#EU-Kommission

Viviane Reding: Die clevere Kommissarin und die Rundfunkräte

von , 10.11.08

Reding befindet sich derzeit auf Werbetour für eine neue Richtlinie der EU-Kommission in Sachen öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Sei heißt hübsch nichtssagend “Rundfunkmitteilung” – was darin steht, kann man hier nachlesen. Die neue Mitteilung soll weitgehend die Haltung festschreiben, welche die EU-Kommission auch zuletzt gegenüber Deutschland vertrat: Rundfunkgebühren sind als staatliche Beihilfen (EU-Sprech für Subventionen) zu betrachten und müssen als solche von der EU-Kommission kontrolliert werden. Die Geldvergabe muß an einen Zweck geknüpft werden und dieser Zweck muss von möglichst externen Kontrolleuren überprüft werden.

Viviane Reding arbeitet sich an “Mythen” ab, Peter Müller nimmt es zur Kenntnis, Jürgen Doetz lauscht.

Die deutsche Tradition ist eine gänzlich andere. Und so gibt es seit neun Jahren einen wenig erquicklichen und inzwischen weitgehend langweiligen Streit zwischen Brüssel und den Bundesländern um die Regulierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Das jüngste Produkt dieses Streits ist der 12. Rundfunkstaatsvertrag – der versucht, irgendwie die gute alte analoge Medienordnung der Bundesrepublik mit den Vergaben aus Brüssel zu kombinieren. Überzeugend gelungen ist es nicht. Aber es herrschte seit Verkündung des Kompromisses im Oktober weitgehend Ruhe.

Bis jetzt. Denn am Montag trat Reding auf – angriffslustig und wenig geneigt, in die Kompromissitis der deutschen Medienpolitik einzustimmen. Reding sprach in der Saarländischen Landesvertretung, auf Einladung von Ministerpräsident Peter Müller, der sich gleich noch den schmissigen Titel “Europa contra ARD und ZDF?” ausgedacht hatte.

Reding ist seit neun Jahren EU-Kommissarin. In dieser Zeit hat Sie offenbar ganz genau gelernt, wie mit dem Euroskeptizismus umzugehen ist. Reding arbeitete sich an der europäisch-deutschen Medienpolitik ab, indem sie sich die großen fünf “Mythen” vornahm – und differenzierend zu entkräften suchte:

1. Brüssel mische sich zu sehr ein.
Reding: Stimmt nicht, wir machen nur, wozu wir rechtlich verpflichtet sind.

2. Brüssel sei nur an Wettbewerbspolitik interessiert.
Reding: Stimmt nicht, in Europa steht Kultur an extrem wichtiger Stelle.

3. Brüssel wolle den Öffentlich-Rechtlichen das Internet verbieten.
Reding: Stimmt nicht, die EU hat sogar eine Art Bestandsgarantie für öffentlich-rechtliche Online-Angebote gegeben.

4. Brüssel wolle Rundfunkräte abschaffen.
Reding: Stimmt nicht, die EU wünsche sich nur Rundfunkräte, die ohne Zweifel unabhängig über den Mehrwert der Angebote entscheiden.

5. Brüssel wolle den Fernsehanstalten die Frequenzen durch eine Zentralverwaltung wegnehmen.
Reading: Stimmt nicht, die Staaten sollen selbst erkennen, wie wichtig die “digitale Dividende” ist.

Reding betrieb in ihrer Rede extrem geschicktes Rezeptions-Management, eine diplomatische Einwickel-Strategie: Erst zitierte sie umfänglich alle Bedenken, so dass auch die Gegner zu nicken begannen. Darauf folgte Phase 2, in der die Bedenken in differenzierenden Gedankenschlaufen entkräftet werden. Am Ende hatte Sie ihre Position weitgehend gehalten – nur die Begründung wurde in den Köpfen der Zuhörer ausgewechselt.

Besonders deutlich wurde Reding in Bezug auf Rundfunkräte: “Wir brauchen für den Public-Value-Test unabhängige Schiedsrichter” mahnte sie. Sie habe Zweifel, ob die Rundfunkräte in der aktuellen Verfasstheit in der Lage seien, die Medienvielfalt auch gegen die Interessen der Anstalten zu verteidigen. Aber, so Reding in üblicher Manier einschränkend, das sei natürlich eine Entscheidung der Bundesländer. Sie könne nur sagen, dass eine Regelung, bei der eine größtmögliche Unabhängigkeit der Aufseher gewährleistet sei, auf Seiten der Kommission den größten Beifall finden werde.

Reding wandte sich auch gegen Werbung im öffentlich-rechtlichen Programm. Die Werbung verleite die Rundfunkanstalten, nach massenattraktiven Programmen zu streben. Ohne Werbung könnten sie ihren Public Value noch deutlicher herausstellen.

Insgesamt nannte Reding den 12. Rundfunkstaatsvertrag eine “gute Lösung”. Damit wurde klar, dass die Kommission sich allerhöchstens noch Präzisierungen vorstellen kann – aber sicher keine Entschärfung des Vertrags mehr. Ein Signal an die Landtage, die das Gesetz in den nächsten Monaten möglichst ohne Murren beschließen sollen.

Eine etwas merkwürdige Empfehlung gab Reding noch den öffentlich-rechtlichen Anstalten mit auf den Weg. Um in Zukunft Konflikte mit der EU zu vermeiden, wäre es sicher vorteilhaft, wenn sie häufig und intensiv über europäische Belange berichten. Man konnte das als Angebot zu einem kleinen medienpolitischen Ablasshandel betrachten: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk berichtet vermehrt über die EU und die EU zeigt sich den Rundfunkanstalten etwas gewogener.

Man sieht: Die EU mischt sich eigentlich überhaupt nicht ein in die Medienpolitik.

Nachtrag: Sehr gerne hätten wir einen Mitschnitt der Rede angeboten. Doch leider hat diesmal die Software noch nicht mitgespielt.

Nachtrag: Dank an Daniel Bouhs für den Hinweis auf der Redemanuskript. Hier der Text von epd Medien über die Rede.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.