Wie realistisch ist eine Kulturflatrate für Journalisten?

von , 29.1.09

Am Ende der Debatte zur Zukunft der Medien brach es frustiert aus Hubert Burda heraus: “You get lousy pennies on the web!”. Damit meinte er das unbefriedigende Anzeigengeschäft im Internet. Deshalb muss sich beispielsweise Focus Online über das Reise-Portal Holiday Check querfinanzieren lassen. Und Thomas Knüwer schrieb rückblickend auf die DLD 09: “Wenn die Situation zu Beginn des Jahres 2009 das Gesamtjahr 2009 anhält, dann werden wir keine Medienkrise mehr haben – weil es keine Medien mehr geben wird. ”

Doch halt – sind die Medien nicht die “vierte Gewalt” im Staat? Was passiert, wenn sie ihrer Aufgabe nicht mehr angemessen nachkommen können, weil sie aufwändige Recherchen nicht mehr finanzieren können? Was passiert, wenn Journalisten nicht mehr genau nachfragen, den gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr abbilden, bündeln und steuern können? Was passiert, wenn die Presse versagt?

Wolfgang Michal beschrieb die Lage ganz treffend:

Die großen Verlage subventionieren ihre Internetauftritte mit dem Geld, das sie im Printbereich (noch?) verdienen. Der große Rest der freien journalistischen Netzproduzenten treibt sein anarchisches Unwesen als brotlose Liebhaberei, als Lust am Neuen, als gesellschaftliche Alternative, als Wette auf die Zukunft. Die freien Netzproduzenten setzen ihre Hoffnung (vergeblich?) auf reiche Onkel, zivilgesellschaftliche Stiftungen, Wagniskapitalgeber und philanthropische Erben.

2009 wird das Jahr der Entscheidung sein. Die ob der drastisch gesunkenen Anzeigenvolumina darbenden Verlage werden wichtige strategische Entscheidungen treffen müssen. Sparen, Umstrukturieren – das sind die Tags für 2009. Das Ergebnis werde, so Michal, “ein technisches, journalistisches und demokratisches Entwicklungsdefizit” sein, “das sich eine auf Erneuerung abonnierte Gesellschaft eigentlich nicht leisten kann.”

Angesichts des “implodierenden Geschäftsmodells des Printjournalismus” hat Lorenz Lorenz-Meyer hat bereits vor geraumer Zeit über ein umfassendes öffentlich-rechtliches Internetangebot nachgedacht. Als Grund führte er unter anderem das “Marktversagen im Journalismus und im kulturellen und zivilgesellschaftlichen Sektor” an. Ziel eines solchen Internetangebots müsse die informationelle Grundversorgung sowie Sicherstellung einer umfassenden, unabhängigen Berichterstattung sein. Ein solches Angebot solle den Markt dort ergänzen, “wo dieser den gesellschaftlichen Erfordernissen einer ausreichenden publizistischen und kulturellen Vielfalt nicht gerecht wird”.

Michal folgte mit einer Forderung für eine “Flatrate für Journalismus“. Und hat diese auch bereits durchgerechnet:

Die Anbieter von Breitbandanschlüssen (die ja aus einem öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsbetrieb – der Post – hervorgegangen sind) müssten auf politischem Wege davon „überzeugt“ werden, einen Teil ihrer Flatrate-Einnahmen – sagen wir: 25 Prozent – für künftige Internet-Programme abzuzweigen. Die aus dem „Gebührenanteil“ der Flatrate finanzierten (öffentlich-rechtlichen) Internetanstalten könnten dann sowohl die Technik (die Studios) für die Programmanbieter bereitstellen als auch die Honorierung der Musikgruppen, Netzeitungen, Blogger etc. übernehmen.

Bei fast 20 Millionen DSL-Anschlüssen mit einer durchschnittlichen monatlichen Flatrate von 25 Euro stünden jährlich rund 1,5 Milliarden Euro für Internet-Programme zur Verfügung. Zusätzlich könnten die Netz-Angebote (nach US-Vorbild) durch eine Autoren-Abgabe der Suchmaschinenbetreiber finanziert werden. Beides zusammengenommen entspräche in etwa dem Jahresetat des ZDF.

