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taz.de: „Flattr hat das Tool angeboten, was wir uns immer gewünscht haben“

von , 17.6.10

In den ersten zwei Wochen hat die taz 143,55 € „erflattrt“, bekannte Blogs wie CARTA (4 Wochen, 122,56 €) oder Spreeblick (2 Wochen, 110,94 €) haben nicht viel weniger erzielt. Wie bewerten Sie das Ergebnis? Glauben Sie, dass die User bei Bloggern eher bereit sind, etwas zu geben?

Matthias Urbach: Man muss sehen, dass die Kollegen der genannten Blogs teilweise schon etwas länger bei Flattr dabei sind. Was uns aufgefallen ist, ist dass zu Beginn hauptsächlich Texte hoch gewertet wurden, die sich um Flattr drehten. Es wird noch eine Weile dauern, bis Flattr allgemein angenommen wird und das Publikum breiter wird. Aber es ist noch unklar, wann das so weit sein wird.

Ob Blogger mehr bekommen werden, muss man abwarten. Dass die taz anders als einiger Blogger noch andere Einnahmequellen hat, ist ein naheliegender Gedanke. Ob das sich aber auf das Verhalten der Flattr-Nutzer auswirkt, ist derzeit schwer zu sagen.

Wie viel ist denn ein „Flattr-Klick“ im Durchschnitt wert?

Im Ergebnis sind es im Mai 11 Cent gewesen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wenn mehr Angebote Flattr nutzen, auch mehr geklickt wird und der Wert sinkt. Ohnehin ist der Wert eines Klicks sehr individuell: Im Revenue-Report, denn wir nun bekommen haben, kann man sehen, dass es anscheinend Klicks gibt, die nur Bruchteile eines Cents bedeuten. Die stehen dort mit 0,00 €. Auf der anderen Seite geht es auch bis hin zu 1 € für einen Klick.

Wie wird das über Flattr eingenommene Geld bei der taz aufgeteilt oder genutzt? Bekommt jeder Autor seinen Teil vom Kuchen?

Matthias Urbach: "Wir sind gerne von unseren Lesern abhängig, lieber als von Werbung." (Foto: taz)

Matthias Urbach: "Wir sind gerne von unseren Lesern abhängig, lieber als von Werbung." (Foto: taz)

Es gibt bei uns keine Autorenumverteilung. Das ist auch nicht geplant und ich halte es auch nicht für wünschenswert. Was wir wohl haben, ist eine Unterscheidung zwischen den Blogs und der normalen Nachrichtenseite. Da die taz-Blogger von uns nicht bezahlt werden, können sie eigene Flattr-Accounts nutzen, also auf eigene Rechnung wirtschaften. Das machen andere Unternehmen zum Teil anders. Vom klassischen redaktionellen Inhalt wird nur ein Account gespeist. Die Autoren sind ja festangestellt oder bekommen ihr entsprechendes Honorar.

Warum nutzt die taz Flattr? Wie sieht es zum Beispiel mit Kachingle aus?

Den Ansatz von Flattr finden wir gut. Dort unterstützt man bewusst sogenannte „Things“. Kachingle hat einen anderen Zugang: Dort werden die Besuche einer Seite gezählt und diese wird als Ganzes unterstützt. Wir überlegen, unseren Usern auch Kachingle anzubieten, aber Flattr gefällt uns inhaltlich besser. Wir haben auch großes Vertrauen in die Macher.

Entscheidend an den Ansätzen ist, dass beide ohne Bezahlschranke auskommen. Die Texte sind also weiter frei, man kauft keine Katze im Sack. Bei anderen Systemen kann man manchmal nur einige Zeilen lesen, bevor man bezahlen soll. Nur, um später gegebenenfalls festzustellen, dass der Artikel doch nicht den Erwartungen entspricht.

Bei Flattr wollen wir zudem dabei sein, um das Projekt zu unterstützen. Das war ein weiterer Beweggrund für uns. Wenn man unter jeden taz.de-Artikel den Flattr-Button sieht, ist das auch eine Werbung für Flattr. Wir wünschen uns, dass es ein Erfolg wird.

Glauben Sie, dass auch andere klassische Medien Flattr nutzen werden?

