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Teil 3: Verlage zwischen Web 2.0, Vermarktung und „Krise“

von , 17.12.08

Die folgenden Teile werfen Licht wie Schatten auf deutsche Verlagskonzerne. Es ist zu beobachten, dass sich eine in 400 Jahren aufgebaute Professionalität in einem sich zunehmend dezentralisierenden Kommunikationsraum schwertut. Es gelingt ihr bisher kaum, ihre Angebote Nutzern als auch Werbe- und Anzeigenkunden folgenreich zu vermitteln.

Artikel-Serie von Jan Krone: Teil 1, Teil 2, Teil 3

Teil 3: Telekommunikatives Selbstverständnis als Lösungsansatz

Eine Lösung für den ertragreichen Betrieb von sozialen Gemeinschaften schien die Werbevermarktung über personalisierte Werbemaßnahmen zu sein. Man verfügt über detailgenaue Individualprofile. Also her mit dem Direct-Marketing-Tool aus dem Megamedien-Vermarktungsbaukasten!

Doch was lässt sich mit ungeheuren wie teilweise schizophren anmutenden Datensammlungen anfangen, wenn diese auf ausgedachten Profilen von Mittdreißigern beruhen? Oder im Falle von „Studierenden“ auf der Erkenntnis, das diese jungen Menschen viermal in zwei Jahren ihre Wohnung samt Telefonnummer wechseln, bis sie endgültig verloren gehen? Es bleibt ein enormer Ressourcen-Aufwand mit insgesamt nicht zufriedenstellenden Ergebnissen.

Die Lust von der Genese möglichst expliziter soziodemographischer Information auf dieser Ebene des Internets basiert schlicht auf einer falschen Grundannahme. Direct-Marketing ist in diesem Bereich nicht nur überflüssig, es kann sogar kontraproduktiv aus der Initiatoren-Perspektive, also marken-schädlich sein.

Der Ansatz aus der Telekommunikation, die Kernerlöse aus dem reinen Zugang (oder Flat, Dauer, Volumen etc.) zu erwirtschaften, ist für Massenmedien mehrheitlich unwichtiger, geht dadurch doch Reichweite und damit die Aussicht auf optimale Werbeausbeute verloren (klassisch spielen Einzelverkauf und Abonnementerlöse eine untergeordnete Rolle und reichen in den seltensten Fällen zur ausreichend befriedigenden Refinanzierung der Angebotserstellung).

Hier gilt es sich einerseits an dem Bedürfnis der interpersonalen Kommunikation von Individuen zu orientieren, die ihre Kommunikationsinhalte frei und hochgradig oszillierend pflegen und anderseits daran, dass je spezieller der Kommunikationsraum, desto höher auch die Bereitschaft ist, für den Zugang Entgelte zu entrichten.

Verfolgen nun also die Verlage die Entwicklung des individualkommunikativen Begriffs „privater Raum“ in unterschiedlichen Generationen wird man feststellen können, dass sich dieser als dynamisch altersabhängig erweist. Nutzer-kontrollierter privater Raum in Verbindung gebracht mit Annahmebereitschaft von unnachgefragter Werbung eröffnet einerseits die Perspektive der generellen, vielleicht auch durch mit Streuverlusten gekennzeichneten Werbeschaltungen als die am erfolgversprechendste Variante indirekter Refinanzierung.

Andererseits bedeutet „privater Raum“ eine Form von Werthaltigkeit, die unter/nach einer eigenen Nutzenprüfung des social community-users durchaus in die Entrichtung eines Entgelts zur Partizipation an einer Gemeinschaft, zum Eintritt in einen Club, münden kann und es praktisch auch hunderttausendfach tut.

Die Bereitschaft seitens der Massenmedien aber, sich mit ihrem Publikum als Ganzes und nicht in Form von konsensual zwischen Medien und Werbewirtschaft konstruierten „repräsentativen“ Gruppen auseinanderzusetzen, darf nun ohnehin als, sagen wir einmal, umständlich angesehen werden. „Big Media“, das bedienen großer Gruppen mit vorgefertigen Inhalten, ist zugleich Geheimnis und Hemmnis der Verlagsbranche wie die daraus abgeleitete Vermarktung.

Im Bereich sozialer Gemeinschaften ist dagegen ein „Verstehen“ des Publikums unabdingbar. Anders als in den Massenmedien üblich, erfahren in dem Bereich der Individualkommunikation Begriffe wie Markenstärke und daraus folgend Markenbindung eine untergeordnete Bedeutung. Gilt eine social community als unschick oder nervig, wechselt man ohne Tränen zu nächsten.

Ein Vertrauensgutcharakter, wie beispielsweise Tageszeitungstiteln mit konstanter, chronistischer Informationsqualität und Themensetzungs-Funktion als Meinungsbildner zuweisbar, unterliegt bei Marken sozialer Gemeinschaften einer latenten Substitutionsgefahr.

Plattformen sozialer Gemeinschaften zeichnen sich durch grobe Orientierungsmerkmale für Nutzer (Auto, Dating, Gesundheit, Mode, Region etc.) sowie durch die adäquate Bereitstellung von Kommunikationsräumen aus – nicht durch die Inhalte, für die der Nutzer selber sorgt.

Dies ist eine Gesetzmäßigkeit aus dem Bereich der Telekommunikation, signifikant beobachtbar durch die Tarif- und Anbieterwechsel-Frequenz der Kunden im Verhältnis zur Wechselbereitschaft von Medienmarken, insbesondere denen der Tageszeitungen.

So stellt sich die Mesomedien-Realität überwiegend dar, beschränkt man sie auf das öffentliche Mitmach-Netz: die Kombination und Auslese von angemessenen Strategien aus einem konvergenten Medienmarkt.

Es existierten aber auch junge, antizipative, einer Print-Professionalität entsprechende Projekte in der deutschen Verlagswelt, sich auf diesen fremden medialen Oberflächen zu positionieren. Genannt werden kann an dieser Stelle die Neue Osnabrücker Zeitung, die geradezu die Kühnheit besaß, eine eigene „Web 2.0-Plattform“, die OScommunity ins Leben zu rufen und nicht etwas zu erwerben, über dessen basale Funktionsweisen man zu wenig wusste/weiß.

Dieses regionale Kommunikationsforum wird nicht nur durch die Neue Osnabrücker Zeitung gepflegt, es wählt auch nach besonderen Kriterien Beiträge aus, die sodann über die Community-Zeitschrift Blue in der Region veröffentlicht werden. Diese Zeitschrift kann der Verlag dann wieder gemäß seiner überlieferten Professionalität vermarkten, also neue und/oder alte Leser (wieder-)finden, Werbekunden die eigene Zukunftsfähigkeit vorleben und damit als seriöser und nachhaltiger Partner erscheinen. Gleichermaßen wird sukzessive die eigene Professionalität im Umgang mit den Massenmedien generell fremden medialen Oberflächen vorangetrieben.

Schenkt man abschließend der weitestgehend als unverdächtig im Hinblick auf Interessen-Kollisonen geltenden BAT-Studie zur Online-Nutzung Beachtung, so ist entgegen anderer Erhebungen zu vermuten, dass es sich 2008 nur um einen geringen Teil der Bevölkerung handelt, die regelmäßig oder sogar intensiv das Internet und damit auch social communities nutzt.

Das Jahr 2008 steht ergo für den Beginn eines Medienwandels und damit schon heute zu beobachtenden Verschiebungen, Neuausrichtungen und Substitutionsprozessen. Strategische Halbherzigkeiten seitens der Megamedien haben weiterhin Gnadenfrist.

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