Angenommen, die Idee der Umverteilung ist richtig. Schließlich gibt es ja auch GEZ-Gebühren. Die Frage ist nur – ist eine öffentlich-rechtliche Internetanstalt das richtige Modell für die Umverteilung? Ich fürchte nein. Es geht nämlich vom Distributionsmodell für Massenmedien aus: Wenige Medien bedienen die Massen. Im Internet jedoch haben wir es nicht mit einer Some-to-Many-Struktur, sondern mit einer Many-to-Many-Struktur zu tun. Man müsste die Flatrate entsprechend auf alle verteilen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Daher wäre zu fragen:

  • Was sind diese Kriterien, wenn es darum gehen soll, Qualitätsangebote im Netz zu garantieren?
  • Wie können zivilgesellschaftliche Medien bzw. Bürgermedien ebenfalls unterstützt werden?
  • Wer kontrolliert, dass die Ausschüttungskriterien eingehalten werden?
  • Welche Institutionen könnten die Verwaltung übernehmen?
  • Wie hoch wären die Ausschüttungsbeträge? Müssten sie nicht eine Höhe betragen, die es Betreibern ermöglicht, ihr Geschäft mindestens kostendeckend zu betreiben?

Die Grundstrukturen stehen bereits: Die verschiedenen Verwertungsgesellschaften für Ton, Wort, Bild. Doch sie befinden sich in einem reformbedürftigen Zustand. Und mir ist kein konstruktiver, diskussionswürdiger Reformvorschlag derzeit bekannt.

Ein Protomodell für die Verteilung gibt es ebenfalls schon: Die Ausschüttung der VG Wort für Internettexte. Sie funktioniert. Mehr schlecht, als recht. Und sie führt auch exemplarisch vor, was sich verbessern muss, damit ein solches System auch nur ansatzweise funktionieren könnte:

  • Das Vorgehen muss transparent und verständlich beschrieben werden.
  • Der Mechanismus muss einfach zu implementieren sein.
  • Der Mechanismus muss datenschutzverträglich umgesetzt sein.
  • Die Ausschlusskriterien müssen eindeutig formuliert sein.

Allerdings ist mir auch keine öffentliche Diskussion bekannt, die eine entsprechende Reform der Sonderausschüttung der VG Wort oder der entsprechenden Ausschüttungen der anderen Verwertungsgesellschaften im Sinne einer Kulturflatrate fordern würde. Eine mittelfristige Umsetzung ist daher mehr als unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher hingegen ist es, dass sich demnächst nicht Belohnungs- sondern Bestrafungsregularien in Form von Internetsperren für Urheberrechtsverletzer durchsetzen werden.

Wenn also nicht die Verwertungsgesellschaften, warum nicht Google? “Von Google lernen, heißt siegen lernen”, denken sich viele. Nicht von ungefähr fordern Verleger in den USA denn auch von Google – der Suchmaschine, die wie keine andere die Many-to-Many-Kommunikation verstanden und von ihr profitiert hat – journalistische Leistung mitzufinanzieren. Inzwischen denken auch die Briten in Richtung Google. So soll Google eine Art Entschädigungszahlung leisten für entgangene Aufmerksamkeit.

Doch stellt sich sofort die Frage: Warum sollte nur die journalistische Leistung angesteller Journalisten, warum nicht auch die freier Journalisten bzw. kleiner, selbständiger Publikationen über Google querfinanziert werden? Und auch eine Stiftung wäre ja wieder ein zentrales Verteilermodell – ähnlich einer öffentlich-rechtlichen Institution. Vermutlich sollten Verwertungsgesellschaften, Verleger und Journalisten eher überlegen, “was Google tun würde”. Hier scheinen einige Chancen bereits verpasst worden zu sein.

h

Christiane Schulzki-Haddouti betreibt das Weblog KoopTech, auf dem auch dieser Text erschien.

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