#Aufmerksamkeitsökonomie

Unpolitische Parteilichkeit

von , 24.2.14

„Die Medien haben politisch agiert“ ist das Zitat aus der Dokumentation einer APOS-Fachtagung über „Medien im Wahlkampf“, das die Runde macht. Aber die Diskussion und ihre Dokumentation sind viel bunter.

„Wir sprechen nicht über das Zentrum des Erfolgs, wenn wir über den Medienfaktor reden. Die Medien haben auch diese Wahl nicht entschieden“ sagen die Strategieberater und Initiatoren der Fachtagung Joachim Raschke und Ralf Tils.

Ralph Obermauer, Referent beim Grünen-Fraktionsvorstand, schreibt: „Medien sind faktisch die wichtigste Bühne des Wahlkampfes. Der Einfluss derer, die den Zugang zur Bühne und die Bedingungen des Auftritts kontrollieren ist enorm.“

„Es gab keine great conspiracy, keine aus den Verlagshäusern gesteuerten Kampagnen und auch keine gänzlich neuen Muster der Berichterstattung“, sagt Thymian Bussemer.

Dass die Massenmedien zugleich „Medium und Faktor“ politischer Kommunikation sind, ist verfassungsrechtlich verbrieft. Die Aufregung über die Parteilichkeit der Medien gilt zum einen einer Banalität, zum anderen bedient sie irreal gewordene Deutungsmuster.

Die Banalität: Seit Menschen- und Bürgerrechte durchgesetzt sind, ist die öffentliche Darstellung der Politik selbst ein Teil der Politik. Denn die Meinung des Volkes, gewiss auch beeinflusst durch die Massenmedien, hat Auswirkungen auf die Machtverhältnisse – mindestens am Wahltag auf die Auswahl der Kandidaten und Parteien, die regieren dürfen oder opponieren sollen. Dieser Zusammenhang zwischen Veröffentlichungen über die Politik und Einfluss auf die Politik ist bekannt und gewollt, er ist unter der Bezeichnung öffentliche Meinung ein Element demokratischer Staatsverfassungen.

Vor dem Hintergrund dieser „automatischen“ politischen Auswirkungen medialer Berichterstattung und Kommentierung lesen, sehen und hören die Akteure der Politik alle Publikationen unter der Fragestellung: Nützt es oder schadet es uns? Und dabei neigen sie dazu, den vermuteten Nutzen oder Schaden als redaktionelle Absicht, als gewollte Einflussnahme zu deuten. Vielleicht haben die Journalistinnen und Journalisten einfach nur ihren Job gemacht?

Aber das sind gestrige Schlachten, geführt von Politikern und parteipolitisch Interessierten, die sich weigern, den Relevanz-Rückgang der Politikerpolitik wahrzunehmen – in den Medien wie in den Köpfen des Wahlvolks, von dem rund ein Drittel gar nicht wählt. Bleiben wir bei den Medien.

Die Irrealität: Auffallen müsste ein interessanter Widerspruch. Einerseits ist sich die medienwissenschaftliche Forschung ziemlich einig, dass sich heutige Redakteurinnen und Redakteure in der Regel nicht als Parteigänger sehen. Mit den Worten von Maybrit Illner: „Die Journalisten meiner Generation sind vielleicht einfach pragmatisch. Sie dienen sich keiner Partei an, sind keine verkappten Missionare, sondern verstehen sich als Beobachter.“

Andererseits kommt man um den Befund nicht herum: Die BILD-Medien sowieso, aber auch Spiegel und Focus, Tageszeitungen aller Couleur, Hörfunk- und TV-Sender machen mit gestiegener Bereitschaft aus Informationen Meinungen und aus Meinungen parteiliche Positionierungen. Die Neigung, ‚crossmedial‘ kampagnenartig zu publizieren, ist nicht zu leugnen.

Meine These ist, dass hinter der Parteilichkeit weder eine Politisierung der Verlage und Sender noch der Redaktionsmitglieder steckt.

Was stattfindet, ist die Transformation des Journalismus in einen Publizismus, dem es darauf ankommt, Publikum zu produzieren; ein Publikum, dessen Aufmerksamkeit – nachprüfbar an Auflagen, Quoten, Klickraten – sich weiterverkaufen lässt auf Werbe- und Konsummärkten. Dafür ist Politik nur personalisiert, skandalisiert und pointiert parteilich zu gebrauchen. Dass Massenmedien Partei ergreifen, hat weniger mit parteipolitischen Präferenzen, mehr mit den Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie zu tun. Das politische Spitzenpersonal bildet sich ein, von diesem Publizismus wichtig genommen zu werden, dabei wird es nur instrumentalisiert, wie die Stars des Sports und die Prominenz des Kulturgeschäfts.

Das Vertrackte, sofern die These zutrifft: Wenn der Konkurrenzkampf um weiterverwertbares Publikum dahintersteckt, dann ist den Parteilichkeiten der Medien mit Appellen an journalistische Fairness nicht beizukommen, mit dem Ruf nach politischer Vernunft schon gar nicht. Denn weder Journalismus noch Politik haben in diesem Spiel Trümpfe in der Hand.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.