von Don Dahlmann, 4.12.12
Ich hatte es die Tage in meinem Artikel zum LSR schon mal angedeutet: Die deutsche Blogszene hat sich in weiten und überwiegenden Teilen nie aus ihrer eigenen Nische heraus arbeiten können. Das lag nicht an den handelnden Personen, einige haben ja durchaus die Blogebene verlassen und/oder arbeiten erfolgreich für Verlage. Es lag vermutlich an einer Mischung aus mangelnden Geschäftsmodellen und zu kleinem Markt, der wegen seiner Sprache zu regional begrenzt ist. Man kann jetzt noch Vermarktungs- und Mediaagenturen anführen, die Zersplitterung der Blogszene, die mangelnde Professionalität in Sachen eigener Vermarktung usw. Aber am Ende muss man dann doch konstatieren, dass in den gesellschaftlich relevanten Bereichen kein Blog, keine Autoren-Gemeinschaft existiert, die an die Reichweite und die Bedeutung einer überregionalen Tageszeitung herankommt. Ob ein einzelnes Blog in Deutschland diese Aufgabe überhaupt erfüllen kann, ist dann eine andere Frage, aber ein erfolgreich redaktionell begleitetes Blogportal gibt es auch nicht. (Auch wenn es hierzu schon vor Jahren Versuche gab; einen habe ich auch mal versucht, anzuschieben. Gescheitert am Finanzmangel)
Es gibt eine Menge Blogs, die sehr erfolgreich Sparten bedienen, es gibt einzelne Blogger, die zu gesellschaftlich relevanten Themen schreiben und deren Reichweite die eigene Leserschaft überschreitet. Aber auch oft nur dann, wenn andere Medien sie zitieren.
Ja, Blogs können als Schwarm etwas bewegen. Der Abmahnwahnsinn ist so eine Sache, wo es gut klappt. Die Netzgemeinde als solche kann politischen Druck aufbauen. Aber als rein publizistisches Gegengewicht zur überregionalen Presse sind Blogs für den Augenblick gescheitert. In 10 Jahren ist es nicht gelungen, diesbezüglich etwas in Bewegung zu bringen. Ich nehme mich da als jemand, der diese Zeit, teilweise nicht ganz unprominent, begleitet hat, nicht aus, und ich empfinde dieses Scheitern durchaus auch als Niederlage.
Es mag Blogs geben, die Geschichten anstoßen, groß werden sie aber nur durch die publizistische Macht der Verlage. Und viele Tageszeitungen leisten, trotz Einsparungen, trotz politischer Gängeleien, immer noch eine gute Arbeit. Zum Beispiel der Tagesspiegel in Sachen Flughafen BER. Oder aktuell die gemeinschaftliche Arbeit vieler bayrischer Zeitungen in der Affäre Mollath. Da zeigt sich, was Redaktionen zu leisten imstande sind. Was sicherlich auch mit den seit Jahrzehnten gewachsenen Verbindungen in Ämter zu tun hat: Welcher Blogger kann es sich leisten, jahrelang Beamte zu bearbeiten, damit diese Informationen rausrücken?
Aber eigentlich ist der Kanal, der für die Verbreitung einer Meldung genutzt wird, relativ egal. Wir brauchen guten Journalismus, egal, ob auf totem Holz oder digital. Was wir nicht brauchen, sind Tageszeitungen, die zu 90 Prozent aus ungeprüften dpa-Meldungen bestehen. Was wir nicht brauchen, sind Verleger, die Zeitungen als Profitcenter missbrauchen. Was wir nicht brauchen, ist der Umstand, dass Controller die Macht über die Inhalte bekommen. Dass sie entscheiden, was recherchiert wird, und was nicht. Dass Anzeigenabteilungen warnend die Hand heben, wenn es um eine große Geschichte über einen langjährigen Anzeigenkunden geht.
