analysieren. Nicht-journalistischen Lesern der Studie gegenüber wäre das nötig gewesen. Hier hat uns unser eigener journalistischer Hintergrund „einen Streich gespielt“, aus dem heraus es selbstverständlich ist, dass die Zusammenfassungen eben nur der tagesaktuelle Kern sind.

Am Ergebnis unserer Analyse der Tages-Zusammenfassungen ändert sich dadurch allerdings nichts. Unterstellen wir den für DPA günstigsten Fall, dass sie Korrespondentenberichte, DPA-Gespräche und Chronologien mit bester Einsicht in Hintergründe und Zusammenhänge, mit Perspektivenvielfalt und frühzeitigen Krisenwarnungen publiziert hat – und davon schlägt sich dann in dem Teil des Angebots, das ihre Kunden als Erstes und Wichtigstes zur Hand nehmen und am stärksten nutzen, wenig bis nichts nieder? Kann das ein sinnvolles redaktionelles Konzept sein? Wir gehen davon aus, dass sich gerade in der Kernarbeit zuallererst die Qualität der Arbeit einer so redaktionsstarken Nachrichtenagentur niederschlagen muss: Verständlichkeit der aktuellen Information, Abdecken der wichtigsten Positionen/Interessen, Herstellen von Zusammenhängen.

DPA sagt, wir hätten nur 212 Meldungen untersucht, während sie im Untersuchungszeitraum doch 2,5 Millionen Meldungen verbreitet hätten. Dieser Vergleich ist hübsch, führt aber leider in die Irre: Eine Studie, die gezielt die Kern-Berichterstattung zu den wichtigsten Ereignissen des hier interessierenden Themas gründlich untersucht, kann durchaus gewichtige Erkenntnisse an den Tag bringen. Deshalb noch einmal einige Hinweise auf unser Vorgehen.

Wir haben Ereignisse identifiziert und ausgewählt, von denen wir mit guten Argumenten sagen können: Die sind bedeutend. Dann haben wir festgelegt: Um mit begrenzten Ressourcen einen möglichst intensiven Einblick in die Arbeit von DPA zu bekommen, untersuchen wir die Tages-Zusammenfassungen. Anschließend haben wir in Datenbanken rund um die Ereignisse nach dem vorhandenen DPA-Material recherchiert.

So sind wir beispielsweise im Zeitraum zwischen 1999 und 2005 auf (nur) 81 DPA-Meldungen gestoßen und haben diese analysiert. Das heißt: Nicht wir haben diese relativ geringe Zahl festgelegt. DPA ist für diese geringe Zahl selbst verantwortlich, weil DPA zu den acht Ereignissen, die wir für diesen Zeitraum von 1999 bis 2005 ausgewählt haben – vom Rücktritt Oskar Lafontaines bis zur ersten Regierungserklärung von Angela Merkel – in den Zusammenfassungen seines Basisdienstes zum Thema Finanzmarktpolitik nicht mehr angeboten hat.

DPA wandelt den Befund, dass sie – wie viele andere – die Bedeutung des Themas unseres Erachtens nicht hinreichend erkannt hat und ganz selten darüber berichtete, in einen Vorwurf an die Autoren, sie hätten sich zu wenig Texte angeschaut. Dem widersprechen wir energisch. Wir haben entschieden, unsere Untersuchung auf die Analyse der Tages-Zusammenfassungen zu begrenzen. Dafür sind wir verantwortlich und darüber kann gestritten werden. Aber die absolute Zahl der Meldungen, die wir untersucht haben, die hat DPA mit ihrer Berichterstattung und mit ihrer Nicht-Berichterstattung selbst bestimmt. Insofern ist die sehr begrenzte Zahl der Tages-Zusammenfassungen, die wir untersucht haben, ein erster quantitativer Befund, der für unsere eher skeptische Beurteilung der Arbeit von DPA spricht.

Wir wollen nur auf ein Beispiel kurz eingehen, das DPA in seiner umfangreichen Pressemitteilung als eines der besonders positiven Beispiele aufgeführt hat, das zeige, wie hochwertig die Arbeit der Agentur sei. Wir zitieren aus der Pressemitteilung von DPA, in der – mit Unterstreichung – die von DPA ausgesuchte beispielhafte DPA-Meldung
wiedergegeben wird:

„Ebenfalls sehr rasch wird die IKB-Krise zum Anlass genommen, zu beschreiben, dass die amerikanische Immobilien-, Bau- und Hypothekenmarkt-Krise weltweit ausufert. Das gelingt auch deswegen, weil die Berichterstatter in Deutschland und den USA frühzeitig zusammenarbeiten: ‘Es sind nicht nur Millionen amerikanischer Hausbesitzer von den rasant fallenden Immobilienpreisen und ebenso rasch steigenden Zinsen für sogenannte Subprime-Hypotheken betroffen, das heißt von riskanten Hypothekenkrediten an bonitätsschwache Amerikaner. Inzwischen leiden auch institutionelle Investoren wie Banken, Hedge-Fonds, Finanzinvestoren und ganz normale Anleger in aller Welt unter der US-Misere.’ (Korr-Bericht ‘US-Immobilien- und Hypothekenkrise ufert weltweit aus’ vom 3.8.07)”

An diesem von DPA ausgesuchten positiven Beispiel können wir eines unserer Bedenken bezüglich der Qualität der Arbeit noch einmal deutlich machen: Die Banken, Hedgefonds und Finanzinvestoren galten bereits damals – im August 2007 – mit ihrer Art von Geschäftspolitik als die entscheidenden Verursacher der krisenhaften Entwicklungen. DPA stellt diese Akteure jedoch in dieser “vorbildhaften” Meldung umgekehrt als die Opfer der Krise dar. Das scheint uns eine ungewöhnlich eigenwillige, vielleicht sogar irreführende Darstellung und Deutung der Ereignisse zu sein. Denn weithin unumstritten galten und gelten gerade die so genannten “institutionellen Investoren” zu den Hauptverantwortlichen der Krise. Sie haben Druck auf die Politik ausgeübt, um die Finanzmärkte zu deregulieren. Sie haben mit riskanten und hochspekulativen Finanzprodukten in den Boomjahren sehr viel Geld verdient und als Investoren mit ihren hohen Rendite-Anforderungen viele Unternehmen in Bedrängnis gebracht. Zudem deutet die Headline dieser Meldung, es handle sich um eine „US-Immobilien- und Hypothekenkrise“ darauf hin, dass DPA noch im August 2007 von einer sehr verengten und vereinfachten Beschreibung der Krisenursachen ausgeht.

Wir könnten in diesem Sinne noch weitere Fälle kommentieren, die von DPA als positive Beispiele dargelegt werden. Unser Befund: Die von DPA ausgewählten Beispiele stützen nach unserer Analyse unsere tiefen Befürchtungen und mildern sie nicht.

Der vorliegende Text wurde auch auf den Seiten der Otto-Brenner-Stiftung veröffentlicht und kann als PDF heruntergeladen werden.

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