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Urheberrecht: Die Reformvorschläge der SPD

von , 23.5.12

Wie so oft beim (nicht mehr ganz so großen) Tanker SPD geht es auch mit diesem Thesenpapier „in die richtige Richtung“. Doch die erforderliche Kursänderung fällt angesichts des Eisbergs Internet noch etwas zaghaft aus.

Erfreulich ist, dass sich die Netzpolitiker in einigen Punkten Gehör verschaffen konnten, in anderen Themenfeldern fehlt noch die volle Wahrnehmung der Realitäten. Zieht man das übliche Blabla bei solchen Thesenpapieren ab, bleiben als Kernforderungen übrig:

„These 3: Die SPD tritt dafür ein, den Urheber im Verhältnis zum Verwerter zu stärken. Das seit 10 Jahren geltende Urhebervertragsrecht soll die strukturell schwächere Position des Urhebers in den Vergütungsverhandlungen mit dem Verwerter ausgleichen. Damit das in der Praxis gelingt, müssen die im Gesetz vorgesehenen Konfliktlösungsmechanismen wirksamer gestaltet und um effektive Kontroll- und Sanktionsinstrumente ergänzt werden.“

Die Stärkung des Urhebers durch das Urhebervertragsrecht fällt insgesamt eher flau aus. Kein Wort zu den weit verbreiteten Buyout-Verträgen, kein Vorschlag, die Exklusivrechte von Verwertern zeitlich, räumlich oder medial zu begrenzen. Die ausformulierte These bezieht sich allein auf den skandalösen Umstand, dass die Presseverlage die bisherigen Verhandlungen über “gemeinsame Vergütungsregeln” notorisch verschleppen, um sie anschließend nicht einmal einzuhalten. Hier braucht es neben einer klaren Fristsetzung auch ein Verbandsklagerecht und spürbare Sanktionen bei Nichteinhaltung.

„These 5: Eine allgemeine, pauschale Kulturflatrate ist als Modell, Urhebern eine Vergütung aus der nichtkommerziellen Weitergabe und Vervielfältigung von digitalen, urheberrechtlich geschützten Werken zu gewähren, keine geeignete Lösung. Denn eine solche Zwangsabgabe würde zu einer erheblichen Belastung auch derjenigen führen, die das Internet nur in geringem Umfang nutzen.“

Mit der „Zwangsabgabe“ der Rundfunkgebühren scheint die SPD ja weniger Probleme zu haben. Auch die bereits im Urheberrecht verankerte Leermedienabgabe wird von der SPD nicht als “ungeeignet” gebrandmarkt. Insofern ist die pauschale Ablehnung einer Netz-Pauschale unnötig ideologisch motiviert und nicht sehr überzeugend. Sinnvoller wäre es gewesen, die von verschiedenen Seiten vorgeschlagenen Pilotprojekte zur Erprobung unterschiedlicher Modelle der Privatkopie-Vergütung zu unterstützen. Denn was Befürwortern wie Gegnern von Kulturflatrates nach wie vor fehlt, sind empirische Grundlagen für ihre Argumente. Grüne und Linke sind in diesem Punkt etwas weiter, die Piraten überlegen noch, was sie fordern sollen.

„These 7 und 8: Eine flächendeckende Inhaltefilterung des Datenstroms oder eine Sperrung des Internetzugangs lehnen wir ebenso ab wie die Einführung eines Warnhinweismodells. Die SPD spricht sich gegen jede Form eines staatlichen two- oder three-strikes-Modells und gegen eine rein private Rechtsdurchsetzung bei Urheberrechtsverletzungen aus…. Dem Abmahnmissbrauch muss Einhalt geboten werden. Die SPD tritt deshalb für eine effektive Begrenzung des Streitwerts bei einmaligen, geringfügigen Urheberrechtsverstößen ein.“

Na, das ist doch mal eine klare und deutliche Ansage. Zu ihrem Kernthema Verbraucherpolitik könnte der SPD freilich noch etwas mehr einfallen. Die Fragen der Schutzfristen und der Gemeinfreiheit von kulturellen Schöpfungen werden sorgsam ausgeklammert.

„These 10: Die Einführung eines eigenen Leistungsschutzrechts in der derzeit diskutierten Form ist … nicht erforderlich.“

Auch das ist eine (zumindest für die SPD) überraschend deutliche Aussage zu dem seit Jahren hinter verschlossenen Türen geplanten Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Es fragt sich allerdings, was mit der „derzeit diskutierten Form“ gemeint sein könnte, denn die Vorstellungen der Verleger sind ja noch nicht so eindeutig fixiert. Ein Hintertürchen für ein Ja zu einem modifizierten Leistungsschutzrecht bleibt der SPD in der nächsten Großen Koalition also offen.

„These 11: Wir brauchen ein Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Autoren, die ihre Beiträge neben der Verlagspublikation z.B. auf den Seiten der Hochschule zugänglich machen wollen… Insbesondere die Intranetnutzung in Schulen und Hochschulen muss dauerhaft auf eine rechtssichere Grundlage gestellt und die Schrankenbestimmung für die öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung entfristet werden.“

Beides ist überfällig. Hier hätte weniger Zaghaftigkeit und ein deutlicheres Bekenntnis zum Recht der Öffentlichkeit auf besseren, schnelleren und billigeren Zugang zu meist mit Steuergeldern produziertem Wissen gut getan. Sperrfristen sind in der Wissenschaft ebenso kontraproduktiv wie überkomplizierte Schrankenregelungen zugunsten von Bildungseinrichtungen.

„These 12: Hat eine sorgfältige Suche nach dem Rechteinhaber ergeben, dass dieser nicht feststellbar ist, soll gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung die Lizensierung durch Verwertungsgesellschaften ermöglicht werden.“

Das ist ein vernünftiger Kompromiss in der Frage ‘Was passiert denn nun mit verwaisten Werken?’ – vorausgesetzt, die Verwertungsgesellschaften handeln tatsächlich – wie von der SPD angestrebt – “transparent”. Unbeantwortet bleibt die Frage, welche Instanz die „Sorgfalt” der Suchenden überprüfen könnte.

Insgesamt hat die SPD-Fraktion ein Papier vorgelegt, das Dialogbereitschaft signalisiert. Das ist im Zeitalter der Positionspapier-Bekenntnisse und Wutreden ja keineswegs selbstverständlich.

 

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