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Urhebervertragsrecht: Durchsetzung der angemessenen Vergütung ermöglichen

von , 15.3.13

Naturgemäß, dies ist seit Jahrzehnten klar, sind Kreativschaffende wie KünstlerInnen, MusikerInnen, SchauspielerInnen und JournalistInnen ihren Vertragspartnern wirtschaftlich und organisatorisch unterlegen. Dieses Verhandlungsungleichgewicht, welches in der Regel zu Lasten der Urheberinnen und Urheber ausfällt, führt auch heute noch zu krassen Vergütungsmissverhältnissen. Daher ist es Aufgabe des Urhebervertragsrechts, dieses wirtschaftliche Ungleichgewicht zu Lasten der UrheberInnen auszugleichen.

Schon die Urheberrechtsreform im Jahr 2002 hatte diese Zielrichtung eingeschlagen und dafür einen entscheidenden Punkt in das Urhebergesetz etabliert: den Anspruch des Urhebers bzw. der Urheberin auf eine angemessene Vergütung. Nach über einem Jahrzehnt Praxistest ist allerdings deutlich geworden: Von einer angemessenen Vergütung der UrheberInnen ist man in vielen Bereichen noch weit entfernt. Noch immer scheint es den UrheberInnen zumeist nicht möglich, ihren gesetzlichen Anspruch auch zu realisieren. Der Markt ist übersättigt, das Angebot journalistischer Arbeitskräfte groß, so dass die Verwerterbranche weiterhin ihre Bedingungen diktieren kann.

Der Anspruch im Gesetz ist da sogar an mehreren Stellen kodifiziert (1). § 32 UrhG gibt UrheberInnen das substantielle Recht, dass die vertraglich vereinbarte Vergütung angepasst werden muss, soweit diese nicht angemessen ist. Prozessual ist dieser Anspruch zwar gegenüber dem im Referentenentwurf von 2002 ursprünglich vorgeschlagenen gesetzlichen Anspruch ein wenig aufwändiger, da UrheberInnen bei letzterem direkt auf Leistung, beim vertraglichen Anspruch zunächst auf Vertragsanpassung und dann erst auf Leistung klagen können. Allerdings löst auch der gesetzliche Anspruch nicht das Kardinalproblem, dass im Verweigerungsfall der Vertragspartner stets die Unangemessenheit der Vergütung bestreiten wird – und das kann dann ohnehin nur das Gericht klären.

Diese Frage aber ist kompliziert: Was ist angemessen? Das Verfahren nach §§ 36, 36 a UrhG sollte die Beantwortung erleichtern, denn danach sollten die jeweiligen Verbände gemeinsam Vergütungsregeln für die einzelnen Branchen erarbeiten. Leider ist das Verfahren für diese Vergütungsregeln nach anhaltendem Protest der Verwerterseite bei der Urheberrechtsreform lediglich als nicht verbindlich aufgenommen worden – jede Seite kann am Ende durch einfachen Widerspruch das Ergebnis blockieren und eine Einigung verhindern. In der Folge sind die gemeinsamen Vergütungsregeln, die in den 11 Jahren seit der Reform entstanden sind, auch an einer Hand abzuzählen.

Gemeinsame Vergütungsregeln stellen aber einen überaus wichtigen Maßstab für die Vertragsparteien dar, was im Einzelnen als angemessen betrachtet werden kann. Sie geben nicht nur den Gerichten, sondern auch den beteiligten Parteien einen Anhaltspunkt und können daher auch den Streit vor Gericht überhaupt vermeiden helfen.

Dementsprechend identifizierte kürzlich schon Till Kreutzer in seinen Vorschlägen zur Modernisierung des österreichischen Urhebervertragsrechts als wesentliches Manko des deutschen Urhebervertragsrechts die fehlende Durchsetzbarkeit der angemessenen Vergütung. Als Lösung schlug er die Verbindlichkeit des Einigungsverfahrens auf gemeinsame Vergütungsregeln vor (2) – vorzugshalber durch Festlegung einer staatlichen Stelle, wie etwa des Schiedsgerichts nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz.

Nebenbei bemerkt: Die wesentlichen Vorschläge der Studie von Kreutzer setzen neben einem verbindlichen Schiedsgerichtsverfahren für gemeinsame Vergütungsregeln zur Durchsetzung des Anspruchs auf angemessene Vergütung auf einen sog. Fairness-Paragraphen, wie er im deutschen UrhG in § 32 a UrhG kodifiziert ist, und eine Open-Access-Klausel, die es AutorInnen wissenschaftlicher Werke ermöglicht, ihre Werke trotz Rechteverkauf nach einer gewissen Zeit ins Internet stellen zu können. Letzteres ist schon seit langem Beschlusslage der grünen Bundestagsfraktion (BT-Drs. 17/7031) und wurde in der Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ gegen die zuvor jahrelangen Widerstände der Koalition zum All-Fraktionen-Verhandlungsergebnis gemacht. Eine Open-Access-Klausel ist zumindest – wenn auch in einigen Punkten abgeschwächt – für den ansonsten sehr abgespeckten Referentenentwurf für den Dritten Urheberrechtskorb angedacht.

