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Außenminister Westerwelle: Das leichtfüßige Schwergewicht

von , 10.11.09

Guido Westerwelles Kritiker, nach wie vor zahlreich im Politikbetrieb wie in der Medienlandschaft der Republik vertreten, haben vergeblich auf einen Ausrutscher bei seinen Antrittsbesuchen in Den Haag, Paris oder Washington gehofft. Der 47-Jährige hat sie in den ersten vierzehn Tagen seiner Amtszeit gleich doppelt enttäuscht: Zum einen zauberte der Chefdiplomat Warschau als Auftakt seiner routinemäßigen Antrittsbesuche aus dem Hut und ließ sich nach seiner Ankunft auch nicht von der Causa Steinbach auf etwaiges deutsch-polnisches Glatteis führen. Zum anderen unterließ Westerwelle bei seiner Reise nach Washington jegliche Art der Selbstinszenierung und versuchte sich gar nicht erst in dem hoffnungslosen Unterfangen, Angela Merkels gelungenen Auftritt vor dem Kongress übertrumpfen zu wollen. Es ist diese aus Selbstsicherheit hervorgehende neue Gelassenheit Westerwelles, welche überrascht. Gerade dieses „in-sich-Ruhen“ hat alle Schwergewichte der deutschen Politik von Konrad Adenauer, Walter Scheel, Willy Brandt, bis hin zu Helmut Kohl und Joschka Fischer ausgemacht. Guido Westerwelle weiß, dass er sich in dieser Ahnenreihe eingefunden hat.

Denn es lässt sich in der Republik nur schwer ein Politiker – zumal in solch exponierter Stellung – finden, der ähnlich fest im Sattel sitzt und seine Partei in den letzten Jahren strategisch so erfolgreich manövriert hat wie der Bundesvorsitzende der Freien Demokraten. War es doch Westerwelle, der aus eigenen Fehlern gelernt und die FDP nach dem Ableben seines Widersachers Jürgen Möllemann im Jahr 2003 dementsprechend geformt hat. Diejenigen, welche bei seinem Namen immer noch vornehmlich an den „Spaß-, Container- und Unterhaltungs-Guido“ des Wahljahres 2002 denken, missachten sträflich das Gebot Arthur Schopenhauers „beständig die Wirkung der Zeit und die Wandelbarkeit der Dinge vor Augen haben”.

Stattdessen hat sich der promovierte Jurist in den letzten sieben Jahren zu einem fähigen Politikmanager entwickelt, der seiner Partei eine klare Richtung vorgegeben und Kohärenz verliehen hat, weil er begriffen hat, dass der deutsche Wähler zwei Eigenschaften über die Maßen schätzt: Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. Dass die Homogenisierung der FDP den Todesstoß für etwaige sozial-liberale Aktivisten nach dem Vorbild eines Burkhard Hirsch oder einer Hildegard Hamm-Brücher bedeuten musste, hat Westerwelle dabei in Kauf genommen. Zugleich hat er die thematische Fokussierung auf zwei Kernbereiche vorangetrieben, die es der Partei erlaubt haben, zwei völlig unterschiedliche Wählerklientele simultan anzusprechen. Mit einer neo-liberal ausgerichteten Wirtschafts- und Finanzpolitik konnte die FDP so um fiskalkonservative Arbeitgeber- und Mittelstandskreise werben, die der Zentrifugalwirkung der großen Koalition auf die Union ablehnend gegenüberstanden. Gleichzeitig sprach die Forderung nach mehr Bildungsausgaben und einer innovativeren Bildungspolitik Jungwähler an, die sich desillusioniert von den Sozialdemokraten abgewendet hatten.

Zu guter Letzt hat Guido Westerwelle wie kein anderer deutscher Politiker die Lehren aus dem amerikanischen  Präsidentschaftswahlkampf gezogen und diese konsequent umgesetzt. Denn Barack Obama hatte seinen Erfolg erst in zweiter Linie seinem innovativen Onlinewahlkampf zu verdanken. Weit ausschlaggebender für den Wahlsieg des Demokraten war die Tatsache, dass er sich während des gesamten Rennens, jedoch noch verstärkt nach Einbrechen der Finanzkrise, als Anwalt der amerikanischen Mittelschicht darstellen konnte. Obama konnte weite Teile des average America überzeugen, dass er den finanziellen Niedergang verhindern könne und wolle – nicht zuletzt durch die Rückgabe politischer Beteiligungsmöglichkeiten. Westerwelle hat ebenso unbemerkt wie kontinuierlich diese Strategie übernommen und die Freien Demokraten im Laufe des Wahlkampfes von der Mittelstands- zur Mittelschichtpartei umdefiniert. Dass ihm die beiden Volksparteien mit Bankenhilfen und Abwrackprämie noch in die Hände gespielt haben, war letztlich nicht mehr als das unvorhergesehene Tüpfelchen auf dem „i“ einer ansonsten ausgeklügelten Strategie.

Guido Westerwelle war nie unfehlbar, er ist es immer noch nicht. Das bewies zuletzt seine unsouveräne Reaktion auf jenen BBC-Reporter, der bei einer FDP-Pressekonferenz seine Frage auf Englisch stellen wollte und dafür einen Rüffel erhielt. Aber er hat stets aus seinen Fehlern gelernt und möglicherweise ist es gerade diese Eigenschaft, die ihn zu dem hat werden lassen, was er nun ist: Das leichtfüßige Schwergewicht des Berliner Politikbetriebs.

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