#Andrew Sullivan

Warum ich nicht von Euch finanziert werden will

von , 8.1.13

Der amerikanische Blogger Andrew Sullivan will, wie Stefan Niggemeier berichtet, sein Blog nicht mehr von Werbung oder Investoren finanzieren lassen, sondern von den Leserinnen und Lesern. Hm,  ist das so eine gute Idee?

Ich hab, seit ich das gelesen habe, darüber nachgedacht, ob ich das wollen würde, und komme zu dem Schluss: Nein. Meiner Ansicht nach ist das nicht die Richtung, in die sich die Zukunft des Bloggens entwickeln sollte (und ich denke auch nicht, das es so kommen wird).

Ist denn eine Finanzierung durch Leserinnen und Leser wirklich eine “Unabhängigkeitserklärung”? Das glaube ich nicht. Ganz abgesehen davon, dass ich Unabhängigkeit generell für kein erstrebenswertes Ziel halte, ist das, worum es geht, natürlich überhaupt keine Unabhängigkeit, sondern eine Verschiebung der Abhängigkeit. Die Frage ist nämlich nicht, wie Bloggerinnen und Blogger unabhängig werden, sondern, wovon sie lieber abhängig sein möchten: Von Werbung, von Investor_innen oder von den Leser_innen? Oder vielleicht von noch etwas ganz anderem?

Klar ist: Jeder Mensch braucht Mittel zum Leben, heute ist das in der Regel Geld. Wenn wir für den Moment mal davon ausgehen, dass diese Mittel zum Leben im Fall von Blogger_innen direkt aus der Tätigkeit des Bloggens resultieren sollen (was ich nicht teile, dazu später mehr), dann würde ich unter den vorhandenen Optionen definitiv lieber Geld aus Werbung bekommen, als von Investor_innen oder Leser_innen. Warum?

Wenn Ihr, also die Leser_innen, mich bezahlen würdet, dann wäre mein Geldeinkommen unmittelbar verknüpft mit der Tätigkeit des Bloggens selbst. Unser Verhältnis würde dabei von einer Ebene des Schenkens auf eine Ebene des Tauschens übergehen. Wenn Ihr mich für das Bloggen bezahlen würdet, dann müsste ich unweigerlich beim Schreiben darüber nachdenken, ob das, was ich schreibe, euch auch gefällt – denn ihr habt ja dafür bezahlt. Und Ihr würdet beim Lesen unweigerlich darüber nachdenken, ob das, was ihr bekommt, den Preis auch wert ist. Ich glaube nicht, dass das eine gute Sache wäre.

Außerdem ist es beim Bloggen ja keineswegs so, dass nur ich den Input und die “Leistung” bringe, während Ihr nur passiv konsumiert. Ihr “investiert”, wenn man so will, eure Aufmerksamkeit, und ebenfalls die Zeit, die ihr zum Lesen braucht. Viele von euch schreiben inhaltsreiche und wertvolle Kommentare, die den Blog erst zum Blog machen. Viele von euch verlinken mich oder empfehlen mich in ihren Netzwerken. Gerechtigkeitshalber müsste ich also allen, die gute Kommentare schreiben, dann wieder einen Rabatt geben? Das Gute an Blogs (und das, was sie von den alten Medien unterscheidet) ist doch gerade, dass sie eine kollaborative Entwicklung von Ideen ermöglichen. Und wenn auch der “aktive” Part zwischen Bloggerin und Leserin nicht exakt gleich oder parallel zu sehen ist, so wäre das Verhältnis doch mit “Anbieter” versus “Kunde” ganz falsch beschrieben.

(Kleine Anmerkung: Die Geringschätzung der Bedeutung des Kommentarbereichs und die viel zu geringe Aufmerksamkeit, die diesem in Teilen der Blogosphäre, aber vor allem in den Kommentarbereichen der etablierten Medien zugemessen wird, bedroht derzeit meiner Ansicht nach die Schönheit des Internets viel mehr, als eventuelle Netzssperren, Leistungsschutzrechte und gated Communities, aber das wäre mal ein anderer Blogpost. Ich glaube aber, die teilweise Begeisterung für die Idee, das Verhältnis Bloggerin-Leserin in eines von Dienstleister-Kunde umzuwandeln, kann nur vor dem Hintergrund einer Geringschätzung des Kommentarbereichs überhaupt entstehen.)

Wie auch immer: Wenn ich mit meinem Blog schon Einkommen generieren müsste, wäre mir Werbung sehr viel lieber. Denn da wären der Inhalt meines Blogs und die Leistung, für die ich bezahlt würde, klar voneinander getrennt: Verkaufen würde ich dann nämlich nicht “Feminismus, der etwas wert ist”, sondern Impressionen und Klickzahlen. Den Werbetragenden wäre es relativ egal, was ich schreibe, Hauptsache, es hilft, für sie Aufmerksamkeit zu generieren. Das ist auch keine perfekte Konstruktion, wie ich finde, und die Gefahr der Anpassung an die “Wünsche der Kund_innen” bestünde ebenso, aber doch in viel geringerem Maße, als wenn es so direkt wie bei der Leser_innenfinanzierung verknüpft wäre.

Investor_innen wären so ein Mittelding, einerseits wäre die Trennung zwischen “Inhalt” und “Profit” ähnlich wie bei der Werbung, andererseits wären die Investorinnen oder Investoren aber viel weniger Menschen als bei der Werbung, ich wäre also von einer oder wenigen Finanzierungsquellen abhängig, während es bei der Werbung dezentralisiert wäre. Also: Unter den Bezahloptionen präferiere ich klar die Werbung (Angebot gerne hierher, lol).

