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Übergangsformen zum Ende des gedruckten Buches

von , 7.5.09


Geht das Zeitalter des gedruckten Buches, das immerhin auf eine enorme Tradition zurückblicken kann, allmählich zu Ende? Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, sieht uns schon auf dem besten Weg in die papierlose Gesellschaft (”paperless society”), wie die New York Times leicht pikiert feststellen muss.

Er könnte aber recht haben, denn nicht nur sein Unternehmen arbeitet intensiv an Techniken, Medien und Geschäftsmodellen, die uns vom “Ballast” des bedruckten Papieres befreien sollen. Allerdings zeigt der konkrete Blick auf den Alltag der Menschen, dass wir damit doch noch nicht so weit gekommen sind.

Thomas Hawk hat in der U-Bahn von San Francisco (BART) Pendler (nicht repräsentativ) beobachtet und wurde überrascht: Zeitungen und ganz normale Bücher haben immer noch einen hohen Stellenwert, selbst im Herzen des Silicon Valley. Immerhin 31 % der Pendler lasen auf Papier, gegenüber nur 15 %, die elektronische Medien nutzten.

Bemerkenswert ist da schon eher, dass der Medienwandel Übergangsformen herausbildet, bei dem Altes in neuer Form erscheint oder das Neue in die alten Gewänder schlüpft (wenn etwa die Wikipedia ausgedruckt als Buch verkauft wird).

Amazon Kindle DX

Von Amazon gibt es jetzt einen Kindle mit größerem Bildschirm, genannt Kindle DX (= Deluxe). Er ist vor allem für das Lesen von universitären Lehrbüchern (”Textbooks”) gedacht, kann aber auch für die schon bekannten Abos von Zeitungen genutzt werden.

Kindle DX from AlleyInsider on Vimeo.

Was beim Betrachten des Videos sofort auffällt, ist, dass der Kindle praktisch nur das Papier ersetzt, ansonsten aber sehr nahe am Medium Buch bleibt. Als Übergangslösung ist das sicher nicht schlecht. Auf längere Sicht aber werden “Lehrbücher” sicher anders aussehen und die multimedialen Möglichkeiten des Internets stärker nutzen.

So dürfte das Fachbuch der Zukunft Grafiken enthalten, die dreidimensional und / oder interaktiv ausgelegt sind. Statt Fußnoten werden Links integriert und neben langen Texten werden Videos oder Podcasts für Auflockerung sorgen bzw. die Didaktik verbessern.

So gesehen ist dieser Kindle nur ein interessanter Zwischenschritt bzw. eine Übergangslösung. Immerhin scheint er von seinen Fans intensiv genutzt zu werden: Bis zu 35 % von Buchverkäufen sollen schon auf die digitale Version entfallen, so diese für einen Titel verfügbar ist, gab Jeff Bezos bekannt.

BookGlutton

Ebenfalls in die Rubrik Übergangsformen stufe ich BookGlutton ein (via Leander Wattig). Hier handelt es sich um ein Widget, das sich leicht in Blogs einbinden lässt (vergleichbar dem Videoplayer von YouTube). Die Inhalte sind hier aber Bücher.

Das Konzept ist schön gedacht und umgesetzt. Nur stellt sich die Frage, wer auf einem Blog oder einer Website anfangen soll, ein ganzes Buch zu lesen. Ein (kurzes) Video schaut man sich sicher gerne an, das Lesen eines Buches aber kann Stunden bzw. Tage beanspruchen. Eine Website bzw. ein Blog ist daher sicher nicht der passende Ort für die Lektüre längerer Texte.

Fazit

Noch bilden gedruckte Bücher einen Markt, der in seiner Größe weder vom Amazon Kindle noch von einem Widget wie BookGlutton ernsthaft in Frage gestellt wird. Es ist aber auch unübersehbar, dass wir jetzt in ein Zeitalter des Übergangs eintreten, in dem die Strahlkraft des Alten nachlässt, das Neue ganz allmählich im Alltag sichtbar wird und Formen bzw. Rituale des Übergangs sich herausbilden.

Matthias Schwenk bloggt auch auf bwl zwei null.

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