#Journalismus

Verlag, verlegt, ver…

von , 19.8.12

Um nicht missverstanden zu werden – ich trage keine Aversion gegen Journalisten mit mir herum, ich habe lange Zeit selbst so gearbeitet. Ich glaube nur, dass der alte Journalismus für das neue Medium nicht mehr taugt. Weil er für ein Zeitalter der Massenmedien entwickelt wurde, das heute im goldenen Abendlicht liegt, weshalb es Nostalgikern schöner erscheint, als es war. Die neue mediale Landschaft aber verlangt neue Stilformen, gewissermaßen einen ‚Postjournalismus‘: auch Journalisten sollten lernen, ‚nachjournalistisch‘ zu schreiben, weil es um ihre Zukunft geht. Sie werden nicht länger ‚vermarktet‘, sie müssen sich künftig selbst vermarkten.

Einiges spricht inzwischen für die Ansicht, die vor fünf Jahren noch als ‚exotisch‘ gegolten hätte. So hat die Bundeszentrale für politische Bildung, überspitzter Thesen unverdächtig, am 17. Juli 2012 einen Reader zum Thema „Qualitätsjournalismus“ veröffentlicht. In der Einleitung heißt es:

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Journalismus auf der personellen, der inhaltlichen und der symbolischen Ebene seine Relevanz, Reputation und Exklusivität eingebüßt hat.“

Die Frage, was „nach dem Journalismus“ kommt, wird damit legitim. Denn nicht nur das Berufsfeld erodiert, sondern auch die Subsistenzbasis derer schwindet rapide dahin, die sich als Neueinsteiger an die veränderten Chancen anzupassen suchen:

„2,93 Euro beträgt der durchschnittliche Stundenlohn im Segment „Presse, Rundfunk, Fernsehen“, wie eine aktuelle Studie belegt.“

Wenn der Journalist damit noch nicht einmal mehr den Stundenlohn einer Jungfriseuse in Vorpommern erreicht, dann lässt sich Journalismus kaum länger als „attraktiver Beruf“ bezeichnen, er wird auch nicht mehr „die Besten“ an sich ziehen. Als Ursache der Probleme, die Betroffene natürlicherweise immer drängender empfinden, wird einiges ins Feld geführt: Die „Renditesucht“ der Verleger, die Abwanderung des Anzeigenmarktes in die Gratisblättchen und ins Internet, eine verkommene Leserschaft, die nur noch nach immer neuen Aufregern giere, der degenerierte Journalistenstand selbst, der diesem Affen auch noch Zucker gebe… und, und, und. Derweil läuft die Prekarisierung eines traditionsreichen Berufsstandes weiter, dem es heute so geht, wie vor ihm schon den Setzern, den Bergarbeitern oder den deutschen Seeleuten.

Trotzdem werden Schreibende in einem weitgefassten Sinn natürlich weiterhin – und auch immerzu – benötigt. Was sich lockert, ist nur eine alte Symbiose, das Geschäftsmodell zwischen Autoren und Verlagen. Dieses Modell wurde gekündigt – und zwar von Seiten der Verleger. Ein schreibender Mensch, der von seiner Fähigkeit, Dinge plastisch auszudrücken, zukünftig leben will, der muss jetzt „nur“ lernen, ein Autor im Wortsinn zu werden: ganz „für sich selbst“ verantwortlich zu sein.

Erste Ansätze dafür gibt es bereits: Viele Schriftsteller haben sich aus der Knechtschaft der Lektorate befreit, sie veröffentlichen „jenseits der Verlagswelt“ – und gönnen sich statt der acht Prozent Tantiemen, die sie nach langem Bitte-Bitte vom Verlag erhalten hätten, satte 60 oder 80 Prozent vom Kuchen, was ihren Verlust an Auflage dann wieder ausgleicht. Dass durch fehlende Schranken auch das Indiskutable auf dem neuen Markt für E-Books und Books-on-Demand steigen wird, ist ebenfalls klar. Für Journalisten – oder „Tagesschreiber“ – rentiert sich der Umstieg auf verlagsbefreite Blogs aber zumeist noch nicht im alten Ausmaß.

Diese Frage will dieses Buch nicht lösen. Es geht auch nicht um SEO und andere Formen der Linkhurerei, die den Bekanntheitsgrad einer Internet-Residenz erhöhen sollen. Die These, die hier vertreten wird, lautet anders: Wenn wir tatsächlich in einer Medienrevolution leben, dann erfordert diese Revolution notwendigerweise eine andere Art zu schreiben. Wandelt sich der Journalist, ob er will oder nicht, zum Autor, und zwar zu einem internetgestützten Autor, dann muss er lernen, seinen Stil abseits der Trampelpfade Wolf-Schneiderscher Normschreibung zu entwickeln, um wieder schriftstellerischer und persönlicher zu erscheinen. Der alte, abgeleierte Katechismus – vermeide den grausigen Passivstil, die langen Sätze und das böse Adjektiv – das genügt dann einfach nicht mehr.

Zu diesem stilistisch-ästhetischen Thema wiederum findet sich – von der Friedrich-Ebert-Stiftung über den Medienbericht der Bundesregierung bis hin zu journalistischen Handbüchern – kein Wort in jenen Texten, die auf breiter Front den Niedergang des Journalismus noch eher beklagen, als dass sie ihm abhelfen würden…

Auszug aus dem Vorwort von Klaus Jarchows Buchprojekt. Wer schon mal reinschnuppern will, kann dies hier oder hier tun.

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