#Bundesverfassungsgericht

Verfassungsbeschwerde Mollaths erfolgreich

von , 6.9.13

Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde Gustl Mollaths stattgegeben und Entscheidungen des Landgerichts Bayreuth und des OLG Bamberg, die die Fortdauer der Unterbringung Mollaths in der geschlossenen Psychiatrie angeordnet hatten, aufgehoben. Trotz der zwischenzeitlichen Freilassung hat Mollath nach Ansicht des Gerichts ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung.

Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Beschluss vom 26.08.2013 (Az.: 2 BvR 371/12) schon davon aus, dass es bereits an einer ausreichenden Konkretisierung der angeblich von Mollath ausgehenden Gefahr künftiger rechtswidriger Taten fehlt. Diese Feststellung ist für mich wenig überraschend. Eine tatsachenbasierte Gefährlichkeitsprognose ist im Fall Mollath zu keiner Zeit angestellt worden.

Darüber hinaus finden entlastende Umstände, so das BVerfG, im Rahmen der notwendigen Prognoseentscheidung keine erkennbare Berücksichtigung, und es wird zudem nicht ausreichend dargelegt, dass die von Mollath ausgehende Gefahr das – angesichts der Dauer der Unterbringung – zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufwiegen kann.

Das BVerfG verweist schließlich auch darauf, dass es sich bei den vorgeworfenen Taten um Beziehungstaten gehandelt hat, die mehr als 10 Jahre zurückliegen. Insoweit hätten das Landgericht und das OLG klären und darlegen müssen, wie sich die zwischenzeitliche Scheidung und langjährige Trennung von der früheren Ehefrau auf die von Mollath ausgehende Gefahr ausgewirkt hat.

Oder einfacher formuliert: Man kann jemanden wegen derartiger Beziehungstaten nicht sieben Jahre lang wegsperren und gleichzeitig nur in schablonenhafter Weise eine fortgesetzte Gefahr für die Allgemeinheit unterstellen.

Wirklich bitter an dem Verfahren Mollath ist die offensichtliche und eklatante Fehlleistung des Landgerichts Bayreuth und des OLG Bamberg. Wenn man in einem derartigen Verfahren, in dem das Freiheitsrecht eines Menschen über Jahre hinweg beeinträchtigt wird, selbst von einem Oberlandesgericht keine fundierte und sorgfältige Verhältnismäßigkeitsprüfung mehr bekommt, dann liegt bei unserer Rechtsprechung einiges im Argen.

 

Update

Das Bayerische Justizministerium erklärte zum Fall Mollath am Donnerstag u.a. Folgendes:
 

Es ist wichtig, dass unser höchstes Gericht nun Klarheit geschaffen hat, welche Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen über den lange währenden Freiheitsentzug eines Menschen gelten. Das schafft ein Stück Rechtsklarheit und gibt unseren Gerichten Orientierung.

 
Dadurch wird der Eindruck erweckt, das BVerfG habe nunmehr erstmals für Rechtsklarheit in derartigen Fällen gesorgt. Das ist allerdings falsch. Das BVerfG hat die Unverhältnismäßigkeit von Maßnahmen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in den vergangenen Jahren mehrfach gerügt.

Gerade Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des OLG Bamberg wurden in einem anderen Fall in Karlsruhe erst mit Beschluss des BVerfG vom 04.10.2012 aufgehoben. Hätte man in Bayreuth und Bamberg die dort aufgestellten Kriterien auf den Fall Mollath angewandt, dann wäre man zwangsläufig zu dem Ergebnis gelangt, dass die Fortdauer der Unterbringung unverhältnismäßig ist.

Die Rechtsprechung des BVerfG im Fall Mollath ist also im Grundsatz keineswegs neu, nur wird sie bislang von bayerischen Gerichten – bewusst – ignoriert. Die Orientierung, von der das Ministerium spricht, hat das BVerfG schon längst gegeben.

 
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