#Abmahnkosten

Wie sinnvoll sind die Vorschläge der Grünen für ein modernes Urheberrecht?

von , 6.3.13

Die Vorschläge beinhalten als kurzfristige Maßnahmen die Eindämmung des Abmahnunwesens sowie eine Stärkung des Urhebervertragsrechts. Mittelfristig wollen die Grünen auf eine Regelung zum Recht auf Remix und die Flexibilisierung der Schranken auf EU-Ebene hinwirken, sowie langfristig auf eine Reform der Urheberrechts-Richtlinie und die Überarbeitung des TRIPS-Abkommens. Auch hinsichtlich der Länge der urheberrechtlichen Schutzfristen hält die Fraktion der Grünen eine langfristig angelegte Debatte für erforderlich. Konkrete Vorschläge wurden allerdings nur zu den kurzfristigen Maßnahmen gemacht, die ich im Anschluss näher beleuchten möchte.
 

1. Eindämmung des Abmahnunwesens

Die Grünen wollen die Abmahnkosten in urheberrechtlichen Streitfällen begrenzen. Dazu soll das Gerichtskostengesetz (GKG) dahingehend geändert werden, dass der Streitwert für den Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch nur noch 700 EUR beträgt, wenn der Beklagte

eine natürliche Person ist, die urheberrechtliche Werke oder durch verwandte Schutzrechts geschützte Leistungen nicht für ihre gewerblichen oder selbständige Tätigkeit verwendet

und

in den letzten zwei Jahren nicht bereits wegen eines Anspruchs des Klägers durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.

 

Die für den Unterlassungsanspruch zu bezahlende anwaltliche Regelgebühr würde sich damit nach dem aktuellen Gebührenrecht auf EUR 120,67 (brutto) belaufen. Davon nicht erfasst ist der häufig parallel geltend gemachte Schadensersatzanspruch.

Ob sich allein damit die massenhafte Abmahnung von Filesharingfällen entscheidend eindämmen lässt, muss bezweifelt werden. Viele Abmahnkanzleien sind bereits jetzt mit einer Einigung im Bereich von 200 bis 300 EUR (für Schadensersatz und Anwaltskosten) zufrieden, so dass deren Geschäftsmodell dadurch vermutlich nicht entscheidend in Frage gestellt würde.

Der Entwurf enthält übrigens auch Regelungen, die zu einer deutlichen Streitwertreduzierung in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten führen würden. Denn das Gerichtskostengesetz soll hierzu um Vorschriften ergänzt werden, die – anders als bisher – vorsehen, dass eine geringe Bedeutung der Sache für den Beklagten streitwertreduzierend wirkt. Bietet der Sachverhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Streitwertbemessung, so setzt das Gesetz ganz allgemein einen Basisstreitwert von nur 1.000,- EUR für den Unterlassungsanspruch an.

Die Grünen wollen außerdem den urheberrechtlichen Auskunftsanspruch auf solche Fälle beschränken, in denen das Urheberrecht im geschäftlichen Verkehr verletzt wird. Damit wird u.a. an das Markenrecht angeknüpft, dessen Anwendungsvoraussetzung ein Handeln im geschäftlichen Verkehr ist. Insoweit hat der BGH – speziell im Internetkontext – vor einigen Jahren ausgeführt, wie dieser Rechtsbegriff auszulegen ist:

 

Für das Handeln im geschäftlichen Verkehr kommt es auf die erkennbar nach außen tretende Zielrichtung des Handelnden an. Dient das Verhalten nicht der Förderung der eigenen oder einer fremden erwerbswirtschaftlichen oder sonstigen beruflichen Tätigkeit, scheidet ein Handeln im geschäftlichen Verkehr aus.

Das Verhalten ist dann ausschließlich dem privaten Bereich außerhalb von Erwerb und Berufsausübung zuzurechnen (BGHZ 149, 191, 197 – shell.de). Auch bei einem Domainnamen genügt nicht die bloße Vermutung; vielmehr bedarf es einer positiven Feststellung, dass er im geschäftlichen Verkehr benutzt wird, wobei im Zweifel von einer rein privaten Nutzung auszugehen ist.

