#ARD

The revolution will not be televised – Youtube auf dem Weg zum Nachrichtenmedium?

von , 16.7.12

Die durch das Internet beförderte Konvergenz individual- und öffentlichkeitsbezogener Kommunikation in Richtung dessen, was Manuel Castells „mass self communication“ nannte, verändert Verbreitungsformen und Rezeptionsgewohnheiten, stellt klassische Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsmuster in Frage und fordert tradierte Arbeits- und Denkweisen heraus. Soweit, so bekannt.

Untersucht und erörtert werden diese Strukturverschiebungen hauptsächlich am Beispiel der Printmedien, bei denen Auflagenschwund, zurückgehende Anzeigenerlöse und die Schwierigkeit, Reichweite in Erlöse zu überführen, zu den rauf und runter diskutierten Krisensymptomen führten. Dagegen schienen Internet und soziale Medien zwar den Konsum von TV-Nachrichten zu verändern (vor allem im Zuge der Entwicklung des Mobiltelefons zum Konvergenzmedium), etablierte Anbieter aber bislang kaum grundsätzlich herauszufordern. Die Fernsehnutzung blieb auf hohem Niveau, die Gewinne bei RTL-Group, ProSiebenSat.1 und Co auch.

Alles in Ordnung also? Natürlich nicht. Neuen, non-lineraren und interaktiven Formen der Audiovisualität gehört die Zukunft (im Falle der jüngeren Zielgruppen bereits die Gegenwart), und was die neuen Medienrealitäten für etablierte Akteure wie ARD, ZDF, RTL und Co. bedeuten, ist nicht ausgemacht. Welch starke Rolle YouTube, mit über vier Milliarden Videoabrufen pro Tag die am dritthäufigsten frequentierte Seite der Welt, bei diesen auch das Nachrichtengeschäft erfassenden Umbrüchen spielt, dokumentiert eine Anfang der Woche veröffentlichte Studie des Pew Research Center for Excellence in Journalism. Ihr zufolge ist YouTube, sieben Jahre nach seiner Gründung, drauf und dran, sich zu einer zentralen Nachrichtenplattform zu entwickeln. In fünf der 15 Monate zwischen Januar 2011 und März 2012 bezog sich der häufigste Suchbegriff auf ein Nachrichtenereignis, so Pew. Von den 260 populärsten in diesem Zeitraum in YouTubes „News and Politics“-Rubrik veröffentlichten Nachrichtenvideos, stammten ein Drittel von Einzelnutzern. Dabei entwickle sich eine „komplexe, symbiotische Beziehung zwischen Bürgern und Nachrichtenorganisationen“, ein kontinuierlicher „Dialog“ im Sinne des modernen Onlinejournalismus. Unter der Ägide von Robert Kyncl und mit Investitionen von rund 100 Millionen Dollar ist YouTube zudem dabei, die eigenen Kanäle („YouTube Original Channels“) mit exklusiven Inhalten prominenter Partner wie des CSI-Produzenten Anthony E. Zuiker auszubauen.

Die Bilanz der hierfür von etablierten Nachrichtenmarken wie The Wall Street Journal oder Reuters betriebenen journalistischen Angebote fällt indes bislang eher bescheiden aus, was darauf schließen lässt, dass es mit der Wahrnehmung von YouTube als Nachrichtenmedium doch noch nicht so weit her ist. Aber Strukturen und Reichweite sind da, und die Verbreitung internetfähiger TV-Geräte wird in den nächsten Jahren rasant an Fahrt gewinnen…

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