Das wird man abwarten müssen. Ich weiß, dass einige interessiert sind. Aber ich erwarte, dass die meisten Medienhäuser nicht nachziehen werden. Die Verlage gehen in der Regel noch von Printmodellen aus. Sie sind der Meinung, dass ihr Produkt einen gewissen Wert an sich hat von dem man nicht abrücken will. Das sieht man beim SPIEGEL zum Beispiel an der App-Preispolitik. Die Preise für die Ausgaben für iPhone oder iPad sind etwa so hoch wie im Print. Das zeigt, dass man denkt, das Produkt habe einen Wert und den will man auch eintreiben.

Die taz geht da anders ran. Wir haben ja auch im Print ein geschichtetes Preissystem, wo jeder entscheiden kann, ob er mehr Geld zur Verfügung hat und den politischen Preis zahlt, oder ob er weniger Geld zur Verfügung hat und den ermäßigten Preis bezahlt. Ich bezweifele im Übrigen, dass bei anderen Zeitungen das System in dem Maße funktionieren würde, weil die Leser-Blatt-Bindung zumeist nicht so hoch ist.

Nun gibt es ja nicht nur Lob für Flattr, einige Blogger äußern auch Kritik, zum Beispiel was den Datenschutz angeht. Ein anderer Vorwurf: An Flattr verdienen in erster Linie Paypal und Flattr selbst…

Was das Einzahlen von Geld angeht: Klar, da verdient zum Beispiel Paypal. Aber man muss es auch so sehen: Paypal hat dann eine Dienstleistung erbracht und die ist Geld wert. Die Gebühren sind natürlich nicht niedrig, aber sie bieten den Dienst an, worüber man froh sein kann. Die Frage ist, ob Flattr mehr Möglichkeiten bieten sollte, Geld einzuzahlen. Doch da muss man ihnen noch Zeit lassen, schließlich sind sie noch in der Beta-Phase.

Und was den Datenschutz angeht?

Wir haben wie bereits erwähnt großes Vertrauen in die Flattr-Macher. Den Datenschutz-Aspekt haben wir im Hinterkopf. Gerade als taz sind wir da sensibel. Wir widmen diesem Thema ja auch einen großen Teil unserer Berichterstattung.

Solange Flattr keine Nebengeschäfte oder Werbung macht, ist die Sache unproblematisch. Es ist ja nicht wie beim Google-Konzern, der davon lebt, unsere Daten zu sammeln, um damit gezieltere Werbung anbieten zu können. Flattr sammelt eher „Datenmüll“. Es gibt dort kein Geschäft, bei dem man diese Daten nutzt. Wir achten aber weiter darauf, ob Flattr gut mit unseren Daten umgeht. Derzeit haben wir keine Bedenken.

Glauben Sie, dass freiwillige Zahlungen für Online-Inhalte in Zukunft eine wichtige Rolle im Online-Journalismus spielen werden?

Ich gehe nicht davon aus, dass wir mit Flattr unsere Kosten einspielen können. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob auf lange Sicht ein nennenswerter Beitrag dabei heraus kommt. Auf der anderen Seite gibt es bei der taz es schon lange freiwillige Bezahlmodelle. Bis 2006 gab es auf taz.de unter den Artikeln die Frage, was dem Leser der Artikel wert war. Dazu ein Hinweis auf unser Bankkonto, auf das freiwillig etwas überwiesen werden konnte. Und das haben Leute auch gemacht.

2006 haben wir das geändert, weil wir versucht haben, auf Werbung zu setzen. Mittlerweile sind wir da schlauer und gehen mehrere Wege, auch wenn die meisten Einnahmen im Online-Bereich weiter mit Werbung erzielt werden. Lieber wäre uns natürlich, dass der Anteil durch die Leser höher ist, wie es bei uns auch im Print ist. Wir sind gerne von unseren Lesern abhängig, lieber als von Werbung, woher bei den meisten anderen Zeitungen und Magazinen noch der Löwenanteil der Einnahmen herrührt. Und Flattr hat nun das Tool angeboten, was wir uns immer gewünscht haben.

Aber die Angabe der Bankverbindung gibt es doch trotzdem wieder…

Vor einigen Wochen hatten wir noch einmal einen kleinen Versuch unternommen, unsere Leser um freiwillige Banküberweisungen zu bitten. Das wurde sehr gut angenommen. Nachdem wir Flattr integriert hatten, kam sehr schnell das Feedback, warum denn Flattr als Mittler dazwischen sei. Manche Leser wollen, dass das Geld direkt bei uns ankommt, ohne dass irgendwer Gebühren erhebt. Daher ist die Kontonummer wieder unter den Texten zu finden.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.