In einer Zeit, in der sich die Politik gefühlt immer mehr von der Bevölkerung abkapselt, in der Bezirksvorsteher wie kleine absolutistische Grafen handeln und scheinbar die Schere zwischen gefühlter richtiger Rechtsprechung und echter Rechtsprechung immer weiter auseinandergeht, braucht es eigentlich eine starke vierte Gewalt. Blogs haben diesen Stellenwert nie erreicht, weil sie die nötige publizistische Reichweite verfehlt haben. Sie sind im Moment (manchmal) “Trüffelschweine” des Journalismus, sie finden oft seltene und gute Geschichten, doch verkaufen kann sie nur eine Zeitung, ein Magazin, ein Portal mit einer großen Reichweite.
Ich mag die meisten Zeitungen im Moment nicht. Zu festgefahren ist der Kurs der Verleger, die es mit der Wahrheit nicht mehr so genau nehmen. Zu altväterlich ist oft der Ton im Blatt, zu wenig innovativ die Berichterstattung und die Nutzung der neuen Publikationsmöglichkeiten. Zeitungen reißen die Inhaltebarrieren, die das Internet gerade beiseite geräumt hat, nicht mit ein, sie versuchen sie verzweifelt aufrecht zu erhalten, sei es aus Angst vor der Veränderung, sei es aus schierem Unwissen. Das Verharren hinter der Mauer aus Anspruchsdenken, früheren Erfolgen und herrischem Gatekeeping hat die meisten Zeitungen dahin geführt, wo sie jetzt sind: ins Nirgendwo. Dass die Mauer bröckelt, wissen die Beteiligten selbst schon länger, doch was tun, wenn Autokraten den Weg vorgeben?
Die Profiteure dieser postdemokratischen Entwicklung sind, teilweise, Politiker und die Wirtschaft. Wenn komplexe Vorgänge nicht mehr hinterfragt werden können, wenn Spin-Doktoren ihrer Arbeit in Ruhe und ungestört nachgehen dürfen, bleibt am Ende die Aufklärung auf der Strecke.
Leider sind die Verlage gerade dabei, den letzten Rest ihrer Glaubwürdigkeit zu verspielen. Wenn, wie im Fall des LSR, so viel gelogen und falsches Wissen verbreitet wird: wie gehen Zeitungen dann mit anderen Themen um? Wie oft ist die Lüge, bei welchem Thema auch immer, in der Berichterstattung erlaubt, wenn es um die Durchsetzung der finanziellen oder machtpolitischen Interessen des Verlags geht? Das die “Bild” die Wahrheit so verdreht, wie es dem Verlag in seine politische Agenda passt, daran hat man sich gewöhnt. Aber die FAZ, oder SZ? Die Glaubwürdigkeit eines elementar wichtigen Bestandteils der Demokratie steht auf dem Spiel.
Wir brauchen die Tageszeitungen, sonst würde Gustl Mollath weiter unbeachtet in der Psychiatrie sitzen. Wir brauchen starke Regionalzeitungen, sonst würde Kurt Beck vermutlich immer noch sagen, dass der Umbau des Nürburgrings ein voller Erfolg war. Wir brauchen die Journalisten, die das alles möglich machen. Wir brauchen Verlage, die sich vor ihre Journalisten stellen.
Was wir nicht brauchen, sind Verleger, die Journalismus und Kampagne vermischen und nach Gutsherrenart entscheiden, welcher Politiker wann angegriffen wird. Oder, ob es für Recherchen nur dann Geld gibt, wenn sie ins politische und wirtschaftliche Schachspiel passen.
Was wir brauchen ist nicht ein neuer Journalismus, was wir benötigen, sind neue Verleger. Unternehmer, die noch daran glauben, dass guter Journalismus die Demokratie schützt, und für die sich die Stärke der Demokratie nicht allein in der Rendite widerspiegelt.
Crosspost von Irgendwas ist ja immer
- Benjamin O’Daniel für journalist: Wenn aus Blogs Geschäftsmodelle werden