Forderungen nach Beschränkungen der Rechteübertragungen müssen indes differenziert betrachtet werden. Das professionelle Geschäft kultureller Verwertungen ist durch die heutigen technischen Möglichkeiten nicht nur schnelllebig, sondern bietet eine Vielzahl an Verwertungsmöglichkeiten. Um diesem Anspruch zu genügen und sich rechtlich abzusichern, streben Verwerter häufig umfangreiche, wenn nicht umfassende Rechteeinräumungen an (Total-Buy Out). Diese Rechteauswüchse werden überwiegend gar nicht verwertet, insbesondere weil in der Regel die tatsächliche Möglichkeit fehlt. Ein Verlag lässt sich das Senderecht übertragen – wofür? Der Ruf nach dem Gesetzgeber, dieses Gebaren einzudämmen, liegt daher auf der Hand. Nichtsdestotrotz sind viele UrheberInnen nicht gegen eine umfassende Rechteübertragung, solange sie angemessen vergütet wird.

An diesem Gedanken hat der grüne Antrag zum Urhebervertragsrecht angesetzt (Verhandlung auf Augenhöhe – Das Urhebervertragsrecht reformieren, BT DS 17/12625). Die angemessene Vergütung bildet in jeder Hinsicht das Kernstück eines gerechten Urhebervertragsrechts. Nur, wenn die kreative Leistung angemessen honoriert wird, bleibt kulturelle und kreative Arbeit auch weiterhin möglich. Entsprechend der fraktionsübergreifenden Handlungsempfehlung der Enquete-Kommission sieht der Antrag als wesentlichen Handlungspunkt vor, das Verfahren für gemeinsame Vergütungsregeln verbindlich zu machen, damit für die einzelnen Branchen endlich greifbare Maßstäbe für angemessene Vergütungen bestehen, auf die sich alle UrheberInnen berufen können.

Flankierend dazu stärkt der Antrag sowohl die Informations- als auch die Organisationslage der UrheberInnen. Mit Hilfe eines Auskunftsrechts sollen sich UrheberInnen über das Ob und Wie ihrer Verwertung informieren können – und somit ihren möglichen Anspruch auf weitere Vergütung einschätzen können. Ein Auskunftsrecht war ursprünglich auch im Referentenentwurf vorgesehen.

Des Weiteren stehen Kreative zumeist als Einzelpersonen Unternehmen als ihren Vertragspartnern gegenüber. Sie sind daher schon an sich in einer schwächeren Position – auch im Streitfall. In dieser Hinsicht fordern wir, dass Vereinigungen von UrheberInnen die Möglichkeit erhalten, die angemessene Vergütung ihrer Mitglieder auch gerichtlich erstreiten zu können. Auf diesem Weg soll auch organisatorisch eine Besserstellung erfolgen.

Der grüne Antrag setzt mit diesen drei Punkten den Schwerpunkt auf die angemessene Vergütung.

Wichtig ist unseres Erachtens nicht, wie genau die Zahlungen an UrheberInnen ausgestaltet sind – ob als Einmalzahlung oder Dauerzahlung oder gestaffelte Zahlung. Das sind Punkte, die je nach Vertragskonstellation den Parteien überlassen sind. Sollte aber die Vergütung – sei es insgesamt oder durch ihre Ausgestaltung im Einzelnen – nicht angemessen sein, können Urheberinnen und Urheber ihren Anspruch der angemessenen Vergütung gemäß §§ 11 S.2 , 32, 32 a und 32 c UrhG mit Hilfe von gemeinsamen Vergütungsvereinbarungen, einem Auskunftsanspruch und der im Zweifelsfall auch gerichtlichen Unterstützung ihrer Verbände besser realisieren.
 

(1) Als Leitbildfunktion des gesamten Urheberrechts in § 11 S.2 UrhG, dass der Urheber an jeder wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes zu beteiligen ist. Dies ist auch im Rahmen der AGB-Prüfung zu beachten. In § 32 als vertraglicher Anspruch auf Anpassung des Vertrages hin zu einer angemessenen Vergütung; in §§ 32a und 32c, die bei später eingetretenem Erfolg oder Verwertung von unbekannten Nutzungsarten eine weitere Vergütung zusichern.
(2) http://irights.info/in-eigener-sache-vorschlage-zum-urhebervertragsrecht/9827
http://irights.info/ideen-fur-eine-zukunftige-regulierung-kreativer-guter/9809#footnote-2

 

Tabea Rößner ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort ist sie Mitglied im Ausschuss für Kultur & Medien, der Enquete-Kommission „Internet & digitale Gesellschaft“, Obfrau im Unterausschuss „Neue Medien“ und medienpolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

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