#Abhörskandal

Wiesbaden-Erbenheim – ein digitales Mutlangen?

von , 25.7.13

Gegen Glasfaserkabel und Internetknoten lässt sich schlecht demonstrieren. Sie sind nicht sichtbar und wecken keine Emotionen. Doch nun will ausgerechnet die US-Army Abhilfe schaffen. In Wiesbaden-Erbenheim plant sie ein Militärgebäude, das den Geheimdiensten als neues Abhörzentrum dienen soll. Ein Projekt – wie geschaffen für die Nachfolge der Friedensbewegung.

In den achtziger Jahren formierte sich der Widerstand gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstrecken-Raketen vor allem im baden-württembergischen Mutlangen. Um den Abzug der Nuklear-Waffen zu erreichen, veranstalteten die Demonstranten dort Friedenscamps und blockierten das Depot. Höhepunkt war die so genannte Prominenten-Blockade im September 1983 mit Heinrich Böll, Horst Eberhard Richter, Erhard Eppler und Petra Kelly. Die Pressehütte Mutlangen wurde zum Zentrum der Raketengegner.

Nun könnte man argumentieren: Die Pershing-II-Raketen der Gegenwart sind die Abhörzentren fremder Geheimdienste im eigenen Land. Doch im Vergleich zu den achtziger Jahren haben die Streitkräfte mit Hilfe der NSA-Programme erheblich dazu gelernt. Schon im Vorfeld will man Demonstrationen oder “Spaziergänge” unterbinden, wie jüngst geschehen beim Dagger-Komplex in der Nähe von Darmstadt. An solchen Orten könnte sich der Protest kristallisieren.
 

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele in einem Interview mit dem stern über Erbenheim:

Frage: Im Innenausschuss hat der BND-Präsident auch bestätigt, dass in Erbenheim bei Wiesbaden eine neue NSA-Niederlassung entsteht. Kann ein souveräner Staat wie Deutschland akzeptieren, dass eine fremde Macht auf seinem Territorium Daten sammelt, ohne dass man Näheres darüber weiß?

Ströbele: Ich finde, man kann NSA-Niederlassungen in Deutschland angesichts der jüngsten Enthüllungen überhaupt nicht mehr dulden. Die Bundesregierung sollte daher nicht nur die fortbestehenden Geheimabkommen mit den Alliierten von 1968 über deren Abhörprivilegien kündigen, sondern auch das Nato-Truppenstatut nebst Zusatzabkommen. Denn die dortigen Vorbehaltsrechte dienen nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr dem Schutz der deutschen Bevölkerung, sondern werden zu deren Ausspähung missbraucht, von hiesigen US-Militärliegenschaften aus, etwa in Erbenheim.

 
Am kommenden Wochenende sollen die deutschlandweiten Proteste zur Verteidigung der Grundrechte beginnen. Am Montagabend lädt die Digitale Gesellschaft zum 1. Großen BND-Spaziergang in Berlin.
 

  • Abgehört und nicht empört: Konstantin Zurawski in der DRadioWissen-Webschau über mangelnde Empörung im NSA-Skandal (Audio, 6:30 Min.)

 

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