 

Gemessen an diesen Vorgaben, findet in den typischen Filesharingfällen kein Handeln im geschäftlichen Verkehr statt, mit der Folge, dass die Provider keine Auskunft mehr erteilen dürften, womit die meisten Fälle des Filesharings zivilrechtlich nicht mehr verfolgbar wären. Inwieweit anschließend die Zahl der Strafverfahren wieder zunehmen würde, bliebe abzuwarten. Dieser Ansatz würde Massenabmahnungen voraussichtlich allerdings erheblich erschweren.

Die aktuelle Rechtspraxis ist durch einen äußerst weiten Auskunftsanspruch gekennzeichnet, der in Kombination mit einer fast als exzessiv zu bezeichnenden Anwendung der Kriterien der sog. Störerhaftung dazu führt, dass häufig Anschlussinhaber in Haftung genommen werden, die tatsächlich nicht die Rechtsverletzter sind. Diese Tendenz wird verstärkt durch das m.E. ebenfalls nicht tragfähige Vermutungspostulat des BGH, wonach der Anschlussinhaber im Zweifel auch der Rechtsverletzter ist. Nachdem in einem deutschen Haushalt statistisch betrachtet etwas mehr als zwei Personen leben, ist für eine solche Vermutung an sich kein Raum. Der Umstand der massenhaften Inanspruchnahme von Anschlussinhabern, die nicht Rechtsverletzter sind, stellt eine der zentralen rechtspolitischen Fragwürdigkeiten der massenhaften Filesharingabmahnungen dar, weshalb ich es für naheliegender gehalten hätte, auch gesetzgeberisch unmittelbar an dieser Stelle anzuknüpfen und die Störerhaftung gesetzlich einzuschränken.

Die Grünen wollen außerdem den sog. fliegenden Gerichtsstand abschaffen, was durch eine Neuregelung in § 105a UrhG erreicht werden soll. Geplant ist insoweit folgende Regelung:

 

Für Klagen aus unerlaubter Handlung auf Grund dieses Gesetzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat.

 

Ob diese negativ formulierte Vorschrift tatsächlich geeignet ist, die Anwendung der allgemeinen Regelung des § 32 ZPO auszuschließen, ist zweifelhaft. Es erscheint nämlich keineswegs zwingend, dass damit ein Rückgriff auf den besonderen Gerichtsstand des § 32 ZPO und damit eine Berufung auf den fliegenden Gerichtsstand verhindert wird.

 

2. Urhebervertragsrecht

Den Antrag der Fraktion der Grünen zum Urhebervertragsrecht empfinde ich als enttäuschend. Er bleibt deutlich hinter dem zurück, was aus meiner Sicht geboten wäre. Das Papier der Grünen geht davon aus, dass die aktuelle gesetzliche Regelung grundsätzlich ausreichend ist und lediglich eine Art Vollzugsdefizit besteht. Aus diesem Grund beschränken sich die Grünen im Wesentlichen darauf, das Schlichtungsverfahren gemäß §§ 36, 36a UrhG über gemeinsame Vergütungsregeln von Vereinigungen von Urhebern und Vereinigungen von Werknutzern zu reformieren.

Meines Erachtens wäre es demgegenüber notwendig, an den Referentenentwurf des BMJ aus dem Jahr 2001 – der leider anschließend nur in stark verwässerter Form Gesetz werden konnte – anzuknüpfen und einen gesetzlichen Anspruch auf eine nach Art und Umfang der Werknutzung angemessene Vergütung zu schaffen, der auch unabhängig von der vertraglichen Vereinbarung gilt. Nur damit könnte tatsächlich dem einzelnen Urheber geholfen werden. Denn das erhebliche Verhandlungsungleichgewicht zwischen Verlagen und Journalisten/Autoren vermochte die aktuelle Regelung nicht zu beseitigen. Verglichen mit dem, was eine rot-grüne Bundesregierung schon einmal beabsichtigt hatte, erscheint mir der aktuelle Vorschlag der Grünen daher eher mutlos.

 
Crosspost von Internet Law

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