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Staatliche Schuldenkrise: Ein Senat soll das Monopol der Politiker aufbrechen

von , 30.5.10

Die Spekulanten stehen jetzt am Pranger der Medien und der Politiker. Letztere führen für den Finanzsektor neue Regulierungen und Steuern ein, jedenfalls verbal. Auch wenn einige der vorgeschlagenen Maßnahmen notwendig oder mindestens erwägenswert sein mögen, so folgen sie dennoch der bekannten Methode „Haltet-den-Dieb“.

Das Kernproblem der Griechenlandkrise – und gegebenenfalls weiterer Staatsschuldenkrisen – ist nämlich eine unseriöse Haushaltspolitik. Dies zeigt vor allem eines: Es ist ein Politiker-Problem. Schlimmer noch: Es beruht auf einem gravierenden Webfehler des politischen Systems. Die gewählten Politiker haben einen viel zu kurzen Zeithorizont. Sie haben die Macht und das „Recht“, opportunistisch gegen längerfristige Interessen ihrer Bürger zu handeln. Sie machen sich selbst das Recht (Gesetz), da nur sie, also die Politische Klasse, über die Gesetze und Regeln entscheiden können, weil sie als einzige demokratisch legitimiert sind. Sie sind somit gleichzeitig Spieler und Schiedsrichter und machen zudem noch die Regeln des Spiels.

Das eigentliche Fundamentalproblem ist das „Monopol für demokratische Legitimation“ der Politischen Klasse. Die Politiker setzen die Regeln und handeln danach, solange es opportun ist. Wenn nicht, findet sich fast immer eine plausibel klingende Begründung. Die weichen Formulierungen und die Ausnahmeklauseln, die sie dann in Anspruch nehmen, haben sie ohnehin schon selbst eingebaut – im Gegensatz zu Vorkehrungen für Transparenz, Kontrollrechte Dritter und wirksame Sanktionen, weil dies nicht in ihrem Interesse liegt.

Eine konsequente institutionelle Lösung bestünde darin, das Monopol für demokratische Legitimation durch eine duale Legitimation zu ersetzen. Das heißt, es sollte – neben dem Parlament – eine parteienunabhängige Institution geschaffen werden, die direkt vom Volk gewählt wird und somit ebenfalls demokratisch legitimiert ist. Man könnte sie „Senat“ nennen.

Der Senat sollte über die Top-Personalien aller nicht-politischen Institutionen des Staates (z.B. Zentralbank, Wettbewerbsbehörden, Verfassungsgericht, Verwaltung etc.) entscheiden, als Zweite Kammer in der Gesetzgebung (statt Bundesrat) fungieren, längerfristige inhaltliche Regeln (z.B. Verschuldungsgrenzen) initiieren und über alle Ausnahmen in und von bestehenden Regeln und Gesetzen entscheiden, die Politiker in Anspruch nehmen wollen. In allen Fällen entscheidet der Senat auf der Basis von (mehreren) Experten-Gutachten, die wettbewerblich beauftragt und namentlich publiziert werden. Der Senat und die Gutachter werden explizit beauftragt, insbesondere die längerfristigen Wirkungen staatlicher Maßnahmen zu berücksichtigen.

Unter solchen Bedingungen wäre es sicher nicht möglich gewesen, dass sich die Politische Klasse wie kürzlich geschehen in einem Handstreich über die Unabhängigkeit der Zentralbank hinweggesetzt hätte, immerhin – in Gestalt der Bundesbank – eine der erfolgreichsten Institutionen der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Und die Bundesbank und die europäische Zentralbank hätten sich sicher stärker zu Wehr gesetzt, wenn nicht die Politiker über die einschlägigen Positionen entscheiden würden, sondern Unabhängige.

Auch die Einführung des Euro wäre sicher etwas anders verlaufen. Damals konnte sich die Politische Klasse (nicht nur Helmut Kohl, sondern fast alle Parteien im Bundestag) locker darüber hinwegsetzen, dass 60 bis 70 Prozent der Deutschen gegen die überstürzte Einführung des Euro und die Abschaffung der D-Mark waren. Dass auch die Mehrzahl der akademischen Experten eurokritisch waren und vorangehende wirtschaftspolitische Harmonisierungsschritte forderten, hat damals keinen Politiker wirklich interessiert.

Nun, da vielen in Deutschland dämmert, dass wir uns in einem Haftungs- und Transfer-Kollektiv befinden, wünschen wir uns die Situation zurück, als wir noch mit genügendem Zeithorizont relativ einfach klare Regeln (z.B. für die öffentlichen Haushalte), unabhängige Kontrolleure und wirksame Sanktionen hätten einführen können.

Nicht nur Ökonomen wissen, dass Monopole von Übel sind. Warum dulden wir dann noch länger das Monopol der Politischen Klasse, statt Reformen am demokratischen System anzupacken? Weil die Politische Klasse auch hierfür das Monopol hat?

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