#Angela Merkel

TeAM Deutschland: Der Online-Kanzlerwahlverein für das “Weiter so”

von , 27.2.09


Der Online-Wahlkampf ist im politischen Berlin und den angeschlossenen Funkhäusern zurzeit ein heißes und ein heikles Thema zugleich. Zum einen hat der Erfolg von my.barackobama.com im US-Wahlkampf, und die 500 Millionen Dollar an Online-Spenden, die auf der Seite registriert wurden, auch bei deutschen Politikern die Sehnsucht nach einem hypermodernen Partizipationsinstrument (oder besser: Me-Too-Produkt) geweckt, zum anderen ist den Wahlkampf-Strategen jedoch klar, dass neben dem Online-Riesen Obama auch eine virtuelle Volkspartei klein wirken kann. Der erste Internet-Präsident der USA wirft einen langen Daten-Schatten.

Die Union hat es nun trotzdem gewagt, und nach der SPD (meinespd.de), nun ebenfalls eine Kampa-Community vorgestellt: teAM Deutschland (TD) heißt das Projekt. Die Botschaft heißt hier jedoch nicht „Change“, sondern „Weiter so“. „teAM Deutschland hat ein klares Ziel: Angela Merkel soll Kanzlerin bleiben“, heißt es in der Überschrift. Die Frage ist nun nicht, ob die Website den Vergleich mit my.barackobama.com aushält (auch wenn das CDU-Logo dem Obama-Logo auffällig ähnelt), sonder ob die Seite in sich stimmig ist, bzw. dem User / Bürger neue Handlungsspielräume eröffnet.

Das Corporate Design der Community ist zumindest im Bezug auf die „Googleability“ (etwa: Auffindbarkeit) missglückt. Denn „Team Deutschland“ ist keine absolute, unverwechselbare Identität (warum muss man dabei an Jürgen Klinsmann, ca. 2006 denken?), sondern ein Allerweltslabel. Und die Suche nach „Team Deutschland“ führt auch nicht sofort auf die Homepage der Union, sondern auch auf die gleichnamige Satiresendung des NDR. Unter teamdeutschland.tv kann man eine Cartoon-Version der Kanzlerin sehen, deren Hosen in Flammen stehen. Als ob man im Web dem Spott noch auf die Sprünge helfen müsste.

Wahlkampf-Seiten waren lange Jahre schlichte Informationsquellen mit geringem Interaktionsgrad –„Brochureware“ und „Digital Yardsigns“ werden die prähistorischen Pixel-Konstrukte heute spöttisch genannt, digitale Versionen der Logos und Sticker, die während des Wahlkampfs auf Autos, Gartentoren und Ampelmasten auftauchen. „Früher waren Internetseiten von Parteien Landebahnen für politisch Interessierte, heute müssen sie Startrampen für politische Aktive sein“, so sagt Generalsekretär Ronald Pofalla. Die Technologie bestimmt die Wahlkampfstrategie: Hatten Politiker bis 1950 nur ihre Stimme, um Informationen und Meldungen über Boten, Zeitungen und später das Radio an die Wähler zu bringen, so wurde im TV-Zeitalter ihr Gesicht immer wichtiger, das Image, das Bild, in dem der Wähler in Sekundenschnelle Werte und Charakter erkennen können sollte. Im 21. Jahrhundert hat der Kandidat eine Stimme und ein Gesicht, er muss aber auch einen space schaffen, in dem sich die Anhänger treffen können und in dem sie sich wohlfühlen. VOICE –> FACE -> SPACE. Es ist die  Evolution der politischen Kommunikation, an deren Ende der 3-D-Kandidat steht.

