von Justus Haucap, 8.4.09
Ich habe mich schon am Montag in der Online-Ausgabe des Handelsblattes dazu klar geäußert, will an dieser Stelle aber noch einiges ergänzen. Um es ganz klar zu sagen: Die Abwrackprämie ist ökonomisch unsinnig und ökologisch fragwürdig. Funktionierende PKWs werden verschrottet und Ressourcen dafür ver(sch)wendet, neue Autos zu bauen, die man eigentlich noch nicht bräuchte.
Auch die Behauptung, dass neue Autos schadstoffärmer sind als Neuwagen, ist oft nicht richtig. Ganz im Gegenteil sind ältere PKWs oftmals leichter und damit CO2-sparender: Ein älterer Golf 3 wiegt viel weniger als ein heutiger Golf 5. Heute gehört die Klimaanlage oftmals zur Serienausstattung, und die Autos sind einfach größer als früher. Der technische Fortschritt schlägt sich nicht in reduziertem Spritverbrauch nieder, sondern in besserer Ausstattung und höherem Gewicht. Zudem wird die Umwelt auch durch die Produktion der neu verkauften PKWs belastet. Für die Umwelt kommt daher nichts dabei heraus. Daher hat sich auch der Bund für Umwelt und Naturschutz heute kritisch zu dem Programm geäußert und die sofortige Einstellung der Abwrackprämie gefordert.
Die Wegwerfgesellschaft wird zum gesellschaftspolitischen Ideal erhoben. Statt Umweltprämie hätte man auch den Namen Kulturprämie oder Solidaritätsprämie nehmen können – das hat mit der Verschrottung funktionsfähiger Autos genauso wenig zu tun wie der Umweltschutz, wäre aber weniger Augenwischerei gewesen – nichts Anderes ist der Name Umweltprämie.
Man muss kein großer Ökonom sein, um zu erkennen, dass es nicht sinnvoll sein kann, das Vernichten von Wertgegenständen (denn das sind funktionsfähige PKWs ja) zu belohnen. Vielleicht kommt auch noch jemand auf die Idee, den autonomen Zellen (oder wer auch immer in Berlin seit einiger Zeit PKWs anzündet), eine Abfackelprämie zu zahlen, als Belohnung für das Anschieben der Konjunktur. Das käme doch zum 1. Mai gerade recht (ok, etwas polemisch, zugegeben).
Ökonomisch ist die Abwrackprämie jedoch auch ohne die obige Polemik unsinnig. Erstens werden zwar heute Käufe von Neu- und Jahreswagen vorgezogen, diese Nachfrage wird jedoch in der Zukunft entfallen. In zwei bis drei Jahren wird die Nachfrage dementsprechend zurückgehen, die Gesamtnachfrage nach Autos über einen 5-Jahreszeitraum wird sich kaum verändern. Mehr Autos werden sich die Verbraucher wegen der Abwrackprämie kaum zulegen. Es wird lediglich ein Strohfeuer entfacht und nichts wirklich Nachhaltiges geschaffen. Letzteres wäre z.B. durch Investitionen in Infrastruktur und Bildung möglich. (Zum Vergleich: Die so genannte Exzellenzinitiative von Bund und Ländern zur Förderung wissenschaftlicher Spitzenleistungen hat für den Zeitraum von 2007 bis 2011 ein Volumen von 1,9 Mrd. Euro).
Zweitens profitieren, wenn überhaupt, vor allem ausländische Hersteller von dieser Subvention der deutschen Steuerzahler. Ein Großteil der nachgefragten Kleinwagen wird außerhalb von Deutschland produziert. Audi, Mercedes und BMW und deren Arbeitnehmer und Zulieferer haben so gut wie nichts davon. Im Gegenteil sie werden sogar eher darunter leiden. Warum? Durch die momentane Nachfrageverschiebung hin zu kleinen Neuwagen und Jahreswagen, weg von älteren Gebrauchtwagen (deren Angebot nahezu unverändert ist), sinkt der Marktwert dieser Wagen, d.h. Gebrauchtwagen erleben einen Wertverfall. Das heißt, wer heute einen Gebrauchtwagen verkaufen will, der zwischen zwei und acht Jahre alt ist, zahlt durch den Wertverfall jetzt schon indirekt für die Abwrackprämie.
Drittens wird mit der Prämie der Strukturwandel bei den Autohändlern behindert, welche momentan primär von der Prämie profitieren. Hingegen verlieren KfZ-Werkstätten durch das Abwracken alter Autos einen Teil ihrer Kundschaft. Diese unbeabsichtigten Nebenwirkungen sind weitere Kosten der Abwrackprämie. Weitere Nebenwirkungen hat die taz heute beschrieben.
Ja, aber soll man den Opel einfach vor die Wand fahren lassen, wurde ich heute auf Radio Eins gefragt. Natürlich ist der mögliche Bankrott von Opel ein soziales Problem, keine Frage. Aber: Durch die Abwrackprämie wird Opel doch gar nicht gerettet! Die Pleite wird bestenfalls hinausgezögert – wenn der Nachfrageeinbruch nach Auslaufen der Abwrackprämie kommt, trifft es die Automobilhersteller doch umso härter. Und selbst, wenn die Prämie nicht ausliefe, käme der Nachfrageeinbruch, wenn der Großteil des Bestandes an abwrackfähigen Autos verschrottet worden ist.
Insgesamt gesehen ist mit der Abwrackprämie ein Milliardenprogramm zur Finanzierung von ökologischem und ökonomischem Unfug aufgelegt worden. Der deutsche Steuerzahler kurbelt temporär die Autoproduktion in Ost-Europa an, bezahlt für die Vernichtung funktionsfähiger Autos und finanziert den Wahlkampf der Regierungsparteien, welche diesen Unfug als Erfolg verkaufen. Was der Steuerzahler davon hat: Nichts als jede Menge Schulden. Es ist eigentlich völlig unglaublich, wie hier Schulden gemacht werden, um ein Programm zu finanzieren, dessen hauptsächlicher Effekt darin besteht, Wertgegenstände zu vernichten.
“Pech für den, der Steuern zahlt und ein Auto jüngeren Datums fährt. Die Abwrackprämie ist ein bedenkenloses Geschäft zu Lasten Dritter.” (Süddeutsche)
“Es gab also schon immer eine staatliche Förderung unserer Premiumhersteller. Ihren deutschen Absatz subventionierte der Staat mit seiner allerdings so nicht titulierten Neuanschaffungsprämie. Das wird auch so bleiben – außer wenn unsere Ärzte auf den FIAT Panda umsteigen sollten.” (Weissgarnix)
“Für jede einzelne Hilfe finden sich Gründe, unter denen auch gute sind. Doch wird mit jeder weiteren Subvention das staatliche Netz um den Bürger enger gezogen und seine Abhängigkeit von den ‘Transferzahlungen’ vergrößert.” (FAZ)
“Die Leute werden mit öffentlichen Mitteln zum Ausgeben animiert (na schön), aber einseitig und damit absehbar zulasten von anderen Gütern oder Dienstleistungen, für die bald Geld fehlen dürfte.” (Frankfurter Rundschau)