Aber die Frage ist ja, ob es überhaupt notwendig ist, für das Bloggen bezahlt zu werden, oder direkt davon leben zu können. Dieses Mantra, dass sich der Journalismus oder die Kulturproduktion generell “neue Finanzierungsquellen” erschließen müsse, wenn die alten Modelle nicht mehr funktionieren, bestreite ich.

Ich finde, das Ganze gehört in einen viel größeren Rahmen dessen, wie wir ökonomische Verhältnisse postindustriell neu regeln möchten. Zum Beispiel kamen mir beim Nachdenken über leser_innenfinanzierte Blogs auch solche Gedanken: Viele von euch haben, soweit ich das beurteilen kann, weniger Geld zur Verfügung als ich. Ich verdiene mit meinen anderen Tätigkeiten (als bezahlte Redakteurin, Referentin, Autorin usw.) eigentlich schon genug, während eine ganze Reihe von euch noch studieren oder keine gut bezahlte Erwerbsarbeit haben. Wäre es da richtig, dass ich mir mit dem Bloggen NOCH eine Einkommensquelle erschließe, während Ihr mir von eurem wenigen Geld auch noch was abgebt?

Worauf ich hinaus will, ist, dass die Einkommensverhältnisse heutzutage eh schon sehr ungleich und weithin ungerecht verteilt sind, und der behauptete Zusammenhang von “Leistung” und “Einkommen” sowieso nicht besteht. Wir sollten diese Illusion nicht noch weiter künstlich am Leben halten, indem wir den Eindruck erwecken, “leistungsstarke” Blogs könnten sich finanzieren, “leistungsschwache” aber nicht. Außerdem ermöglicht mir das Bloggen ja sowieso schon, meinen “Marktwert” im Bezug auf andere Einkommensquellen zu erhöhen: Ich bin mehr Leuten bekannt, werde daher mehr “gebucht”, und so weiter.

Meiner Ansicht nach stellt sich gesamtgesellschaftlich durchaus die Frage, inwiefern Kulturproduktion innerhalb einer kapitalistischen Verwertungslogik gut aufgehoben ist. Das geht ein wenig in die Richtung der Unterscheidung, die Hannah Arendt zwischen Arbeiten, Herstellen und Handeln getroffen hat. Kulturproduktion fällt klar in den Bereich des Handelns, und deshalb ist es nicht dasselbe, ob ich für einen Stuhl, den ich “hergestellt” habe und verkaufe, Geld bekomme, oder für einen Blogpost (oder ein anderes Kulturprodukt), das mir ermöglicht, innerhalb der Gesellschaft politisch zu handeln.

Die Lösung kann meines Erachtens nur in einer tendenziellen Trennung von Arbeit und Einkommen bestehen – was generell vielleicht für alle Tätigkeiten gilt, aber bei der Kulturproduktion derzeit besonders augenfällig ist, weshalb wir daher dort vielleicht damit anfangen könnten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde dem Problem zum Beispiel besser gerecht.

Ich finde, dass es Kulturproduktionen gut tun würde, wenn sie unabhängig von “Profitabilitätsgedanken” getan würde, wenn also alle Menschen die Möglichkeit hätten, einen Teil ihrer Zeit damit zu verbringen – ohne deshalb zu verarmen, aber eben auch, ohne dass sie mit ihren “Kulturprodukten” Geld verdienen müssten. Ich glaube, das würde die Qualität von “Kulturprodukten” steigern.

Da wir aber nicht Hokuspokus jetzt ein Grundeinkommen einführen können, brauchen wir Zwischenschritte bzw. pragmatisches Umgehen mit den Bedingungen, die wir jetzt haben. Und da gibt es vielversprechendere Modelle als Leser_innenfinanzierung, die gerne in Kombination eingesetzt werden können.

Neben Werbung (gegen die, wenn sie nicht extrem nervt, aus meiner Sicht nicht viel einzuwenden ist, jedenfalls angesichts der derzeitigen Verhältnisse) und der Möglichkeit, Bloggen als unbezahltes politisches Engagement zu betreiben und sich den Lebensunterhalt anderweitig zu verdienen, gibt es ja inzwischen auch Experimente mit einer “Geschenkökonomie”. Also den Flattr-Button, die Paypal-Spende und so weiter. Das gefällt mir gut, und auch, wenn man damit nicht “reich” werden oder sich refinanzieren kann, so ist es doch ein kleiner Anteil im “Lebenshaltungskostenfinanzierungsmix” einer Bloggerin und daher nicht nichts.

Gut gefällt mir auch, was zum Beispiel Herr Buddenbohm macht, der sich von seinen Leserinnen und Lesern was schenken lässt – und zwar, weil das Schenken der Logik des Bloggens sehr viel besser entspricht als das Tauschen. Ich habe auch schon ab und zu über Paypal ein Geldgeschenk von Leserinnen und Lesern bekommen, oft zusammen mit einem Dankeschön, und mich darüber sehr gefreut.

Man muss sich dabei klar machen, dass es einen sehr großen Unterschied gibt zwischen solchen Geschenken von Leser_innen und einem Bezahlblog. Wenn mir eine Leserin ein Geschenk macht – sei es als Geld, oder sonstwie – gibt sie mir ein Feedback, das gerade wegen des Geschenkcharakters meine Freiheit beim Bloggen vergrößert. Das Geschenk ist – das macht ja den Geschenkcharakter aus – an keine Bedingung geknüpft, es ist freiwillig, und gerade deshalb macht es mich als Bloggerin frei, weiterhin das zu schreiben, was ich schreiben will. Der Tauschcharakter des Bezahlens hingegen würde genau diese Freiheit letzten Endes zunichte machen. Jedenfalls befürchte ich das.
 
Crosspost von Aus Liebe zur Freiheit

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