4267 Mannschaftsmitglieder hat teAM Deutschland derzeit (Stand: 27.2.09, 15.34). Bei TD handelt es sich um handelsübliche Web 2.0-Software, auch auf FlickR, Facebook, StudiVZ und den anderen Standard-Schnittstellen ist TD präsent. Die deutsche Politik hat also den Boom von sozialen Netzwerke wie MySpace, Facebook oder LinkedIn aufgegriffen. Soziale Netzwerke verbinden den Nutzer mit Freunden, Bekannten und einer zumindest theoretisch unbegrenzten Anzahl von fremden Menschen, und machen es sehr einfach, Informationen mit diesen zu teilen. Die Politik kann von den Netzwerken vor allem deshalb profitieren, weil Menschen einer Idee gegenüber aufgeschlossener sind, wenn sie von einem Bekannter oder Kollegen oder einem scheinbar normalen Menschen an sie herangetragen wird, anstatt von einer Zeitung, einem Experten oder einer anderen entfernten Autorität.

„Umfragen zeigen, dass es nicht die unentschlossenen Wähler sind, die politische Websites besuchen, sondern Wähler mit einer starken Parteibindung, die bereits entschiedene politische Ansichten haben“, schreibt der amerikanische Kommunikationsforscher Matthew Hindman in einer aktuellen Studie. Die Kandidaten sollten deshalb nicht versuchen, die wenigen Unentschlossenen von der eigenen Agenda zu überzeugen. „Bei der neuesten Generation von Wahlkampfseiten geht es vielmehr darum, diejenigen an Bord zu holen und zu motivieren, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit den Kandidaten unterstützen werden.« Die wichtigsten Buttons und Felder auf den Webseiten heißen deshalb »Machen Sie mit«, »Spenden« und »Unterstützen Sie Uns«.

An der technischen Oberfläche von TD ist auf den ersten Blick wenig auszusetzen. Auch wenn der Blogger Malte Welding darauf hinweist, dass team2009.de in Struktur und Design stark der Seite cdu.de ähnelt, und auf seiner Seite sogar einen Dissens unter den CDU-Programmierern dokumentiert. Die Qualität eines Netzwerks kann man nur an Hand von Aktivitätsniveau und Freiheitsgraden messen, und dafür ist es noch zu früh. Erwähnenswert ist es jedoch, dass vor allem Kandidaten und Bewegungen im Internet zu reüssieren scheinen, die von Nutzern als Außenseiter wahrgenommen werden, oder zumindest versprechen, das Establishment aufzurütteln. Das gilt sowohl für Howard Dean, der 2004 kurzzeitig zum Web-Champion in den USA aufstieg, als auch für Barack Obama („Change“) oder den französischen Präsidenten Sarkozy („Rupture!“). teAM Deutschland aber kämpft für Kontinuität und das Establishement – und symbolisiert dies sogar durch die alberne Kapitalen im Titel.

TD ist – nicht von der Struktur aber in der Selbstbeschreibung – ein reiner Kanzlerwahlverein. Die Mitglieder sollen zwar  „Mitreden, Starkmachen, Flagge zeigen“, aber das nur zu einem Zweck, und das ist die Wiederwahl von Angela Merkel. Viele versprechen sich von Online-Kampagnen einen Vitalitätsschub für die apathische Spätdemokratie, aber wie soll TD zu einer Stärkung der Zivilgesellschaft oder zur Re-Integration der Bürger in den politischen Prozess beitragen, wenn offensichtlich ist, dass die Seite am Tag nach der Wahl abgeschaltet werden wird? Die große Hoffnung liegt wieder einmal darin, dass die Nutzer etwas anderes mit der Seite machen, als von den Machern vorgesehen. Die größte Gruppe auf TD heißt nicht etwa „Merkel für Deutschland“, sondern „Leistung muss sich wieder lohnen“, und kämpft laut eigenen Aussage gegen „die schleichende Sozialdemokratisierung der CDU“ und „für eine Leistungsgesellschaft mit stark konservativen Werten“.

AM wird das nicht gerne sehen, aber es ist eigentlich ein gutes Zeichen.

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