#Finanzkrise

Startups in der Venture-Capital-Klemme: Öl ist das neue Internet

von , 8.12.08

Rezession und Finanzkrise treffen junge und innovative Firmen besonders hart. In einem konjunkturellen Abschwung werden Ausgaben auf das Nötige beschränkt: Unternehmen meiden riskante und langfristige Investitionsprojekte, z. B. zur Umsetzung neuer Technologien, und Konsumenten sind weniger bereit, mit neuen Produkten zu experimentieren. Dadurch wird es für Startups immer schwieriger, Abnehmer für ihre neuen und innovativen Angebote zu finden.

Hinzu kommt, dass sich die Finanzierungsbedingungen für innovative Startups verschärfen. Gerade in Europa lässt sich die hohe Abhängigkeit der Venture-Capital-Investitionen vom allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld beobachten. Bereits 2007 haben die Investitionen um rund 30% gegenüber dem Vorjahreswert nachgegeben.

In den USA war der Rückgang der VC-Investitionen bislang schwächer – das Investitionsvolumen lag im dritten Quartal 2008 nur um ca. 10% unterhalb des Vorjahreswertes. Allerdings spricht auch hier Vieles für eine schwierige nächste Zeit. Die kurzfristigen Renditen auf VC-Fonds sind zwischen Sommer 2007 und Sommer 2008 von 18% auf 5% gesunken. Das erschwert das Fundraising. Noch deutlicher ist die Lage bei den Exits. In den ersten 3 Quartalen 2008 wurden in den USA lediglich 6 Firmen mit VC-Unterstützung an die Börse gebracht. Im Vorjahreszeitraum waren es 55. Dabei gilt der Börsengang als lukrativste Form des Exits. Angesichts dieser Umstände, bereiten einige VC-Fonds ihre Portfolio-Unternehmen auf härtere Zeiten vor: Strikte Kostenkontrolle, ggf. Entlassungen, und früher kommerzieller Erfolg stehen nun auch bei den kreativsten Firmen im Lastenheft.

Während der New-Economy-Blase standen die jungen Internet-Startups des Silicon Valley und ihre Ableger in der alten Welt im Zentrum der Krise. Das ist gegenwärtig nicht der Fall, denn die Entwicklung der VC-Investitionen war nach dem Platzen der Blase gerade in den USA eher verhalten. In Europa hatten sich die VC-Investitionen stärker erholt – gleichwohl auf insgesamt niedrigerem Niveau. Entsprechend ist aber auch der derzeitige Rückgang deutlicher.

Seit der Jahrtausendwende haben sich die Investitionsschwerpunkte verschoben. Der Anteil der VC-Investitionen für IT, Software oder Telekommunikation ist erheblich  gesunken. Dafür fließt ein höherer Anteil in Startups mit Fokus auf Medizin, Biotechnologie und vor allem Energie. Damit folgen die Gründer den realwirtschaftlichen Trends und Knappheiten. Gerade die Klimadebatte und vor allem die bis in den Sommer 2008 explodierenden Ölpreise haben einen Boom bei den energiespezifischen VC-Investitionen ausgelöst. Ein Beispiel ist Tesla-Motors, ein kalifornischer Hersteller von Elektro-Sportwagen, der seit 2003 rund USD 150 Mio. an Venture Capital einsammeln konnte. Tesla verdeutlicht einmal mehr die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung innovativer Startups. Sie geben wichtige Impulse für eine breite Palette auch kapitalintensiver Branchen: Teslas Elektro-Roadster fahren bereits – das haben die etablierten Fahrzeughersteller nicht geschafft.

Aber der konjunkturelle Einbruch hat auch die Rohstoffmärkte getroffen. Der Preis für Öl ist seit dem Sommer 2008 um mehr als 50% gefallen. Das nimmt der Suche nach alternativen Energien gegenwärtig die Dringlichkeit und trifft besonders die Startups, die hier mit innovativen Ideen punkten wollen. Sie leiden neben den zyklischen und finanziellen Problemen zusätzlich unter branchenspezifischen Überinvestitionen. Auch Tesla musste inzwischen Standorte schließen, Mitarbeiter entlassen und die Einführung neuer Produktvarianten verzögern.

Dabei wäre es falsch, den häufig prozyklischen Charakter der Gründerszene – sowohl konjunkturell als auch thematisch (Internet, Web 2.0, Energie) – grundsätzlich zu verteufeln. Eine gute Konjunktur liefert häufig die nötige Portion Zuversicht, die Unternehmensgründer brauchen. Zudem verbreiten sich neue Ideen und Erfahrungen schneller, wenn viele Firmen an ähnlichen Fragestellungen arbeiten. Es ist kein Zufall, wenn sich innovative Unternehmen, wie im Silicon Valley, dicht beieinander ansiedeln.

Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer erwartbar schwachen Gründungsdynamik treffen vor allem das Trendwachstum, weniger den Zyklus. Ohne innovative Startups heute fehlen morgen die neuen Produkte, mit denen sich Wettbewerbsfähigkeit und technologische Führung sichern lassen. Daher gilt es Überreaktionen zu vermeiden, trotz des verständlichen Impulses, im Abschwung allen Risiken zu entsagen.

Thomas Meyer ist Analyst für Venture Capital-Fragen bei Deutsche Bank Research. Der Text erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Autors. Die Ursprungsversion finden Sie hier.

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