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Verstoßen die Drosselpläne der Telekom gegen das Fernmeldegeheimnis des TKG? (Update)

von , 3.5.13

Update vom 4. April »

Die Telekom hat vor gut einer Woche angekündigt, auch für Festnetzinternetzugänge Volumenbeschränkungen (“integrierte Highspeed-Volumina”) einzuführen, mit der Folge, dass der Internetanschluss nach dem Verbrauch eines bestimmten Datenvolumens erheblich gedrosselt werden soll.

Nach aktuellen Pressemeldungen hat Niek Jan van Damme, Vorstandsmitglied der Telekom AG und Sprecher der Geschäftsführung der Telekom Deutschland GmbH, erklärt, man sei offen für Gespräche mit Marktgrößen wie YouTube. Wenn diese Anbieter direkt an die Telekom bezahlen, sei es denkbar, dass die Nutzung solcher Dienste das Datenvolumen der Nutzer/Kunden nicht aufbrauchen. Praktiziert wird dieses System von der Telekom bereits aktuell im Mobilfunkbereich für den Musikstreamingdienst Spotify.

Diese Aussage und Ankündigung wirft rechtliche Fragen auf, die über das hinausgehen, was aktuell rechtspolitisch unter dem Stichwort Netzneutralität diskutiert wird.

§ 88 TKG regelt das (einfachgesetzliche) Fernmeldegeheimnis, das Absatz 1 der Vorschrift wie folgt definiert:

 

Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche.

 

TK-Diensteanbietern wie der Telekom ist es nach § 88 Abs. 3 TKG ausdrücklich

 

untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Sie dürfen Kenntnisse über Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nur für den in Satz 1 genannten Zweck verwenden.

 

Wenn die Telekom allerdings die Nutzung bestimmter Dienste / Inhaltsangebote wie YouTube oder Spotify von dieser Volumenbegrenzung ausnimmt, dann setzt das voraus, dass die Telekom das Internetnutzungsverhalten jedes einzelnen Kunden genau aufzeichnet und auch ermittelt, welche Websites und Inhaltsangebote der Kunde im einzelnen aufruft und welches Datenvolumen hierbei anfällt. Anders lässt sich nämlich nicht bestimmen, ob und in welchem Umfang der Telekomkunde priviligierte Dienste wie Spotify nutzt.

Damit verschafft sich die Telekom Kenntnis vom Inhalt und den näheren Umständen der Telekommunikation. Die Telekom wird nun damit argumentieren, dies sei für die geschäftsmäßige Erbringungen ihrer TK-Dienste erforderlich. Aber lässt sich diese Ansicht wirklich vertreten? § 88 Abs. 3 TKG normiert grundsätzlich ein sogenanntes Kenntnisnahmeverbot des TK-Dienstleisters. Würde man sich nun auf die Argumentation der Telekom einlassen, dann hätte es der TK-Anbieter beliebig in der Hand, dieses gesetzliche Kenntnisnahmeverbot zu umgehen. § 88 Abs. 3 TKG wäre weitgehend ausgehöhlt. Das entspricht aber gerade nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.

Und hier sind wir dann auch beim Aspekt der Netzneutralität angelangt. Man wird es der Telekom grundsätzlich nach geltendem Recht nicht verbieten können, Flatrates durch Volumentarife zu ersetzen bzw. ab einem gewissen Volumen zu drosseln. Was § 88 TKG allerdings verbietet, ist die vollständige inhaltliche Analyse des Internetnutzungsverhalten der Kunden, mit dem Ziel, einzelne Internetdienste zu priviligieren. Für die Erbringung der TK-Dienstleistung ist es nicht erforderlich, zu analysieren, ob der Kunde YouTube oder Spotify nutzt.

Nach meiner Einschätzung verstößt damit bereits das, was die Telekom im Mobilfunk aktuell im Hinblick auf Spotify macht, gegen § 88 TKG.


 

Update vom 04.05.2013:

Die Kritik hier in den Kommentaren und ein Artikel bei Golem veranlassen mich zu einem Update, um meine Position nochmals zu verdeutlichen.

Ein Telekom-Sprecher wird bei Golem folgendermaßen zitiert:

 

Der Vorwurf ist Unsinn. Um Managed Services zu realisieren, müssen Sie nicht die Inhalte des jeweiligen Datenpaketes kennen. Managed Services können beispielsweise über einen separaten Datenstrom – wie bei Entertain – realisiert oder indem die Datenpakete markiert werden.

 

Diese Reaktion offenbart ein grundlegendes Missverständnis von Inhalt und Umfang des Fernmeldegeheimnisses. Für eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses ist es nicht erforderlich, vom Inhalt der Kommunikation Kenntnis zu nehmen. Es genügt vielmehr, wenn von den näheren Umständen der Kommunikation Kenntnis genommen wird. Zu diesen näheren Umständen gehört auch die Erfassung der Zieladresse einer Internetkommunikation oder die Markierung von Datenpaketen, die der Kunde angefordert hat.

Weil Provider das natürlich öfters machen und es in gewissem Umfang auch notwendig ist, von den näheren Umständen eines Kommunikationsvorgangs Kenntnis zu nehmen, erlaubt § 88 Abs. 3 TKG dies unter der Voraussetzung, dass das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes der technischen Systeme erforderlich ist.

Und genau damit ist die entscheidende Frage formuliert: Ist die Bevorzugung einzelner Dienste und die damit einhergehende Notwendigkeit der Kenntnisnahme von den näheren Umständen von Kommunikationsvorgängen tatsächlich erforderlich?

 
Crosspost von Internet Law

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