#Europäische Union

Wie weiter in der EU-Klimapolitik?

von , 31.3.10

Nach dem – eigentlich absehbaren – Scheitern des Kopenhagener Gipfels ist die internationale Klimapolitik in eine Art Schockstarre verfallen, allen voran beim ambitioniertesten Akteur, der Europäischen Union. Die EU hat in den vergangenen Jahren sehr viel politisches Kapital in die internationalen Klimaverhandlungen investiert. Die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 2 Grad steht seit 2007 im Zentrum der europäischen Energiestrategie. Die internationale Verhandlungsarena ist also eng mit der EU-internen Energie- und Klimapolitik verknüpft. Ein schleppender Verlauf auf der globalen Ebene wird sich unweigerlich auch auf die EU selbst auswirken.

Seit Kopenhagen ist die Klimapolitik der EU von einer großen Ratlosigkeit geprägt. Die Europäer sind vor allem darum bemüht, eine Infragestellung des bereits eingeschlagenen Kurses zu vermeiden. An den bisher vereinbarten Reduktionszielen (von 1990 bis 2020 Reduktion um 20% unilateral; Erhöhung auf 30%, wenn andere Industrie- und Schwellenländer mitziehen) soll zunächst nicht gerüttelt werden. Diese bereits 2007 beschlossenen Ziele bilden auch die Grundlage für einen der Schwerpunktbereiche der kürzlich vorgestellten makroökonomischen EU-2020-Strategie. Die Taktik, die zwischen den Mitgliedstaaten existierenden Interessensunterschiede auf Basis eingespielter Kompromissformeln zunächst einmal stillzulegen, wird sich jedoch nicht mehr lange aufrechterhalten lassen. Denn in 2010 stehen noch einige grundlegende und zum Teil auch symbolträchtige Entscheidungen an.

Viele westeuropäische Mitgliedstaten setzen sich inzwischen dafür ein, das Minderungsziel auf 30 Prozent zu erhöhen, selbst wenn andere Industrie- und Schwellenländer nicht mitziehen sollten. Angesichts der Erfahrungen in Kopenhagen – wo sich kein anderes Industrieland daran interessiert gezeigt hat, dass die EU auf 30% zu erhöht – streben die Westeuropäer mit diesem Schritt nicht mehr in erster Linie an, die internationalen Verhandlungen voranzubringen. Im Zentrum steht das Aufrechterhalten der volkswirtschaftlichen Transformationsdynamik hin zu einer low carbon economy. Aufgrund der massiven Emissionsreduktionen im Zuge der Wirtschaftskrise würde das ursprüngliche 20-Prozent-Ziel den Europäern kaum noch nennenswerte Anstrengungen abverlangen. Diese Annahme wird nicht nur von der europäischen Industrie bestritten, sondern auch von Mitgliedstaaten wie Polen und Italien. Diese waren zunächst in der Lage, eine Veränderung der Zieldefinition zu blockieren. Eine Grundsatzentscheidung steht nun für den Europäischen Rat Ende Juni 2010 an, auf Basis eines Impact Assessments, das die Kommission nach Aufforderung durch den Umweltministerrat in den nächsten Monaten präsentieren soll. Es kann als sicher gelten, dass die Kommission für ein 30%-Ziel plädieren wird. Ein polnisch-italienisches Veto wird sich aber nur dann umgehen lassen, wenn die klimapolitisch ehrgeizigeren Mitgliedstaaten den wesentlich größeren Teil der zusätzlichen Belastungen übernehmen.

Die Grundsatzentscheidung der 27 Staats- und Regierungschefs Ende Juni wird jedoch nicht nur den Weg bis 2020 vorprägen, sondern auch die von der Kommission in der 2. Jahreshälfte vorzulegenden Konzepte, wie sich der Emissionspfad der EU bis 2030 bzw. 2050 entwickeln soll. Die innereuropäischen Konfliktlinien werden nicht nur bei den anstehenden strategischen Grundsatzentscheidungen zutage treten, sondern auch bei einer Reihe von Detailentscheidungen. Große Differenzen sind bei den Beratungen über einen für Mai zu erwartenden Kommissionsvorschlag über die Einführung einer EU-weiten CO2-Mindestbesteuerung zu erwarten, ebenso bei den bereits begonnenen Verhandlungen über eine neue Richtlinie zur Begrenzung der Emissionen von leichten Nutzfahrzeugen, die in der zweiten Jahreshälfte in die entscheidende Phase gehen dürften – und ähnlich konfliktreich verlaufen, wie die 2008 abgeschlossenen Verhandlungen über die Begrenzung der Emissionen bei PKWs.

Trotz zahlreicher Deklarationen hat die EU bislang noch nicht deutlich machen können, wie sie den globalen Verhandlungen eine neue Dynamik verleihen will. Für 2010 steht zu befürchten, dass sich die Europäer in der Klimapolitik weitgehend mit sich selbst beschäftigen werden.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.