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Treibhausgasemissionen – eine Leerstelle im Energiewende-Monitoring

von , 23.12.12

Am 19. Dezember präsentierten Bundesumweltminister Altmaier und Bundeswirtschaftminister Rösler den ersten regierungsamtlichen Monitoring-Bericht zur Energiewende. Zugleich legte auch die von der Regierung beauftragte Expertenkommission ihre Analyse vor, als „Stellungnahme zum ersten Monitoring-Bericht der Bundesregierung“. In der medialen Berichterstattung dominierten Bilder vom gemeinsamen Auftritt der Minister, die Experten-Stellungnahme ging beinahe ein wenig unter. Dass die Bewertung des Umsetzungsstands der Energiewende in beiden Berichten weitgehend positiv ausfällt, kann kaum verwundern. Wäre es anders, hätten die Kommunikationsverantwortlichen der Ministerien die falsche Berufswahl getroffen. Und selbst dort, wo Kritik im Detail angebracht ist, bleibt der in diesen Tagen häufig vorgebrachte Hinweis richtig, dass es sich bei der Energiewende um einen Langstreckenlauf handelt, der nicht auf den ersten 100 Metern entschieden wird.

Das Interessanteste an beiden Berichten ist ohnehin, worüber nicht oder nur am Rande gesprochen wird. Angesichts des dominanten energiepolitischen Diskurses, der hierzulande fast ausschließlich den Atomausstieg und den Ausbau der Erneuerbaren im Stromsektor thematisiert und das Klimathema in seiner Bedeutung mehr und mehr zurückfährt, muss es erstaunen, dass die Expertenkommission bei dem Versuch ca. ein Dutzend Teilziele in einen hierarchisierten Zusammenhang zu bringen (S. 6ff.), ausgerechnet die „Reduktion der Treibhausgasemissionen“ als eines der beiden Oberziele der Energiewende identifiziert, aus denen sich alle weiteren Teilziele und Maßnahmen ableiten:
 

Zielhierarchisierung der Energiewende

Zielhierarchisierung der Energiewende
Quelle: Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“


 

Eine solche „Zielhierarchie der Energiewende“ lässt sich in der Tat nur empirisch rekonstruieren, da sie bislang in keinem offiziellen Dokument geliefert worden ist. Insofern ist allein der Versuch zu loben, eine solche Hierarchisierung überhaupt einmal vorzunehmen – oder muss man sagen: vorzuschlagen? Denn wenn Emissionsreduktionen eines der beiden Oberziele wären, warum wird eine Analyse der Fortschritte und des bis 2020 noch zu Leistenden im Monitoring-Bericht der Bundesregierung nur am Rand (S.78 ff.) und in der Stellungnahme der Expertengruppe überhaupt nicht geleistet?

Die Begründung der Experten, die Treibhausgasreduktionsziele von 40% bis 2020 und 80-95% bis 2050 (jeweils gegenüber 1990) seien „gesetzt und daher nicht Gegenstand der […] Ausführungen“, ist nicht wirklich überzeugend. Vor allem, wenn man weiß, dass die bis 2011 erreichte Minderung von 26,4% auch auf eine Reihe von Sondereffekten zurückzuführen sind (v.a. Zusammenbruch der Industrie in Ostdeutschland nach der Wende und einen milden Winter Ende 2011) und die bis 2020 noch zu leistenden 13,6% nicht ohne Verstärkung der Anstrengungen zu erreichen sein wird.

Dies seit dem Beschluss des Atomausstiegs unter erschwerten Bedingungen, denn ein Teil des ausfallenden Atomstroms wurde bislang durch Kohlestrom ersetzt. Der Anteil von Stein- und Braunkohle am deutschen Energiemix jedenfalls ist in den ersten zweieinhalb Jahren nach dem Atomausstieg signifikant gestiegen, ein Umstand, der im europäischen Ausland gerade bei klimapolitisch Interessierten aufmerksam wahrgenommen wird, und zum Teil Anlass für irritierte, bisweilen auch hämische Kommentare ist. In der deutschen Debatte wird diese Stimmung jedoch weitgehend ignoriert, auch von der Umweltbewegung, die es lieber vorzieht, Positiv-Botschaften zu verbreiten. Für ein Land, das mit seiner Energiewende Modell für andere Staaten sein will, eine fahrlässige Haltung – auch wenn der Kohleanteil im Stromsektor allein noch wenig über die Gesamtemissionen eines Landes verrät.

Die Aussage der Experten-Kommission, dass das deutsche 40%-Emissionsreduktions-Ziel bis 2020 zu erreichen sein wird, wenn alle anderen Teilziele erfüllt werden (S. 166), hilft nicht wirklich weiter. Insbesondere die geplanten Verbrauchsminderungen sind fraglich, beim Gesamtbedarf ebenso wie im Stromsektor. Interessant ist deshalb die Zustimmung der Expertengruppe zu der von Severin Fischer und mir schon seit längerem vertretenen These, beim deutschen 40%-Ziel handele sich im wesentlichen um einen Akt der Politischen Kommunikation, da für die deutschen Treibhausgasminderungen detaillierte rechtsverbindliche Vorgaben der EU in Höhe von ca. 33% existieren (S. 115f.), die auf jeden Fall erfüllt werden müssen, was für Deutschland nach Lage der Dinge auch kein Problem sein sollte.

Sollte sich gegen Ende der Dekade herausstellen, dass das 40%-Ziel bis 2020 nicht zu schaffen ist, könnte genau hier der Ausweg für eine 2017 ins Amt kommende Regierungskoalition (gleich welcher Couleur) liegen. Sie wird die unzweifelhaft vorhandenen Erfolge der Energiewende lautstark und wortreich hervorheben, vor allem beim Ausbau der Erneuerbaren im Stromsektor. Angesprochen auf die Emissionsziele wird ihr ein kurzer Hinweis auf ihre europäischen Verpflichtungen genügen müssen: „Wir haben unsere klimapolitischen Vorgaben eingehalten“. Formell wird daran nichts auszusetzen setzen, und hierzulande dürften die Medien wenig Anlass sehen, den Unterschied zwischen minus 33% und minus 40% zu skandalisieren – eben weil der Klimaschutz nicht im Zentrum des Energiewendediskurses steht.

Ob diese Argumentation aber auch im Ausland überzeugen wird, ist fraglich. Ein nordwesteuropäischer Ländervergleich der niederländischen Umweltagentur PBL vertritt die bedenkenswerte These, dass Klima-Fragen in anderen europäischen Ländern einen höheren Stellenwert bei der Transformation des Energiesystems einnehmen als in Deutschland, wo industriepolitische Erwägungen im Vordergrund stünden, also die langfristigen Wettbewerbseffekte im Rahmen einer „Green Economy“. Wenn die deutsche Energiewende aber wirklich international „beispielgebend“ sein will, wird sie Erfolgsmeldungen produzieren müssen, die nicht nur hierzulande überzeugen, sondern gerade auch in Ländern mit anderen Prioritätensetzungen. Hier liegt bislang die große Leerstelle in der Außenkommunikation der Energiewende.
 

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